Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма


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an die Scheiben des Erdgeschosses, das Gilbert bewohnte, der so großmüthig von Andrée mit dem Namen eines Müßiggängers und von dem Baron mit dem eines Taugenichts geschmückt worden war.

      Gilbert wandte diesem Fenster, das nach der Allee ging, den Rücken zu und beschäftigte sich im Hintergrunde des Zimmers mit Gott weiß was.

      Bei dem Geräusch der auf die Scheiben trommelnden Finger von Nicole, verließ er, wie ein auf der Thal ertappter Dieb, das Werk, das ihn in Anspruch nahm, und wandte sich rasch um, als wenn ihn eine Stahlfeder in Bewegung gesetzt hätte.

      »Ah!« machte er, »Sie sind es, Nicole?«

      »Ja, ich bin es abermals,« antwortete das junge Mädchen durch die Scheiben mit einer entschlossenen Miene, doch dabei lächelnd.

      »So seien Sie mir willkommen, Nicole,« sagte Gilbert, während er das Fenster öffnete.

      Empfänglich für diese erste Kundgebung von Gilbert reichte ihm Nicole die Hand; Gilbert drückte sie.

      »Das geht gut,« dachte Nicole, »Adieu Reise nach Paris!«

      Und wir müssen hier Nicole aufrichtig loben, denn sie begleitete diese Betrachtung nur mit einem einzigen Seufzer.

      »Sie wissen,« sprach das junge Mädchen, sich mit dem Ellenbogen auf das Fenster stützend, »Sie wissen, Gilbert, daß man Taverney verläßt.«

      »Ich weiß es,« antwortete Gilbert.

      »Sie wissen, wohin man geht?«

      »Man geht nach Paris.«

      »Sie wissen auch, daß ich mitreise?«

      »Nein, das wußte ich nicht.«

      »Nun?«

      »Nun, ich wünsche Ihnen Glück, wenn Ihnen die Sache gefällt.«

      »Wie haben Sie gesagt?« fragte Nicole.

      »Ich habe gesagt: »«wenn Ihnen die Sache gefällt,’ « das ist klar, wie mir scheint.«

      »Sie gefällt mir  . . . je nachdem,« versetzte Nicole.

      »Was wollen Sie damit sagen?«

      »Ich will damit sagen, es hinge von Ihnen ab, daß mir die Sache nicht gefiele.«

      »Ich verstehe nicht,« sprach Gilbert und setzte sich so auf das Fenster, daß seine Kniee die Arme von Nicole streiften, und daß Beide ihr Gespräch halb verborgen durch Verschlingungen von Winden und Kapucinern, die sich um ihre Köpfe rollten, fortsetzen konnten.

      Nicole schaute Gilbert zärtlich an.

      Aber Gilbert machte ein Zeichen mit dem Halse und dem Kopfe, welches bedeuten wollte, er verstehe den Blick ebenso wenig als die Worte.

      »Es ist gut  . . . da ich Ihnen Alles sagen muß, so hören Sie,« sprach Nicole.

      »Ich höre,« versetzte Gilbert mit kaltem Tone.

      »Fräulein Andrée machte mir das Anerbieten, ihr nach Paris zu folgen.«

      »Gut,« sagte Gilbert.

      »Wenn ich nicht  . . .«

      »Wenn nicht?  . . .« wiederholte der junge Mann.

      »Wenn ich nicht Gelegenheit zum Heirathen finde.«

      »Es liegt Ihnen also immer noch daran, zu heirathen?« erwiederte Gilbert unempfindlich.

      »Ja, besonders seitdem ich reich bin,« antwortete Nicole.

      »Ah! Sie sind reich?« fragte Gilbert mit einem Phlegma, das den Verdacht von Nicole aus dem Geleise brachte.

      »Sehr reich, Gilbert.«

      »Wirklich?«

      »Ja.«

      »Und wie ist dieses Wunder geschehen?«

      »Das Fräulein hat mich ausgestattet.«

      »Das ist ein großes Glück und ich gratulire Ihnen dazu, Nicole.«

      »Sehen Sie,« sagte Nicole und ließ die fünfundzwanzig Louis d’or durch ihre Hand laufen.

