Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
ich will nicht, daß er mich umbringt.«
Ich vermogte auf diese von Gregoriska übersetzten Worte Smerandas nur durch ein Stöhnen zu antworten. Ich ging wieder in mein Zimmer hinauf, der Leichenzug entfernte sich. Ich sah ihn an der Ecke der Straße verschwinden. Das Kloster Hango war in gerader Linie nur eine halbe Stunde weit von dem Schlosse entfernt, aber Hindernisse des Bodens nöthigten ihn, einen Umweg zu machen, und indem man die Straße befolgte, war die Entfernung ungefähr zwei Stunden.
Es war im Monate November. Die Tage waren wieder kalt und kurz geworden. Um fünf Uhr Abends war es gänzlich Nacht.
Gegen sieben Uhr sah ich die Fackeln wieder erscheinen. Es war der Leichenzug, der zurückkehrte. Die Leiche ruhte in dem Grabe seiner Väter. Alles war vorbei. Ich habe Ihnen gesagt, welchen seltsamen Plagen ich seit dem verhängnißvollen Ereignisse ausgesetzt war, das uns Alle in Trauer gekleidet hatte, und besonders seitdem ich die Augen, welche der Tod geschlossen hatte, sich wieder öffnen und sich auf mich richten sah. Von den Gemüthsbewegungen des Tages niedergebeugt, war ich an diesem Abende noch weit trauriger. Ich hörte auf der Uhr des Schlosses die verschiedenen Stunden schlagen, und ich wurde in dem Maße betrübt, als die entschwundene Zeit mich dem Augenblicke näherte, in welchem Kostaki gestorben sein mußte.
Ich hörte drei Viertel auf Neun schlagen.
Nun bemächtigte sich meiner eine seltsame Empfindung. Es war ein schaudernder Schrecken, der über meinen ganzen Körper lief und ihn erstarrte; dann mit diesem Schrecken irgend Etwas wie ein unüberwindlicher Schlaf, der meine Sinne betäubte; meine Brust wurde beklommen, meine Augen verschleierten sich. Ich streckte die Arme aus, und sank rückwärts schreitend auf mein Bett.
Meine Sinne waren indessen nicht dermaßen verschwunden, daß ich nicht Etwas wie einen Schritt hören konnte, der sich meiner Thür näherte; dann schien es mir, als ob meine Thür aufginge. Dann sah und hörte ich Nichts mehr.
Nur fühlte ich einen heftigen Schmerz am Halse.
Hierauf versank ich in gänzliche Erstarrung.
Um Mitternacht erwachte ich wieder, meine Lampe brannte noch; ich wollte aufstehen, aber ich war so schwach, daß ich es zwei Male versuchen mußte. Ich besiegte indessen diese Schwäche, und da ich wachend denselben Schmerz am Halse empfand, den ich in meinem Schlummer empfunden hatte, so schleppte ich mich, indem ich mich an die Wand stützte, bis nach dem Spiegel und sah hinein.
Etwas gleich einem Nadelstiche bezeichnete die Pulsader meines Halses.
Ich dachte, daß irgend ein Insect mich während meines Schlafes gestochen hätte, und da ich vor Ermüdung erschöpft war, so legte ich mich zu Bett und schlief ein.
Am folgenden Tage erwachte ich wie gewöhnlich. Wie gewöhnlich wollte ich aufstehen, sobald meine Augen geöffnet waren; aber ich empfand eine Schwäche, welche ich bis dahin nur ein einziges Mal in meinem Leben empfunden hatte, nämlich am Tage nach demjenigen, an welchem man mir zu Ader gelassen hatte.
Ich näherte mich meinem Spiegel, und war durch meine Blässe überrascht.
Der Tag verfloß traurig und trübselig; ich empfand etwas Seltsames; da, wo ich war, hatte ich das Bedürfniß zu bleiben, jede Ortsveränderung war eine Ermüdung.
Die Nacht kam herbei, man brachte mir meine Lampe; meine Frauen, ich verstand es zum Mindesten aus ihren Geberden, boten mir an, bei mir zu bleiben. Ich dankte ihnen; sie entfernten sich.
Zu derselben Stunde, als am Abende zuvor, empfand ich dieselben Symptome. Ich wollte nun aufstehen und um Hilfe rufen; aber ich vermogte nicht, bis nach der Thür zu gehen. Ich hörte dunkel die Glocke der Uhr, welche drei Viertel auf neun Uhr schlug, Schritte erschallten, die Thür ging auf; aber ich sah und hörte Nichts mehr; wie am Tage zuvor war ich rückwärts auf mein Bett gesunken. ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.
