Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt

Adams Söhne - Adolf von Wilbrandt


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dann langen Sie zu! – Oder nein: das muss ja feiner gemacht werden. Da haben Sie die ganze Mahlzeit, und hier ist das Messer; – wenn Sie nicht lieber Ihr eigenes nehmen. Aber meins ist rein. Kurz, bedienen Sie sich, wie es Ihnen beliebt!«

      »Ich danke Ihnen«, sagte der junge Mensch mit einer weichen, fast gerührten Stimme. »Ich – ich esse jetzt nicht.«

      »Ist Ihnen mein Käse zu schlecht? – Oder bin ich Ihnen zu schlecht?«

      »O nein; ganz und gar nicht. Wie können Sie das sagen. Ich esse nur nicht – weil ich keinen Hunger habe.«

      »Sie haben keinen Hunger?«—

      Der ›Plebejer‹ sah den ›Aristokraten‹ sehr verwundert an.

      »Sie haben doch eben erst Eierkuchen essen wollen, – im Traum, mein’ ich. Und haben dann geseufzt. Und dann haben Sie auf meinen Käse einen Blick geworfen – einen Blick, dass mir sogleich der halbe Appetit vergangen ist! – Ja, ja!« setzte er hinzu, mit einem Lächeln, in dem wirklich Güte lag und das dieses knochige, harte Gesicht verschönte.

      Der Blasse errötete.

      »Ich hab’ also im Schlaf gesprochen?« fragte er.

      »Ja freilich. Vom Essen. Und dann dieser Blick … Wie können Sie dann sagen, dass Sie keinen Hunger haben?«

      Der Jüngling zuckte hilflos die Achseln. Er war noch schöner, als vorhin im Schlaf; auf den erröteten Wangen lag es wie hingemalte Rosenblätter, die nur allzu bald wieder verschwanden. Eine sonderbare Schwäche schien dann über seine feine, schlanke Gestalt zu kommen. Er sah sich um, wie nach einer Stütze, lehnte sich gegen seinen Ahornbaum und schloss flüchtig die Augen.

      »Was haben Sie? – Fehlt Ihnen was?« fragte der andere.

      »Das nicht«, erwiderte er sanft. »O nein!« —

      Er raffte sich dann auf und suchte männlich gleichgültig zu lächeln:

      »Ich muss Ihnen nur – — Ich hab’ Ihnen noch nicht einmal gedankt. Wie gut sind Sie. Das Wenige, was Sie haben, wollten Sie mit mir teilen. Und dabei – —«

      Er sah an den einfachen, stark verbrauchten Kleidern des andern hinunter, und auf den abgetragenen schwarzen Rock, der im Grase lag.

      »Dabei sind Sie wahrscheinlich kein Rothschild … Und mancher reiche Mann hätte nicht daran gedacht, gleich mit mir zu teilen!«

      »Ja, die Reichen! Die Reichen!« murmelte der andre.

      Er setzte dann lauter hinzu, mit einem Blick über die Achsel:

      »Sie wissen ja, was die Bibel von den Reichen sagt. Eher wird ein Kamel – — übrigens, Bibel oder nicht: diesen Reichen wird man’s noch ganz anders sagen!«

      Er hob seinen Knotenstock und schlug damit gegen die weiche Erde.

      »Oder gehören Sie auch dazu?« sagte er dann mit einem kurzen Lachen. »Da oben – er deutete auf sein Gesicht – seh’n Sie nicht so aus; aber da unten: die Kleider und die Kette. Und meinen plebejischen Käse essen Sie ja doch nicht. Lieber hungern Sie. Einer ist wie der andre!«

      »Da irren Sie sehr«, sagte der blasse Jüngling mit einem wunderbaren, schlicht überzeugenden Ton seiner weichen Stimme.

      Überrascht sah der ›Plebejer‹ auf. Es war ihm, als hätte er einen jungen Christuskopf vor Augen; etwas, das ihn zum Lächeln reizte, aber dieses Lächeln ging dann in Erstaunen unter. Er hatte nie so einen Menschen geseh’n.

      Die jungen, blauen Augen strahlten von Güte und Menschenliebe; in dem schrägen Blick, im Lächeln zeigte sich eine schwärmerische Erhebung der Gefühle, die nach Worten zu suchen schien, aber zu keusch war, um sich auszusprechen.

      Die Schwäche, die ihn vorhin befallen hatte, schien verflogen zu sein. Er neigte sich etwas vor, sah seinen Reisegefährten ruhig an, und drückte sich den Hut in die weichen Locken.

      »Inwiefern irr’ ich denn?« fragte der Grobknochige, nachdem er eine Weile gezögert hatte.

