Wie Satan starb . Artur Landsberger
nicht.«
»Pardon!« unterbrach sie der Landrat, »aber wieso dachten Sie das?«
Margot sah den Landrat, der gerade kein schlaues Gesicht machte, an und mußte lachen.
»Sie werden sich gesagt haben,« erwiderte sie, »wer weiß, ob wir Peter wiedersehen. Wozu uns also einen Verkehr aufladen, den wir doch nur der Not gehorchend, pflegen würden. Es genügt, wenn wir die Beziehungen zu dieser Margot lose aufrecht erhalten« – die verdutzten Gesichter, die alle machten, reizten sie – »so lose,« fuhr sie fort, »daß wir sie im Falle, daß Peter verschollen bleibt oder fällt, jederzeit, ohne ungezogen zu sein, abbrechen können.«
»Aber!« wehrten alle ab, weniger entsetzt darüber, daß dies junge Mädchen ihnen auf den Grund ihrer Herzen sah, als daß sie ohne Hemmung und Rücksicht aussprach, was sie dachte.
»Mama ist doch eine kluge Frau,« fuhr Margot fort, »aber glauben Sie, daß ihr jemals solche Gedanken kämen? Vielleicht ist es bei ihr auch Klugheit und sie will nicht sehen und belügt sich selbst. Möglich! Aber ich kann das nicht.« Der Landrat versuchte, dieser allen, außer Margot, peinlichen Szene ein Ende zu machen.
»Jedenfalls Jnädigste,« sagte er, »die Hauptsache is, daß Peter, wie Sie erfahren haben, lebt und bereits morjen Nacht in erreichbarer Nähe sein wird. Es sind vier Jahre vergangen, daß wir ihm nach Südwest unsern Heiratsplan und Ihre Bereitwilligkeit unter jenauer Klarlejung der Gründe . . .«
». . . und materiellen Verhältnisse,« ergänzte Margot.
». . . übermittelten.«
»Ich weiß! ich weiß!« erwiderte Margot, »und obgleich er damals noch unter dem Eindruck vom Tode seiner allerliebsten Aenne stand . . .«
»Aber, aber!« wehrten alle ab, und Zobel sagte:
»Wir wollen ihm diese kleine Verirrung doch nicht nachtragen.«
»Wieso Verirrung? Ich weiß nicht, ob Sie erfahren haben, daß ich bei ihr war. Ich wollte sie sehen.«
»Leider,« sagte Ilse.
»Ich fand sie reizend. Zwar etwas spießig und so gar nicht das, was ich mir immer unter einer Geliebten vorgestellt habe. So gar nicht – ja, wie soll ich nur sagen: nichts Leichtes, nichts Prickelndes, was man so mit Wohlbehagen wie einen schönen seidenen Stoff durch die Finger gleiten läßt; sie aber glitt nicht, hatte im Gegenteil etwas Starkes, Festes, Bestimmtes; mit einem Worte: sie roch förmlich nach Charakter. Ja, ich bitt’ Sie, so was nennt man doch nicht Geliebte! So was heiratet man, aber so was liebt man nicht.«
»Ja, wollen wir denn nicht lieber von den Lebenden sprechen?« sagte der Medizinalrat, und Zobel, der sich endlich sattgesehen hatte, flüsterte seiner Frau zu:
»Sie ist zwar reizend, aber sie ist furchtbar.«
»Katastrophal!« ergänzte der Landrat leise, während der Medizinalrat sagte:
»Ich finde sie gar nicht so übel.«
»Tuscheln Sie nicht!« rief Margot übermütig. »Ich weiß doch, es geht gegen mich.«
»Aber nein!« wehrten sie ab.
»Doch, doch, ich habe gute Ohren und weiß auch so, wie Sie über mich denken.« – Sie sah sich um: »Uebrigens, das merk’ ich erst jetzt, wo ist denn die Frau Geheimrat, meine präsumptive Schwiegermutt . . .«
». . . in Aussicht genommene,« verbesserte der Landrat.
»Wie? wie? Das ist doch dasselbe.«
»Nein,« widersprach der Landrat, »das heißt: ja. Natürlich ist es dasselbe! Eben darum soll man das Fremdwort vermeiden und den deutschen Ausdruck gebrauchen, der sich damit deckt.«
»Richtig, richtig,« erwiderte Margot, »Sie sind ja auch einer von den Sprachreinigungsfatzken! – Pardon! Verzeihung!« verbesserte sie schnell. »Das platzte mir so heraus. Das Wort stammt von Mama. Sie werden begreifen, was für ’ne Wut die auf diese Sprachfa . . .«– sie beherrschte sich, lächelte dem Landrat zu und sagte breit: »Reiniger hat.«
»Wieso Wut?« fragte der Landrat.
