Die Unterhaltung wider Willen. Mór Jókai


Die Unterhaltung wider Willen - Mór Jókai


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p>Die Unterhaltung wider Willen

      Der alte Baron ließ sich nicht lange bitten und begann seine Erzählung:

      Nicht wahr, theure Freunde, ihr alle kennt die Gräfin Repey; die jüngere, die jüngere – mit der Alten haben wir nichts zu schaffen – den kleinen Kobold, meine schwarzäugige Prinzessin! Ja, meine! Wenn sie mein wäre! Ihr alle müßt sie kennen, habt ihr doch genug nach ihr geseufzt, – ganz so wie ich.

      Doch der Glückliche war nur ich, meine Wenigkeit! Bin ich doch eine ganze Nacht hindurch in Einem Wagen mit ihr gefahren! Zwar war auch die Gesellschafterin im Wagen, doch das thut nichts, es ist eine Begünstigung, das lass’ ich mir nicht nehmen. Aber der Teufel hole derartige Begünstigungen!

      Eines Abends kommt ihr der unglückliche Gedanke, daß morgen in Arad Ball sein werde, und daß sie auf diesem Balle um keinen Preis fehlen dürfe. Sogleich läßt sie anspannen. Außer mir war Niemand bei ihr. Bitte, lieber Baron, begleiten Sie mich nach Arad.

      Lieber Baron, lieber Baron! Was hätte ich ihr darauf antworten sollen? Gräfin, ma déesse, es ist finster wie in einem Ofenloch, man sieht keine drei Schritte weit, der Wagen stürzt um, und wir brechen das Genick. Drei Flüsse müssen wir passiren, und es wäre ein Wunder, wenn zwei derselben gute Brücken hätten. Gräfin, wir ertrinken. Dann führt unser Weg durch einen großen, verflucht wilden Wald, in diesem Walde hausen Tag und Nacht Räuber und Mörder – Gräfin, man tödtet uns! Ich allein kann Sie nicht beschützen. Und müssen wir denn gerade jetzt fahren? Morgen nach dem Thee setzen wir uns in den Wagen. Mittags sind wir in Arad, und bis Abends ist die Toilette fix und fertig. Gräfin, fahren wir morgen!

      Alles umsonst, sie war fest entschlossen, heute noch fortzufahren. Ihr kennt sie ja, je mehr man ihr von etwas abredet, desto hartnäckiger will sie es. Sie will nicht Alles auf den letzten Moment verschieben, sie will sich von den Beschwerden der Reise ausruhen, – »ich kann doch nicht zu Tode gerüttelt, echauffirt, brisirt und maltraitirt vom Wagen schnurstracks auf den Ball gehen.« Und dann gehört es zu ihren liebsten Passionen, Nachts zu reisen, das ist so schön, so romantisch. Die Sterne, die Frösche, die Mondscheinbeleuchtung. Aber Alles war nur Ausrede; nicht Sterne, nicht Frösche, eine ihrer verflucht liebenswürdigen Capricen war’s, und die – ihr Alle wißt es – müssen erfüllt werden, koste es, was es wolle.

      Enfin, was hätte ich thun sollen? Entweder mit ihr gehen, oder im Castell bleiben – eine verfluchte Alternative. Ich wählte natürlich das Erstere, und zum Dank für meinen Entschluß erlaubte sie mir, ihr vis-à-vis im Wagen zu sein.

      Was wahr ist, ist wahr; es war eine verflucht göttliche Unterhaltung! Die Gräfin erdrückte mich fast mit ihren Gunstbezeugungen, erst eine Schachtel, dann den Muff, dann ein Reisenecessaire und zuletzt ein paar Kollis. Hierauf schlief sie ein. Ich konnte sie fragen, was ich wollte, sie antwortete mir nicht. Sie schlief, Freunde, sie schlief! Nur hie und da, wenn der Wagen über einen Stein fuhr, hob sie sich jäh in die Höhe, öffnete die Augen: Wo ist mein Reisenecessaire, wo der Muff, haben Sie sich nicht auf die Schachtel gesetzt? Um Gottes willen, geben Sie nur Acht, lieber Baron! – und damit schlief sie wieder ein. Später begann auch die Gesellschafterin Theil an der Unterhaltung zu nehmen, sie wimmerte zum Erbarmen, sie hatte Migräne – ich schloß die Augen, als schliefe ich.

      Auf einmal blieb der Wagen stehen und begann sich auf die Seite zu neigen, ganz so, wie wenn er Lust hätte, sich ein wenig zur Ruhe zu legen.

      Die Gräfin erwacht und fragt mürrisch, was geschehen sei?

      Der Kutscher springt von seinem Sitze und nähert sich dem Wagenfenster.

      Gnädige Frau, fast scheint es, daß wir uns verirrt haben.

      Was thut’s? versetzte die Gräfin, ist kein Weg vor uns? Nur vorwärts.

      Ja, ja, das ginge schon, aber . . .

      Nun, der Weg führt ja doch irgendwo hin?

      Doch ich fürchte, er führt uns zu einem nicht gar sichern Orte.

      Du bist ein Tölpel. Jeder Ort ist sicher. Wo sind wir?

      Im Szalontaer Walde.

      Nun, hat denn dieser Wald kein Ende? Wenn ich mich recht entsinne, kann man ihn in zwei Stunden, so der Länge wie der Breite nach, durchschneiden.

      Doch der Kutscher fürchtet – wagte ich zu bemerken.

      Bezahlt man ihn deßhalb, damit er fürchte?

      Er fürchtet, daß Ihnen, Frau Gräfin, etwas Unangenehmes arriviren könnte.

      Was geht das ihn an?

      Oder daß die Pferde . . .

      Nun, das ist ja seine Sache.

      Da in diesem Walde sich arme Bursche aufzuhalten pflegen —

      Komisch! Ist denn unser Kutscher kein armer Teufel?

      Ja, ja, doch er meint jene armen Bursche, die einem die Pferde und nicht selten auch den Wagen wegzunehmen pflegen. Gräfin, ma déesse, das ist kein Spaß. Man kann uns die Pferde, das Leben und auch noch etwas Anderes rauben. Wenn ich nur meinen Revolver bei mir hätte.

      Damit man Ihnen auch den raube – scherzte der kleine Dämon, und darauf öffnete sie den Kutschenschlag und sprang – noch bevor ich sie daran verhindern konnte – graziös aus dem Wagen.

      Ah, welch herrliche Nacht! Wie der Wald duftet und die Glühwürmchen leuchten! Sehen Sie nur, Baron!

      Sehen? Was soll ich sehen? Es ist ja stockfinster. Ich bemerke gar nichts.

      Nichts? schimmert uns dort zwischen den Bäumen nicht ein Licht entgegen?

      Mein Blut erstarrte. Wir befanden uns in der Nähe irgend einer Räuberhöhle. Auch der Kutscher hatte das Licht bemerkt und erklärte uns nun in einem Tone, als schnürte man ihm die Kehle mit einem Stricke zusammen:

      Gnädige Frau, das ist das Wirthshaus, wo sich die armen Bursche aufzuhalten pflegen.

      Das ist ja köstlich. Kutscher, nach dem Wirthshaus! Wir wissen ohnehin nicht, wo wir übernachten sollen.

      Ich verzweifelte. Ums Himmels willen, Gräfin, was beginnen Sie? Das ist eine berüchtigte Räuberhöhle, wo man uns Alle umbringen wird, wo der Wirth im Einverständniß mit den Mördern ist, wo man schon so viele Reisende getödtet hat. Erst jüngst las ich in der Zeitung . . .

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