Memoiren einer Favorite. Александр Дюма
daß ich kaum fühlte, wie Sir John sich meiner Hand bemächtigte. Ich ließ dieselbe willenlos und untätig in der seinigen.
Nach einer halben Stunde machte der Wagen Halt. Wir waren in Piccadilly.
Der Schlag öffnete sich und Sir John stieg zuerst aus, um uns die Hand zu bieten. Ich war dankbar dafür, daß ein Gentleman uns begegnete wie Herzoginnen, und mit unfreiwilliger Bewegung drückte ich die Hand, welche mir dargeboten ward.
»Ich danke,« murmelte der Admiral leise.
Rasch zog ich meine Hand zurück.
Er betrachtete mich mit einem gewissen Erstaunen; an meinem Lächeln aber sah er, daß in diesem Zurückziehen meiner Hand nichts Beleidigendes für ihn lag.
Es war jetzt über drei Uhr. Er hatte folglich keinen Augenblick zu verlieren, wenn er noch zur rechten Zeit auf die Admiralität kommen wollte. Er stieg daher wieder in seinen Wagen und wir gingen, von dem Diener geführt, in das Haus hinein.
Dieses Haus, welches so ziemlich auf der Mitte des Weges von London bis zu Sir John Paynes Station lag, war ein mit der größten Eleganz möbliertes allerliebstes kleines Hotel und hatte keinen andern Eigentümer oder Mieter als Dicks aristokratischen Gönner.
Der Lakai, den uns dieser zurückgelassen, führte uns eine jede in ihr Zimmer. Als ich das meinige betrat, blieb ich stehen und suchte in meinen Erinnerungen, wo ich dieses Zimmer schon gesehen hätte.
Es lag in der Wirklichkeit dieser Vision etwas Unmögliches. In die Richtung von Piccadilly hatte mein Weg mich niemals gefühlt und man weiß, daß, als ich nach London kam, dies zum erstenmal geschah.
Ich stand vor einem großen Goldrahmenspiegel in einem eleganten Zimmer mit himmelblau seidenen Vorhängen, Toilettenmöbeln und eine Kommode von Rosenholz. Unter meinen Füßen hatte ich einen türkischen Teppich, über meinem Kopfe einen Plafond mit Freskomalereien, welche dem Pinsel eines Boucher oder Watteau zu entstammen schienen.
Ganz gewiß hatte ich dieses Zimmer schon gesehen.
Ich setzte mich in einen Sessel, dessen seidener Überzug von derselben Farbe war wie die Vorhänge, und diese blaue Farbe führte mich durch die Analogie auf den Gedanken an mein erstes Kleid als Pensionärin.
Ich sah mich wieder mit jenem Kleide an der Quelle sitzen, in deren Nähe meine Schafe weideten. Ich dachte wieder an den Tag, wo Dick zu mir gesagt hatte:
»Betrachte dich in unsern Quellen, Emma; später einmal wirst du in die Stadt gehen und dich in großen Goldrahmenspiegeln betrachten, wie der ist, der an der Tür des Spiegelhändlers in Hawarden steht.«
Durch den Faden meiner Erinnerungen geführt, besann ich mich auf alles. Dieses Zimmer, dieser Spiegel, diese türkischen Teppiche, diese Vorhänge, die so blau waren wie mein Kleid im Pensionat, ja dies alles hatte ich in einem Traume meiner Kindheit gesehen und jetzt nach sieben oder acht Jahren fand ich es in der Wirklichkeit wieder. Und Dick, welcher jene Prophezeiung ausgesprochen, war jetzt auch Ursache der Verwirklichung derselben. Seltsame Verkettung von Umständen, welche meinem Herzen jene verhängnisvolle Idee eingepflanzt, daß eine Macht, die stärker wäre als mein Wille, über mein Schicksal verfügen und daß ich vergebens versuchen würde, mich dieser Macht zu widersetzen.
Nach ungefähr einer halben Stunde trat Amy Strong in mein Zimmer und fand mich in demselben Sessel, in welchen ich nach meinem Eintritt gesunken war. Mein Hinbrüten schien sie zu beunruhigen.
Sie versuchte mich daraus aufzurütteln, indem sie von Sir John Payne, von seiner Güte gegen Dick und von seiner Artigkeit gegen uns sprach.
Ich begnügte mich zu lächeln, ohne zu antworten, ich begriff den Zweck dieser Artigkeit, die Berechnung dieser Güte und ich fühlte, instinktartig, daß meine Ehre das Lösegeld für Dicks Freilassung sein würde.
Zum Unglück war Sir John Payne jung, schön und reich; zum Unglück war er auch artig und schien gutmütig zu sein. Alles vereinigte sich sonach, um mich ins Verderben zu stürzen, sogar die guten Instinkte meines eigenen Herzens, welche mich drängten, Dick zu retten und Amy zu trösten.