      Der Jüngling bewegte die Lippen, antwortete dann aber nicht. Er warf einen Blick auf die Sonne, und verwunderte sich.

      »Wie lange hab’ ich denn geschlafen?« sagte er, wie mit sich allein. Er sah auf die Uhr. Er schüttelte den Kopf.

      »Nun, wie lange haben Sie denn geschlafen?« fragte der andre, der wieder seinen Käse anschnitt.

      »Zwei Stunden, glaub’ ich; und mehr! – Das ist doch des Teufels!«

      Der andre horchte hoch auf; es überraschte ihn, dass dieser Jüngling ›aus einer anderen Welt‹ auch so menschlich und natürlich den Teufel in den Mund nahm.

      »Und ich weiß nicht einmal, wie ich eingeschlafen bin«, fuhr der junge Mensch fort. »Es kam so auf einmal – eine Art von Schwäche – kurz, ich wurde müde. Aber ich warf mich nur ins Gras, um einen Augenblick auszuruhen. – Und machte die Augen zu. Als ich sie wieder aufmachte, saßen Sie da und aßen; – und zwei Stunden lang hab’ ich fest geschlafen!«

      »Und Sie hungerten im Schlaf«, setzte der andre hinzu. »Sie müssen schon erlauben, junger Herr, dass ich mir bei alledem etwas denke; ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen. Da irren Sie sehr, sagten Sie vorhin. Und dazu haben Sie so ein – merkwürdiges Gesicht … Inwiefern irr’ ich denn?«

      Der Jüngling hob den Kopf, wie um zu antworten, blieb aber wieder still.

      »Wann haben Sie denn heute zuletzt gegessen, wenn ich fragen darf?«

      »Heute?« – Der Jüngling lächelte und sah auf seine Füße, die er sacht, wie spielend, aneinander rieb. »Heute hab’ ich noch nicht gegessen.«

      »Was? – Noch gar nicht?«

      »Nein.«

      »Und wann denn zuletzt?«

      »Wozu fragen Sie? – Sie werden die ganze Sache komisch finden…«

      »Nein«, sagte der andere trocken. »Ich werde die ganze Sache gar nicht komisch finden; das versprech’ ich Ihnen. Also wann aßen Sie denn zuletzt?«

      »Vorgestern Abend – wenn Sie’s denn wissen wollen.«

      »Nu, das ist mehr, als ich je geleistet habe! – Und was mich betrifft, ich tat’s unfreiwillig; aber Sie – — Sie sehen so aus, als hätten Sie’s nicht nötig. Als hätten Sie nur zum Spaß – —. Nein, nicht zum Spaß. Das ist ein dummes Wort; das passt nicht zu Ihnen. Warum haben Sie denn gehungert? – — Sagen Sie mir das nicht? Bin ich Ihnen zu schlecht gekleidet, oder sonst zu ordinär, um mich mit einer offenen Antwort zu beehren?«

      Der Jüngling machte eine hastige Bewegung, seine sanften Augen blitzten. Er zwang sich aber wieder zur Ruhe, indem er mit der linken Hand langsam an sich hinunterstrich.

      »Ich werd’s Ihnen also sagen … Aber so müssen Sie nicht reden. Was gehen Sie oder mich unsere Kleider an? Sie sind ein Mensch, ich auch. – Warum ich hab’ hungern wollen? Nun – um einmal zu fühlen, wie’s tut.«

      »Und warum wollten Sie das? Ihnen kann’s ja genug sein, dass andre dazu verdammt sind.«

      »Das ist ja eben der Jammer, dass es solche gibt! Und dass – — kurz, dass die einen mehr leiden als die andren; – und dass die andren so gern die Achseln zucken und sagen: das ist nun einmal so verteilt, was ist da zu machen! – Es wäre aber doch wohl etwas zu machen, wenn nur alle wollten. … Kurz und mit einem Wort: besser muss es werden. Das Glück soll zu allen kommen, alle sollen gleich sein. Und jeder muss dazu tun, was er kann!«

      »Hm!« murmelte der andere. Er warf wieder einen staunenden, halb verblüfften Blick auf diesen sonderbaren Menschen. Dann stieß er scheinbar spöttisch oder unwirsch heraus: »Und darum haben Sie gehungert?«

      »Nun ja!« sagte der junge Mensch, über sich selber lächelnd. »Nur so ein Versuch. … Um es nicht besser zu haben; und um mir’s wirklich vom Munde abzusparen, was ich andren gebe. Dass ich doch sagen kann: ich hab’ gefastet, damit ein anderer satt wird. – Was wollen Sie? Warum sehen Sie mich so grimmig an?«

      »Seh’


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