Wyatt Earp Staffel 5 – Western. William Mark D.
das Gesicht nur einen Augenblick gesehen«, log Moris. »Schätze, daß ich den Kerl jederzeit wiedererkennen würde.«
Den Vormann Frank Tucker stand so ungestüm auf, daß sein Stuhl umkippte. »He, Mister, woher kam die Kutsche?« wandte er sich an Moris.
»Keine Ahnung. Wir kommen aus Nevada und kennen uns hier in der Gegend nicht aus«, behauptete Moris dreist.
»Ich bekomme einen üblen Geschmack auf der Zunge, wenn ich daran denke, daß…« Moris unterbrach sich, tat dann verblüfft und wies mit einer theatralischen Geste auf den Missourier, so, als habe er ihn erst jetzt gesehen.
»Damned! Das ist der Mann! Yeah, es ist der gleiche Bursche, der hier meinen Freund angeschosesn…«
»Und die Kutsche überfallen hat!« rief McLean, der begriffen hatte, worum es ging.
Der Barbier stürzte mit dem Schrei: »Ich hole den Sheriff!« zur Seitentür hinaus.
Die Männer sprangen von ihren Sitzen und bildeten im Rücken des Marshals einen Halbkreis.
Mit drohenden Mienen blickten sie auf den Fremden, in dem hier der Post-räuber erkannt worden war. Für ein solches Verbrechen gab es nur eine Strafe: den Tod durch den Strang. Dazu brauchten sie keinen Sheriff und keinen Richter. Das würden sie selbst erledigen.
Wyatt tat, als ginge ihn das alles nichts an, und sagte laut in die Stille: »Ist der Vormann vom Arbeitstrupp der Telegraph Union hier?«
Eisiges Schweigen war die Antwort.
Der Marshal hatte die drei Banditen längst erkannt und auch ihre Beschuldigungen gehört.
Seine Augen verengten sich zu dünnen Spalten, als er sagte: »Ist dieses dreckige Gewürm da denn überhaupt nicht abzuschütteln?«
Die Männer warfen einander bedeutsame Blicke zu.
Jubal Moris erfaßte sofort, daß er die Stimmung der Leute auf seiner Seite hatte, deshalb wagte er zu sagen: »Wir haben auch nicht erwartet, Sie so schnell wiederzusehen, Mister, aber da Sie nun einmal hier sind, werden wir dem Sheriff etwas zu sagen haben.«
Der Missourier überhörte diese Drohung und wiederholte seine Frage: »Ist der Vormann des Arbeitstrupps der Telegraph Union hier?«
»Der wird Ihnen ein paar unangenehme Fragen stellen, wenn er zurückkommt!« rief ein vierschrötiger Mann mit gewaltigen Händen, die er schon genießerisch rieb.
Wyatt hätte den Saloon wieder verlassen, wenn sein Blick nicht plötzlich auf Jeff Calligans Waffengurt gefallen wäre.
Seine Sinne wurden hellwach, alles wurde ihm in diesem Augenblick klar: Die drei Desperados hatten die Overland überfallen!
Der breite büffellederne Waffengurt, den der Verbrecher Jeff Calligan um die Hüfte trug, war ihm beim Überfall gestohlen worden.
Ganz langsam wandte er sich zu den Männern um, die mit finsteren Mienen hinter ihm standen.
»Aufgepaßt, Leute! Der Kerl will fliehen«, heulte Calligan mit sich überschlagender Stimme.
Der Missourier drehte sich blitzschnell um und musterte den Verbrecher verächtlich. »Dazu hätten andere Leute Veranlassung. Ich gehe erst, wenn meine Unterhaltung mit dir zu Ende ist, Junge.«
Dabei setzte er sich langsam Schritt für Schritt auf Calligan zu in Bewegung.
Im Saloon herrschte eine Pulverfaßstimmung. Die Gäste sahen, daß der Fremde keinen Waffengurt trug, und dennoch lag in seiner Haltung etwas so Bedrohliches, daß die anderen Gäste vor ihm auswichen.
Nur noch drei Yards trennten den Marshal von dem Banditen. Links und rechts standen Moris und McLean. Die drei großmäuligen Desperados bekamen es urplötzlich scheußlich mit der Angst. Wie weggeblasen war ihre laute Frechheit, die sie noch vor kurzem zur Schau getragen hatten. Hatten sie doch zweimal erfahren müssen, wie eisenhart dieser Fremde zuschlug.
