Dr. Norden (ab 600) Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
eigentlich los?«
»Das erkläre ich Ihnen später mal. War es ein Mann oder eine Frau?«
»Es war eine Frau. Ich fragte sie nach ihrem Namen, aber sie sagte nur, daß sie eine Freundin sei. Ich habe gesagt, daß wir telefonisch keinerlei Auskünfte geben. Basta.«
»Das ist wirklich gut, danke, Wendy.«
»Heute muß etwas in der Luft liegen«, brummte sie, »die Patienten sind alle schlecht drauf.«
Er konnte im Labor warten. Dr. Norden kam nach fünf Minuten.
»Ich halte sie nicht lange auf«, sagte Jan hastig, »es ist nur so, daß wir annehmen müssen, daß jemand hinter Kim her ist, und daß sie in ziemlicher Gefahr sein könnte.«
»Kennen Sie den Grund?«
»Ich kann ihn nur vermuten, aber ich muß erst mit Kim sprechen. Ich will kein wildes Gerücht in die Welt setzen. Ich möchte Sie nur sehr bitten, mit Frau Dr. Behnisch zu sprechen, daß kein Fremder zu ihr gelassen wird.«
»Das können Sie ihr doch auch sagen.«
»Aber wenn Sie es sagen, hat es mehr Gewicht. Mich nimmt sie vielleicht nicht ernst und denkt, ich sei nur eifersüchtig.«
»Sind Sie eifersüchtig, haben Sie Grund dazu?«
»Nein, ich denke nur, daß Kim unwissend in eine schlimme Situation geraten ist, daß ihr etwas untergejubelt wurde, von dem sie keine Ahnung hatte.«
»Das klingt allerdings sehr geheimnisvoll. Können wir uns nach sechs Uhr in der Klinik treffen?«
»Ich fahre jetzt hin und bleibe bei Kim.«
»Dann sehen wir uns, ich habe jetzt keine Zeit für ein längeres Gespräch.«
»Ich bin sehr froh, daß ich mit Ihnen reden kann. Ich möchte Kim helfen, sie braucht Hilfe.«
»Das weiß ich auch.«
Aber soviel wie Jan konnte er gar nicht wissen. Für ihn ging es um Kims Gesundheitszustand.
*
Constantin hatte inzwischen mit dem Schlosser, der schon viel in diesem Haus gemacht hatte, gesprochen, und er war auch gleich gekommen. Er war noch dabei, das neue Schloß einzubauen, als es läutete.
Sich selbst zur Vorsicht mahnend, schaute Constantin erst hinaus, sah eine weibliche Person, konnte sie aber nicht erkennen. Er ging hinaus, damit der Schlosser ungestört blieb.
Als er zur Gartentür ging, erkannte er Gaby Stein. Er kannte sie nur flüchtig, war aber ganz arglos, da er sie zu Kims Freundeskreis rechnete.
»Ich wollte Kim besuchen«, sagte sie, »muß ich vor der Tür bleiben?«
»Entschuldige, aber ich habe gerade den Schlosser da. Kim ist nicht zu Hause.«
»Wo ist sie denn?«
Constantin fiel es rechtzeitig ein, daß er mit Jan verabredet hatte, zu niemanden etwas über die Behnisch-Klinik zu sagen.
»Kim ist ein paar Tage verreist.«
»Wohin denn?«
»Weiß ich auch nicht genau.«
»Und wozu braucht ihr einen Schlosser? Ist bei euch eingebrochen worden?«
»Nein, es sind Schlüssel verlorengegangen.« Er wurde nun doch stutzig, denn sie hatte plötzlich einen so merkwürdigen Blick.
»Wir heiraten in zwei Wochen, kommst du auch?«
»Ich bin nicht eingeladen.«
»Aber die Einladung gilt für die ganze Familie.«
»Ich bin viel unterwegs, und ehrlich gesagt habe ich es nicht mit Familienfeiern.«
Sie lächelte. »Immer noch der Außenseiter? Wie schade, ich könnte dich mit einer reizenden jungen Dame bekannt machen, die durchaus adäquat ist.«
Jetzt wurde er ungehalten. »Danke, kein Bedarf. Entschuldige, ich muß mich um den Schlosser kümmern. Viel Glück in der Ehe.«
»Du bist und bleibst ein elender Spötter!« zischte sie gereizt.