      Und dabei schaute sie Gilbert an, um in seinen Augen einen Strahl der Freude oder wenigstens der Gierde zu erhaschen. Gilbert aber veränderte keine Miene:

      »Bei meiner Treue,« sagte er, »das ist eine hübsche Summe!«

      »Es ist noch nicht Alles,« fuhr Nicole fort, »Man gedenkt Maison-Rouge wieder aufzubauen und Taverney zu verschönern.«

      »Ich glaube es wohl.«

      »Und dann bedarf das Schloß der Beaufsichtigung.«

      »Ohne Zweifel.«

      »Nun, das Fräulein gibt den Platz eines  . . .«

      »Hausmeisters dem glücklichen Gatten von Nicole,« fuhr Gilbert mit einer Ironie fort, welche diesmal nicht genug verhehlt war, daß sich nicht das feine Ohr von Nicole darüber geärgert hätte.

      Sie hielt jedoch an sich und erwiederte:

      »Ist der glückliche Gatte von Nicole nicht Einer, den Sie kennen, Gilbert?«

      »Wen meinen Sie denn, Nicole?«

      »Hören Sie, werden Sie etwa einfältig, oder spreche ich nicht mehr Französisch?« rief das Mädchen, das nun bei diesem Spiele ungeduldig zu werden anfing.

      »Ich verstehe Sie vortrefflich,« sagte Gilbert; »Sie bieten mir an, Ihr Gatte zu werden, nicht wahr, Mademoiselle Legay?«

      »Ja, Herr Gilbert.«

      »Und nachdem Sie reich geworden, hegen Sie solche Absichten für mich,« fügte Gilbert eiligst bei; »in der That, ich bin Ihnen sehr dankbar.«

      »Wirklich?«

      »Ganz gewiß.«

      »Nun, so nehmen Sie dies,« sagte Nicole treuherzig.

      »Ich?«

      »Nicht wahr, Sie willigen ein?«

      »Ich schlage es aus.«

      Nicole machte einen Sprung und rief:

      »Hören Sie, Sie sind ein schlimmes Herz, oder wenigstens ein schlimmer Kopf, Gilbert, und glauben Sie mir, was Sie in diesem Augenblick thun, wird Ihnen kein Glück bringen. Wenn ich Sie noch liebte und wenn ich in dem, was ich in diesem Augenblick gethan, etwas Anderes als einen Punkt der Ehre und der Rechtschaffenheit erblickte, so würden Sie mir die Seele zerreißen. Doch, Gott sei Dank, nach meinem Willen sollte man nur nicht sagen, reich geworden verachte Nicole Gilbert und gebe ihm für eine Beleidigung ein Leiden zurück. Jetzt ist Alles zwischen uns vorbei.«

      Gilbert machte eine Geberde der Gleichgültigkeit.

      »Was ich von Ihnen denke, können Sie wohl vermuthen,« sagte Nicole. »Ich soll mich entschließen, ich, deren Charakter Sie als eben so frei, als eben so unabhängig als den Ihrigen kennen, ich soll mich entschließen, mich hier zu begraben, während mich Paris erwartet, Paris, das meine Schaubühne sein wird, verstehen Sie? Ich soll mich entschließen, den ganzen Tag, das ganze Jahr, das ganze Leben dieses kalte, undurchdringliche Gesicht zu sehen, hinter dem sich so viele gemeine Gedanken verbergen? Das wäre ein Opfer gewesen; Sie haben es nicht begriffen, desto schlimmer für Sie. Ich sage nicht, daß Sie meinen Verlust beklagen werden, Gilbert; ich sage, daß Sie mich fürchten, daß Sie erröthen werden, mich da zu sehen, wohin mich Ihre heutige Geringschätzung geführt hat. Ich konnte wieder ehrlich werden; eine Hand fehlte mir, eine befreundete Hand, um mich am Rande eines Abgrundes zurückzuhalten, wo ich mich abwärts neige, wo ich ausgleite, wo ich zu fallen im Begriffe bin. Ich habe ausgerufen: »Helfen Sie mir! unterstützen Sie mich!« Sie haben mich zurückgestoßen, Gilbert. Ich sinke, ich falle, ich gehe unter. Gott wird Ihnen Rechenschaft für dieses Verbrechen tragen. Leben Sie wohl, Gilbert, leben Sie wohl!«

      Und das stolze Mädchen wandte sich ohne Zorn, ohne Heftigkeit um, nachdem es, wie alle auserkohrene Naturen, den edlen Grund seiner Seele auf die Oberfläche hatte treten lassen.

      Gilbert schloß ruhig sein Fenster und kehrte in seinen Käfig zurück, wo


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