Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Rudolf Virchow
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Rudolf Virchow
Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066115241
Inhaltsverzeichnis
Erstes Capitel. Die Zelle und die cellulare Theorie.
Zweites Capitel. Die physiologischen Gewebe.
Drittes Capitel. Physiologische Eintheilung der Gewebe.
Viertes Capitel. Die pathologischen Gewebe.
Fünftes Capitel. Die Ernährung und ihre Wege.
Sechstes Capitel. Weiteres über Ernährung und Saftleitung.
Siebentes Capitel. Circulation und Blutmischung.
Neuntes Capitel. Blutbildung und Lymphe.
Zehntes Capitel. Pyämie und Leukocytose.
Eilftes Capitel. Infection und Metastase.
Zwölftes Capitel. Theorie der Dyscrasien.
Dreizehntes Capitel. Das peripherische Nervensystem.
Vierzehntes Capitel. Rückenmark und Gehirn.
Fünfzehntes Capitel. Leben der Elemente. Thätigkeit und Reizbarkeit.
Sechzehntes Capitel. Nutritive und formative Reizung. Neubildung und Entzündung.
Siebzehntes Capitel. Passive Vorgänge. Fettige Degeneration.
Achtzehntes Capitel. Amyloide Degeneration. Verkalkung.
Neunzehntes Capitel. Gemischte, activ-passive Prozesse. Entzündung.
Zwanzigstes Capitel. Die normale und pathologische Neubildung. Geschichte des Knochens.
Einundzwanzigstes Capitel. Die pathologische, besonders die heterologe Neubildung.
Zweiundzwanzigstes Capitel. Form und Wesen der pathologischen Neubildungen.
Vorrede zur ersten Auflage.
Die Vorlesungen, welche ich hiermit dem weiteren ärztlichen Publikum vorlege, wurden im Anfange dieses Jahres vor einem grösseren Kreise von Collegen, zumeist praktischen Aerzten Berlin's, in dem neuen pathologischen Institute der Universität gehalten. Sie verfolgten hauptsächlich den Zweck, im Anschlusse an eine möglichst ausgedehnte Reihe von mikroskopischen Demonstrationen eine zusammenhängende Erläuterung derjenigen Erfahrungen zu geben, auf welchen gegenwärtig nach meiner Auffassung die biologische Doctrin zu begründen und aus welchen auch die pathologische Theorie zu gestalten ist. Sie sollten insbesondere in einer mehr geordneten Weise, als dies bisher geschehen war, eine Anschauung von der cellularen Natur aller Lebensvorgänge, der physiologischen und pathologischen, der thierischen und pflanzlichen zu liefern versuchen, um gegenüber den einseitigen humoralen und neuristischen (solidaren) Neigungen, welche sich aus den Mythen des Alterthums bis in unsere Zeit fortgepflanzt haben, die Einheit des Lebens in allem Organischen wieder dem Bewusstsein näher zu bringen, und zugleich den ebenso einseitigen Deutungen einer grob mechanischen und chemischen Richtung die feinere Mechanik und Chemie der Zelle entgegen zu halten.
Bei den grossen Fortschritten des Einzelwissens ist es für die Mehrzahl der praktischen Aerzte immer schwieriger geworden, sich dasjenige Maass der eigenen Anschauung zu gewinnen, welches allein eine gewisse Sicherheit des Urtheils verbürgt. Täglich entschwindet die Möglichkeit nicht bloss einer Prüfung, sondern selbst eines Verständnisses der neueren Schriften denjenigen mehr, welche in den oft so mühseligen und erschöpfenden Wegen der Praxis ihre beste Kraft verbrauchen müssen. Denn selbst die Sprache der Medicin nimmt nach und nach ein anderes Aussehen an. Bekannte Vorgänge, welche das herrschende System seinem Gedankenkreise an einem bestimmten Orte eingereiht hatte, wechseln mit der Auflösung des Systems die Stellung und die Bezeichnung. Indem eine gewisse Thätigkeit von dem Nerven, dem Blute oder dem Gefässe auf das Gewebe verlegt, ein passiver Vorgang als ein activer, ein Exsudat als eine Wucherung erkannt wird, ist auch die Sprache genöthigt, andere Ausdrücke für diese Thätigkeiten, Vorgänge und Erzeugnisse zu wählen, und je vollkommener die Kenntniss des feineren Geschehens der Lebensvorgänge wird, um so mehr müssen sich auch die neueren Bezeichnungen an diese feineren Grundlagen der Erkenntniss anschliessen.
Nicht leicht kann Jemand mit mehr Schonung des Ueberlieferten die nothwendige Reform der Anschauungen durchzuführen versuchen, als ich es mir zur Aufgabe gestellt habe. Allein die eigene Erfahrung hat mich gelehrt, dass es hier eine gewisse Grenze gibt. Zu grosse Schonung ist ein wirklicher Fehler, denn sie begünstigt die Verwirrung: ein neuer, zweckmässig gewählter Ausdruck macht dem allgemeinen Verständnisse etwas sofort zugänglich, was ohne ihn jahrelange Bemühungen höchstens für Einzelne aufzuklären vermochten. Ich erinnere an die parenchymatöse Entzündung, an Thrombose und Embolie, an Leukämie und Ichorrhämie, an osteoides und Schleimgewebe, an käsige und amyloide Metamorphose, an die Substitution der Gewebe. Neue Namen sind nicht zu vermeiden, wo es sich um thatsächliche Bereicherungen des erfahrungsmässigen Wissens handelt.
Auf der