»Jahrelang quält sich Mama damit ab, die letzten Spuren ihrer Kinderstube zu verwischen. Am meisten Schwierigkeiten machte ihr die Erlernung der Fremdwörter. Kaum hat sie es mit Mühe dahin gebracht, sie einigermaßen richtig anzuwenden, da kommt der Krieg und mit ihm neben anderen sogenannten kulturellen Fortschritten als einer für den Sieg wichtigsten, dieser Sprachreinigungsfimmel! Na, ich kann Ihnen sagen, ich war mal in so einer Sitzung und hab’ mir die Brüder angesehen. Die sollten sich lieber ihre Haare und Zähne reinigen, ehe sie an die Reinigung unserer Sprache gehen. Jedenfalls: Mama hat sie im Magen, was man ihr schließlich auch nicht verdenken kann.«
»Wenn ich nicht irre,« lenkte Zobel ab, »so waren Sie so freundlich, nach Frau von Reinhart, meiner Schwiegermutter . . .«
». . . unserer Schwiegermutter,« verbesserte Margot schelmisch, und mit süßsaurem Gesicht beendete Zobel seinen Satz und sagte:
». . . zu fragen.«
»Gewiß,« erwiderte Margot »Mir wurde telephoniert, es sei Nachricht vom jungen Herrn da, er lebe, sei gesund und werde als Internierter morgen in der Schweiz anlangen. Frau Geheimrat von Reinhart habe den Wunsch, es mir persönlich mitzuteilen, und zwar noch heute abend. Ich war gerade beim Anziehen, da ich mit meiner Freundin für das Berliner Theater verabredet war. Aber, um nicht ungezogen zu sein, verzichtete ich auf die Premiere, die mir übrigens schon bis da hinaus stehn. Ich sage immer: Ein Publikum, das den Quatsch goutiert« – der Landrat verzog den Mund, hütete sich aber, zu verdeutschen – »sollte vom allgemeinen gleichen Wahlrecht ausgeschlossen werden.«
»Bravo!« rief der Landrat. »Das allgemeine gleiche und geheime Wahlrecht ist überhaupt das blödeste . . .«
». . . ich bitt’ dich,« unterbrach ihn seine Frau, »du wirst doch hier nicht deine Propagandarede gegen das Wahlrecht halten wollen.«
»Du hast recht,« erwiderte er, »das jehört nicht hierher.«
»Na also, wo ist Mama?« fragte Margot und sah deutlich, wie alle, außer dem Medizinalrat, bei dem Worte in ihrem Munde zusammenzuckten.
»Leider«, erwiderte Ilse, »hat sie sich zurückziehen müssen. Die Freudennachricht, die sie völlig unerwartet traf, hat sie derart erregt, daß sie sich legen mußte.
»Sie hat uns aber warm ans Herz gelegt,« log Hilde, »Ihnen zu sagen, wie sehr sie es bedauere, daß sie Sie nicht sehen kann.«
Ilse ging darauf ein und sagte:
»Auch hat sie mehrmals nach Ihnen gefragt. Schade, daß Sie nicht früher gekommen sind.«
»Ich sagte Ihnen ja schon: ich war beim Anziehen. Und wenn es am Telephon auch hieß: er ist gesund, so dachte ich mir doch, wer weiß, vielleicht will man mir nicht die Wahrheit sagen. Und denken Sie, ich wäre« – und dabei fuhr sie mit der hübschen Hand über ihre Brüste – »bis dahin dekolletiert gekommen« – Ilse und Hilde fuhren zurück und schlossen die Augen – »nun ja, schön ist das nicht, aber so geht man doch jetzt, und schließlich, wenn es vielleicht auch nicht jedem steht, jedenfalls ich kann mich sehen lassen – also denken Sie, ich wäre in großer Abendtoilette gekommen und Sie hätten am Ende hier in Tränen aufgelöst gesessen. Wie peinlich wäre das für uns alle gewesen.«
»Nun, Sie können beruhigt sein,« erwiderte Zobel, »er lebt und ist wirklich gesund.«
»Um so besser,« erwiderte Margot. »Und wie denken Sie sich nun die weitere Entwicklung?«
»Das hängt zum großen Teil natürlich von Ihnen ab,« sagte Ilse.
»Von mir?«
»Nun ja. Vor allem müssen wir wissen, ob Sie auch heute noch wie vor vier Jahren entschlossen sind, Peters Frau zu werden.«
»Ja, warum denn nicht?« fragte Hilde, und Zobel wandte sich nicht gerade freundlich an seine Frau und sagte:
»Ich verstehe deine Frage gar nicht.«
Aber der Landrat mischte sich ein:
»Ich