»Wenn du es sagst«, gab er sarkastisch zurück.
Eine Unterhaltung über den Zaun hinweg, das war eigentlich nicht sein Stil, aber er war froh, als sie weg war. Im Nachhinein kam ihm dieses Zwischenspiel sehr merkwürdig vor.
Im Grunde interessierte sich Constantin überhaupt nicht für andere Leute, aber jetzt dachte er doch über Hanno Veltin nach, der ja Kims erster Freund gewesen war. Warum war es zwischen den beiden plötzlich vorbei gewesen?
Das war lange her, aber Constantin erinnerte sich doch, daß damals Hannos Vater plötzlich gestorben war und seine Firma in finanziellen Schwierigkeiten. Hanno hatte gerade das Abitur gemacht. Er mußte jetzt vierundzwanzig sein. Gaby wirkte eigentlich älter.
Ach was, warum soll ich darüber nachdenken, wenn sie so blöd sind, so jung zu heiraten, sagte sich Constantin, und der Schlosser sagte in diesem Augenblick: »Fertig, jetzt soll mal einer versuchen, die Tür aufzubringen!«
Constatin gab ihm einen Fünfzigeuroschein. »Danke für das schnelle Kommen, die Rechnung bezahlt mein Vater.«
»Wie immer, stets zu Diensten.« Er war noch vom alten Schlag. Für Constantin war es sehr beruhigend, daß er das so gesicherte Haus nun verlassen konnte. Er fuhr auch zur Klinik.
*
Jan war schon eine ganze Zeit bei Kim, als sie endlich die Augen aufschlug.
»Du bist da«, flüsterte sie, »nicht mehr böse?«
»Ich war nie böse, das habe ich dir schon mehrmals gesagt, Kim. Ich habe dich sehr lieb.«
»Immer noch?«
»Immer.« Er beugte sich zu ihr und küßte sie auf die bebenden Lippen. »Bitte, vertrau mir.«
»Ich will gar kein Model werden, und ich möchte gern wieder so sein, wie ich dir gefallen habe.«
»Das kommt schon wieder, Aber vor allem muß jetzt wieder alles in Ordnung kommen, mein Kleinchen.«
Das war das Kosewort, das sie sich gefallen ließ, sonst akzeptierte sie keins.
Sie legte eine Hand an seine Wange. »Es ist soviel passiert, aber du bist immer noch da«, sagte sie gedankenverloren.
»Mich wirst du nicht los, wenn du es nicht willst, deshalb bin ich ja glücklicherweise am Abend auch wieder zurückgekommen. Ich darf gar nicht daran denken, was hätte geschehen können, wenn ich dich nicht gefunden hätte.«
»War noch jemand im Haus?«
»Nein, wahrscheinlich hat mein Erscheinen ihn verscheucht. Aber wie ist er oder sie ins Haus gekommen? Über die Terrasse?«
»Nein, die war geschlossen.«
»Wir wollen mal ganz genau überlegen, Kim. Du hast die Nachricht für mich auf Band gesprochen, wann war das, kannst du dich möglichst genau erinnern?«
Sie griff sich an die Stirn. »Du warst gegangen, und gleich hat es mir leid getan, daß ich so ekelhaft war. Ich wollte mit dir sprechen. Ich habe gedacht, du fährst gleich nach Hause, also habe ich eine Viertelstunde gewartet. Vielleicht waren es auch zwanzig Minuten, denn du warst noch nicht zu Hause.«
»Ich bin zum Fitneßcenter gefahren und wollte mich abreagieren, aber ich war unruhig und fuhr zurück. Also war ich ungefähr fünfundzwanzig Minuten später wieder bei dir. Du hast ein Geräusch gehört, während du die Nachricht gesprochen hast, das sagtest du.«
»Ja, es kam von der Tür. Jemand schloß auf, ja, es wurde aufgeschlossen. Deshalb hatte ich auch keine Angst. Ich wollte aber nachsehen, aber ich konnte nichts entdecken. Da dachte ich, ich hätte mich getäuscht und ging ins Wohnzimmer zurück, weil ich dir noch sagen wollte, daß ich dich gern bald wiedersehen