Butler Parker 148 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit zutiefst bestürzt«, versicherte Josuah Parker, »mir fehlen, wenn auch nur andeutungsweise, die Worte, um all das auszudrücken, was meine Person bewegt.«
»Man hört es«, antwortete Chief-Superintendent McWarden grimmig und holte tief Luft. Er lag im Bett eines Einzelzimmers und bot einen bedauernswerten Anblick. Die rechte Schulter war dick verbunden, auf der Stirn befanden sich einige Pflaster.
»Ich darf Sie meines Mitgefühls versichern, Sir«, redete Josuah Parker in seiner typischen Art weiter, »darüber hinaus war ich so frei, Ihnen ein kleines Geschenk mitzubringen.«
»Ich werde hier bestens versorgt«, meinte der Yard-Beamte, »hoffentlich haben Sie sich nicht in Unkosten gestürzt, Mr. Parker.«
»Selbst Unkosten hätten mich nicht abschrecken können, Sir.« Der Butler deponierte auf dem Nachttisch eine flache Kiste mit Zigarren, eine Flasche Whisky und einige Taschenbuch-Krimis. McWarden, ein bullig aussehender, untersetzter Fünfziger, musterte die Geschenke und sah überrascht seinen Besucher an.
»Ich habe ja fast das Gefühl, Mr. Parker, daß Sie mich irgendwie schätzen«, sagte er dann, griff nach den Taschen-Krimis und verzog das Gesicht. »Genau die richtige Lektüre für mich. In diesen Krimis löst sich jeder Fall, elegant und konsequent. Leider sieht die Realität anders aus.«
»Sie wissen nach wie vor nicht, Sir, wer Sie angeschossen haben könnte?« erkundigte sich der Butler.
»Keinen blassen Schimmer, Mr. Parker.« McWarden schüttelte den Kopf. »Ich wurde aus der Dunkelheit heraus unter Feuer genommen. Und nicht nur ich, wie Sie ja inzwischen wissen.«
»In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »auch andere hohe Polizeiangehörige wurden teils an- teils niedergeschossen. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang versichern, daß das Glück auf Ihrer Seite stand, als der eben erwähnte Schuß fiel.«
»Zwei Superintendenten tot, zwei schwer verletzt.« McWarden nickte. »Und mit weiteren Anschlägen ist wohl fest zu rechnen.«
»Eine Serie, Sir, die man unbedingt und äußerst schnell beenden muß.«
»Eine Serie, die vielleicht gerade erst begonnen hat, Mr. Parker«, antwortete der Chief-Superintendent, »weiß der Himmel, was dahinter steckt. Das alles scheint eine Treibjagd auf uns zu sein.«
»Darf man davon ausgehen, Sir, daß die Polizeibehörden bereits massiv ermitteln?«
»Worauf Sie sich verlassen können, Mr. Parker. Bei uns läuft alles auf Hochtouren. Stellen Sie sich doch mal vor, was passieren wird, wenn man einen Polizeioffizier nach dem anderen aus dem Weg räumt? Nicht auszudenken. Wie denkt denn Lady Simpson über die Geschichte?«
»Mylady fühlte ich veranlaßt, helfend einzugreifen«, verkündete Josuah Parker, ein Mann, der das fünfzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und sah rein äußerlich aus wie das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Parker trug einen schwarzen Zweireiher, ein weißes Hemd und einen schwarzen Binder. Den Bowler, ebenfalls natürlich in schwarzer Farbe, hatte er im Krankenzimmer abgenommen. In der schwarz behandschuhten Hand hielt der Butler seinen altväterlich gebundenen Regenschirm.
»Im Klartext heißt das also, daß Sie sich bereits eingeschaltet haben, Mr. Parker, wie?« fragte McWarden, der an eine stets leicht gereizte Bulldogge erinnerte.