Wie am Tage zuvor empfand ich einen stechenden Schmerz an demselben Orte.
Wie am Tage zuvor erwachte ich um Mitternacht; nur erwachte ich noch weit schwacher und weit bleicher, als am Tage zuvor.
Am folgenden Tage erneuerte sich die gräßliche Plage nochmals.
Ich war entschlossen, zu Smeranda hinabzugehen, so schwach ich auch sein mogte, als eine meiner Frauen in mein Zimmer trat und den Namen Gregoriska aussprach.
Gregoriska kam hinter ihr.
Ich wollte aufstehen, um ihn zu empfangen, aber ich sank wieder auf meinen Sessel zurück.
Als er mich erblickte, stieß er einen Schrei aus und wollte auf mich zustürzen; aber ich hatte die Kraft, den Arm nach ihm auszustrecken.
– Was wollen Sie hier? fragte ich ihn.
– Ach! sagte er, ich kam, um Abschied von Ihnen zu nehmen! Ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich diese Welt verlasse, welche mir ohne Ihre Liebe und ohne Ihre Gegenwart unerträglich ist; ich kam, Ihnen zu sagen, daß ich mich in das Kloster Hango zurückziehe.
– Meine Gegenwart ist Ihnen genommen, Gregoriska, antwortete ich ihm, aber nicht meine Liebe. Ach! ich liebe Sie immer noch, und mein großer Schmerz ist, daß diese Liebe von nun an fast ein Verbrechen ist.
– Dann kann ich hoffen, daß Sie für mich beten werden, Hedwig.
– Ja, nur werde ich nicht lange beten, fügte ich lächelnd hinzu.
– In der That, was haben Sie denn, und warum sind Sie so bleich?
– Gott hat ohne Zweifel Erbarmen mit mir und wird mich zu sich rufen!
Gregoriska näherte sich mir, ergriff mich bei der Hand, die ich nicht die Kraft hatte, zurückzuziehen, und indem er mich fest anblickte, sagte er:
– Diese Blässe ist nicht natürlich, Hedwig, woher kommt sie? reden Sie.
– Wenn ich es Ihnen sagte, Gregoriska, so würden Sie glauben, daß ich wahnsinnig sei.
– Nein, nein, reden Sie, Hedwig, ich bitte Sie inständigst darum, wir befinden uns hier in einem Lande, das keinem andern Lande gleicht, in einer Familie, die keiner andern Familie gleicht. Reden Sie, sagen Sie Alles, ich bitte Sie inständigst darum.
Ich erzählte ihm Alles: jene seltsame Verblendung, die mich zu der Stunde befiel, in welcher Kostaki gestorben sein müßte; den Schrecken, die Erstarrung, die eisige Kälte, die Hinfälligkeit, welche mich auf mein Bett legte, das Geräusch von Schritten, das ich zu hören glaubte, diese Thür, welche ich sich öffnen zu sehen glaubte, endlich den stechenden Schmerz, dem meine beständig zunehmende Blässe und Schwäche folgte.
Ich hatte geglaubt, daß meine Erzählung Gregoriska ein Anfang von Wahnsinn scheinen würde, und ich schloß mit einer gewissen Schüchternheit, als ich im Gegentheile sah, daß er dieser Erzählung eine tiefe Aufmerksamkeit schenkte.
Nachdem ich aufgehört hatte zu sprechen, überlegte er einen Augenblick lang.
– Demnach also, fragte er, schlafen Sie jeden Abend um drei Viertel auf neun Uhr ein?
– Ja, welche Mühe ich mir auch geben mag, um dem Schlafe zu widerstehen.
– Demnach also glauben Sie, Ihre Thüre sich öffnen zu sehen?
– Ja, obgleich ich sie verriegle.
– Demnach also empfinden Sie einen stechenden Schmerz am Halse?
– Ja, obgleich mein Hals kaum die Spur einer Wunde behält.
– Wollen Sie erlauben, daß ich sie sehe? sagte er. Ich warf meinen Kopf auf meine Schulter zurück. Er untersuchte diese Narbe.
– Hedwig, sagte er nach einem Augenblicke, haben Sie Vertrauen zu mir?
– Sie fragen es mich? antwortete ich.
– Glauben Sie an mein Wort?
– Wie ich an das heilige Evangelium glaube.
– Nun denn! Hedwig, auf mein Wort, ich schwöre Ihnen, daß Sie keine acht Tage mehr zu leben haben, wenn Sie nicht noch heute einwilligen