Moris zerbrach sich den Kopf vergeblich nach einem Ausweg. Der Colt durfte nicht sprechen, weil der Mann unbewaffnet war. Aber wie es enden würde, wenn sie sich auf einen Faustkampf mit ihm einließen, war ihnen allen noch in zu guter Erinnerung, als daß jetzt einer von ihnen vorwärts hätte stürmen wollen.
Calligan schluckte tief. Seine Stimme war krächzend, als er sagte: »Was wollen Sie, Mann? Lassen Sie mich in Ruhe. Ich bin verwundet – kein Gegner für Sie!« Dabei hob er abwehrend die Hände.
»Nur eine Kleinigkeit, Boy«, sagte der Marshal rauh, »meinen Waffengurt brauche ich noch.« Und während sich sein Blick eiskalt in die Augen des Verbrechers senkte, hatte seine Linke blitzschnell den Buntline Revolver aus dem Halfter des Tramps gezogen. Er richtete die Waffe drohend auf Calligans Brust und öffnete mit der Rechten die Gürtelschnalle.
»Nehmt eure Pfoten hoch!«
Die Gesichter der Desperados wurden aschgrau, als sie in die hin- und herpendelnde Mündung des Revolvers starrten. Alle drei hatten plötzlich das Gefühl, daß ihr grauer Trail hier in dieser rauchigen düsteren Schenke zu Ende gehen würde.
Im Schankraum war die Luft zum Schneiden dick. Irgend etwas würde jetzt geschehen.
Ein Weidereiter, der dem Alkohol zu reichlich zugesprochen hatte, bohrte dem Missourier plötzlich seinen Colt in den Rücken und krächzte: »Laß die Kanone fallen, Mann, sonst bist du tot.«
Heißer Zorn kroch in Wyatt hoch. Dann aber bezwang er sich.
»Na wird’s bald?« drängte der Cowboy.
Die Linke des Marshals öffnete sich langsam, und polternd fiel der Revolver auf den Fußboden. Die Rechte hielt den Waffengurt fest.
Wyatt wandte sich um und musterte den Mann. Kalt kam es über seine Lippen: »Das wird dir noch leid tun, Brother.«
Moris gewann seine Frechheit sofort zurück. Sein Gesicht verzog sich zu einer höhnischen Grimasse. »Damit haben Sie nicht gerechnet, Mann! He? Aber es wird noch besser kommen. Ich hörte, daß Sheriff Black Honk ein scharfer Greifer sein soll!«
»Um so besser, dann wird er die Untersuchung sicherlich gründlich vornehmen«, kam es hart von den Lippen des Missouriers.
Diese Worte ließen den Bandenboß alle Vorsicht vergessen. Einen Moment schien es, als wollte er sich von der Theke abstoßen. Dann aber besann er sich eines anderen. Seine Rechte fuhr zum Halfter und packte den Kolben – aber der eisige Blick, der ihn aus den Augen des Gegners traf, ließ ihn unsicher werden.
Dann aber schüttelte er die Furcht ab, die ihn beschlichen hatte. Jetzt konnte ihm nur noch eines helfen; er mußte seine Rolle zu Ende spielen. Die Rolle eines Menschen, der angeblich auf der Seite des Rechts stand.
Laut rief er den Männern zu: »Bei solchen Halunken muß man vorsichtig sein. Der wird nur klein, wenn er in die Mündung eines Revolvers sieht.«
Dabei hatte er seinen Colt gezogen und richtete ihn auf den Dodger Marshal.
Da riß Wyatt gedankenschnell das linke Bein hoch; die Fußspitze traf haargenau die Rechte des Banditen.
Moris stöhnte schmerzvoll auf und ließ den Colt fallen.
Ein Schuß löste sich krachend, und die Kugel fraß sich in ein Tischbein.
Im gleichen Augenblick hechtete der Missourier vorwärts und sprang den Desperado an.
Wyatt hatte beim Betreten der Schenke nicht den Mann entdeckt, der zusammengekauert hinter einem dicken Holzpfeiler saß. Seinen Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen. Mißmutig starrte er in das leere Schnapsglas. Seine Umgebung hatte er bisher nicht beachtet. Erst als die Unterhaltung im Schankraum laut wurde, hob er seinen Kopf. Seine Augen blickten erschreckt auf den hochgewachsenen Fremden. Damned, das war ja der Mann, der ihm mit der Overland zum Weidecamp gefolgt war.
Mike Donegan wurde grün vor Schreck. Aber auch Haß stand in seinen Augen – Haß, den der genossene Alkohol stärkte.
Unruhig suchten seine Augen nach einem Weg,