Um fünf Uhr machte ein Wagen vor dem Tore Halt.
Ich erschrak.
Amy eilte an das Fenster und stieß einen Freudenruf aus.
Ich brauchte nicht erst an das Fenster zu eilen, um zu fühlen, daß es Sir John war, welcher nach Hause zurückkam.
Einen Augenblick später öffnete sich die Tür und er trat mit heiterer Miene ein.
»Was geben Sie mir, Miß Emma,« sagte er zu mir, »wenn ich Ihnen eine gute Nachricht für Ihren Schützling bringe?«
»Was,« antwortete ich, indem ich mich erhob und ihm beide Hände entgegenstreckte, »was könnte ich Ihnen weiter geben als den Dank eines tiefgerührten Herzens, Mylord?«
»Gut,« sagte er. »Für jetzt begnüge ich mich mit diesem Dank. Unsere Rechnung werden wir später ausgleichen.«
»Dann ist Ihr Vorhaben also gelungen, Mylord?« fragte Amy.
»Wenigstens ist es auf dem besten Wege dazu,« entgegnete der Admiral. »Man hat mir die Freilassung Ihres Bruders für diesen Abend versprochen. Wir wollen sie, wenn es Ihnen recht ist, bei Tische erwarten. Sie müssen sehr hungrig sein, denn Sie haben weiter nichts als ein kleines Stück Kuchen genossen. Ich meinerseits gestehe, daß die weiten Wege, die ich gemacht, meinen Appetit ebenfalls nicht wenig gereizt haben.«
Ich wollte eine Bemerkung über die Notwendigkeit machen, in der ich mich befand, nach Oxfordstreet zurückzukehren, als der Diener eintrat und meldete, daß die Tafel serviert sei.
Sir John Payne bemächtigte sich meines Armes, führte mich nach dem in derselben Etage gelegenen Speisezimmer und rief:
»Kommen Sie, meine schönen Tischgenossinnen!«
Der Tag begann sich zu neigen und aus dem durch die dichten Vorhänge vermehrten Halbdunkel meines Zimmers traten wir in ein prächtig erleuchtetes Speisezimmer, dessen Lichter von dem Kristall der Gläser und dem funkelnden Silbergeschirr widergespiegelt wurden.
Es war in der Tat, als wenn von Feenhänden ein Souper für ihren König Oberon und ihre Königin Titania zubereitet worden wäre. Die Atmosphäre war lau und von einem gleichzeitig herben und süßen Parfüm erfüllt, welches durch alle Poren einzudringen schien.
Beim Anblick dieses Luxus und infolge dieser duftenden Atmosphäre bemächtigte sich meiner gleichsam ein plötzlicher Rausch. Ich fühlte, mich einer Ohnmacht nahe. Meine Füße zitterten und mein Kopf neigte sich auf die Schulter herab. Sir John fühlte, daß ich seinem Arm schwerer ward, und als er mir an dem matten Ausdruck meiner Augen und der schlaffen Haltung meines Körpers ansah, was in mir vorging, sagte er:
»Sie gehören zur Gattung der Sensitiven. Sie sind Weib und Blume zu gleicher Zeit. Glücklich der Mann, welcher den Wohlduft der Blume atmen und das Wort Liebe von den Lippen des Weibes pflücken wird.«
Ich stieß einen Seufzer aus und der Admiral führte mich, während ich förmlich taumelte, zu meinem Stuhle und nahm neben mir Platz.
Der Zauber des Reichtums ist für mich ebenso groß gewesen wie die Furcht vor dem Mangel. Stamme ich denn wirklich aus aristokratischem Blut und sind alle meine Bestrebungen darauf gerichtet, mir die durch meine illegitime Geburt zertrümmerte Stufe wieder zu erobern? Mein Leben ist in dieser Beziehung weiter nichts gewesen als ein langer Rausch, und wenn ich von dem Rang und dem Reichtum nichts mehr zu verlangen hatte, blendete als reiche und vornehme Dame mich wiederum der Ruhm, ebenso wie als armes Mädchen hoher Stand und Reichtum mich geblendet hatten.
Es war jetzt das erste mal, daß ich mich an eine reichservierte Tafel setzte. Es war das erste mal, daß die Gläser gleich Diamanten durch ihre Flammenreflexe mein Auge blendeten. Es war das erste mal, daß ich meine Lippen mit jenem französischen Schaumwein benetzte, welcher gleich dem des Altertums durch die Hände der Bacchantinnen in dem Becher der Freude gekeltert wird.
Nichts von diesem allen aber war imstande mich aus meinem Taumel zu erwecken, das Blut, welches rascher durch meine Adern kreiste, zu beruhigen und das Feuer, welches gleichsam stoßweise aus meiner