»Ich war so frei, Sir, meine privaten Ermittlungen in die Wege zu leiten«, versicherte Parker dem Chief-Superintendenten, »in diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß in Kreisen der Unterwelt eine deutlich spürbare Nervosität um sich gegriffen hat.«
»Das kann ich mir vorstellen.« McWarden nickte. »Diese Herrschaften fürchten um ihre Ruhe, wie?«
»So könnte man es in der Tat ausdrücken, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »es gehört nicht gerade zu den Gepflogenheiten der Unterwelt, auf Polizeioffiziere schießen zu lassen. Man weiß nur zu gut, was man damit an Razzien auslöst, die das sogenannte normale Arbeiten erschweren.«
»Man hat mich zwar erwischt, aber nicht ausgeschaltet«, erklärte McWarden, »hier vom Bett aus werde ich ermitteln. Und ich werde diese Mörder finden!«
»Meiner Wenigkeit fiel auf, Sir, daß Ihr Krankenzimmer nicht bewacht wird.«
»Das fehlte noch, Mr. Parker. Ich habe selbstverständlich eine Waffe bei mir. Hoffentlich versucht der Mörder, sich noch mal mit mir zu befassen. Er wird dann was erleben!«
»Dürfte ich mir dennoch eine Anregung erlauben, Sir?«
»Natürlich, Mr. Parker, Sie wissen doch, wie sehr ich Sie und Ihr Urteilsvermögen schätze.«
»Vom Dach der gegenüberliegenden Häuser aus könnte man mittels eines Spezialgewehres durchaus Ihr Zimmer und damit auch Sie erreichen.«
»Das klingt aber ziemlich weit hergeholt«, meinte McWarden, der sich nun allerdings leicht aufrichtete und durch das Fenster auf die Rückfront jener Häuser blickte, die Parker gerade erwähnte.
»Es wäre zu empfehlen, Sir, das Bett dort an die gegenüberliegende Wand zu rücken«, schlug der Butler vor, »wenn Sie erlauben, werde ich dies sofort in die Tat umsetzen.«
»Unsinn, Mr. Parker«, sträubte sich McWarden und ... zuckte verständlicherweise zusammen, als genau in diesem Augenblick die Fensterscheibe splitterte.
*
»Sehr schön, Mr. Parker«, fand Agatha Simpson und nickte erfreut, »und was geschah?«
Josuah Parker war nach Shepherd’s Market in das altehrwürdige Fachwerkhaus seiner Herrin zurückgekehrt und hatte bis zu diesem Punkt Bericht erstattet. Er stand einer großen, fülligen und majestätisch aussehenden Frau gegenüber, die wenigstens sechzig Jahre zählte. Sie verfügte dennoch über die Robustheit und Energie eines Bulldozers, dessen Motor auf Höchsttouren arbeitet. Lady Agatha, immens vermögend, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, hielt sich für eine gottbegnadete Kriminalistin und eine Bestseller-Autorin der nahen Zukunft. Sie war eine Frau voller Widersprüche, konnte grob sein wie der sprichwörtliche Fuhrknecht, konnte aber auch einen bestrickenden Charme entfalten. Sie nannte die Dinge stets beim Namen und entzog sich jeder Konvention.
»Chief-Superintendent McWarden, Mylady, kam mit einem leichten Schrecken davon«, erzählte ihr Butler weiter, »McWarden hatte nach diesem Schuß, der offensichtlich aus einem Gewehr abgefeuert wurde, nichts mehr dagegen, daß meine Wenigkeit das Bett in eine andere und damit sichere Position schob.«
»Wie lange wird man ihn im Hospital festhalten, Mr. Parker?« wollte Agatha Simpson wissen.
»Vor zwei Wochen ist mit Mr. McWardens Entlassung nicht zu rechnen, Mylady«, erwiderte der Butler, »danach wird der Chief-Superintendent sich noch für weitere Wochen zu Hause pflegen müssen.«
»Ausgezeichnet, das wird reichen, Mr. Parker. Bis dahin habe ich diese Serie längst gestoppt und den Täter gefaßt.«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.« Das glatte Pokergesicht des Butlers zeigte keine Reaktion.
»Ich habe es selbstverständlich mit einem Psychopathen zu tun, Mr. Parker«, redete sie animiert weiter, »der Täter ist eine Person, die sich von der Polizei ungerecht behandelt fühlt und jetzt Rache nimmt. Sie sind hoffentlich nicht anderer Meinung!«
»Dies, Mylady, käme meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu«, erklärte Josuah Parker in seiner höflichen Art.
»Ich werde mir überlegen, wo ich den Hebel ansetze«, sagte die passionierte Detektivin, »lassen Sie sich dazu etwas einfallen, Mr. Parker.«
»Mylady können sich auf meine Wenigkeit verlassen.«
»Ich werde noch in der kommenden Nacht einen Streifzug durch die Unterwelt unternehmen«, verkündete die ältere Dame, »dort wird es inzwischen schon die ersten Spuren und Hinweise geben, oder?«
»Gerüchte könnten sich bereits andeutungsweise verdichtet haben, Mylady.«
»Lassen Sie doch mal feststellen,