Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
Also doch immer sparsam! Ja, ich wußte recht wohl, daß dieser Junge knickrig sein konnte. Um so mehr aber wuchs mein Vertrauen zu seinem jetzigen Unternehmen. Für etwas Zweckloses gab der eben keinen Pfennig aus.
»Und wo verproviantieren Sie sich?«
Da ich doch sowieso an Monrovia vorüber mußte, schlug ich dieses vor.
»Gut, so gehen Sie erst nach Monrovia. Aber bleiben Sie zuvor noch einige Tage hier, wir werden noch vieles zu besprechen haben.«
»Und von wann an gilt der Charterungskontrakt?« fragte ich wohlweislich.
»Natürlich von heute an, von diesem Augenblicke ab. Was abgemacht ist, ist abgemacht. Sie erhaltend für den heutigen Tag schon 500 Dollar. Während Ihres Hierseins sind Sie und Ihre Leute natürlich meine Gäste. An Proviant ist hier kein Mangel.«
Das war mehr als nobel. In so etwas ließ sich der Junge nun nicht lumpen.
Daß er alle Ursache hatte, mich aufs Zuvorkommendste zu behandeln, sollte ich freilich erst später erfahren.
»Und inzwischen,« setzte er noch hinzu, »wird natürlich mit keinem Worte über unser Ziel gesprochen.«
»Auch gegen die Lady nicht?« fragte ich, unangenehm berührt, schon eine Verwicklung voraussehend.
»Gegen die?« war seine knabenhaft-geringschätzende Antwort. »Na, der dürfen Sie natürlich erst recht nichts sagen, wenn’s auch Ihre Liebste ist. Ein Weib bleibt immer ein Weib.«
Ich schluckte alles, was in mir aufstieg, hinunter. Es war schließlich doch noch ein Knabe, der sich fühlte – ich empfand fast nur das Humoristische dabei.
»Sagen Sie der nur,« fuhr er fort, »ich hätte Ihr Schiff gemietet, zu einem geheimnisvollen Unternehmen, was dabei verdient wird, teilen wir. Sie wissen aber selbst noch nicht, was es ist – oder meinetwegen, es gelte irgendwo einen Schatz zu heben – passen Sie auf, wie verrückt die gleich ist, wie die gleich auf alles eingeht.«
»Meinen Sie?« fragte ich zweifelnd, auch in Wirklichkeit ganz anders denkend.
War ich nicht doch gleich etwas zu voreilig gewesen, die Zusage zu geben? Schließlich hatte doch auch Blodwen etwas mitzusprechen, und sie, welche durchaus keine fremde Fracht nehmen wollte, würde sie sich in die Dienste dieses Knaben stellen?
»Nu, was meinen Sie wohl!« versicherte aber Karlemann. »Wenn Sie da noch zweifeln, da kenne ich die Lady doch noch besser als Sie, wenn’s auch Ihre Liebste ist. Ich kann doch nicht umsonst jedes Tier dressieren, und da muß man doch immer ganz genau wissen, was es will.«
Ob dieses Vergleiches mußte ich diesmal aus vollem Halse lachen.
Und der Junge sollte wirklich wiederum recht behalten!
Als ich dann Blodwen wiedersah, die nicht über die erste Galerie hinausgekommen war, wo sie noch immer vor dem Käfig mit den vielen Löwen stand, führte ich es so aus, wie Karlemann es mir angegeben hatte.
Also wir wollten ›Kumpe‹ machen. Irgend etwas Geheimnisvolles – was, wußte ich selbst noch nicht – wahrscheinlich einen Schatz heben.
Und Blodwen? Sie war gleich Feuer und Flamme. Größer war höchstens nur noch ihre Neugierde, der ich aber widerstand.
»Vortrefflich, ausgezeichnet!!« rief sie ein Mal über das andre fröhlich. »Jetzt werden wir auch solche Seezigeuner wie dieser Karlemann! Das ist’s ja gerade, was ich wollte, diesen Vorschlag hätte ich dir selber gemacht!«
ICH WERDE VON KARLEMANN NOCH MEHR EINGEWEIHT.
Völlige Windstille hielt uns sowieso auf der Felseninsel festgebannt.
Alles stand uns offen, und was Blodwen da zu sehen bekam, das trug nur dazu bei, ihr Verlangen zu steigern, sich mit diesem deutschen Zigeunerknaben zu verbinden, womöglich für immer.
Denn so etwas Abenteuerliches, Phantastisches war ja gerade nach ihrem Geschmack.
Ich stellte einmal eine Betrachtung an, mich daran erinnernd, damals den Ausdruck gebraucht zu haben, daß es mit unserer Freiherrlichkeit zur See nun vorbei sei.
Da also fiel mir Folgendes ein: wenn so einem Adligen das Geld ausgeht, so greift er in den seltensten Fällen zur ehrlichen Arbeit. Das war schon im grauesten Altertum und im Mittelalter so – wer sich nicht mehr schlicht und recht durch direkten Straßenraub ernähren konnte, den er von seiner heimatlichen Burg aus betrieb, der wurde zum heimatlosen Wegelagerer, oder er nahm teil an einem Kreuzzug oder stellte sich in andere Kriegsdienste – kurz, zum ehrlichen Gewerbe eigneten sie sich alle nicht. Immer mußte etwas Abenteuerliches dabeisein. Und heutzutage ist es ja fast noch genau so. Es soll durchaus nicht etwa gesagt werden, daß ein kassierter Edelmann ohne Land und Leute ein Hochstapler werden muß – häufig ist dies allerdings der Fall; denn vom Schuldenmacher bis zum Hochstapler ist doch kein weiter Schritt – aber einen nüchternen Beruf, der seinen Mann redlich nährt, ergreift so einer doch selten. Meist gehen sie ins Ausland, werden dort Offiziere, treten also auch in fremde Kriegsdienste, wenn nicht in Spanien oder in der Hundetürkei, dann in Abessinien oder sonst bei einem schwarzen König, werden dort General oder Minister, oder sie werden Kunstreiter, Pferdebändiger … na kurz und gut, irgend etwas, was abseits der breiten Heeresstraße liegt.
Man muß nur in der Welt herumgekommen sein, um das beurteilen zu können. Dazu muß ich noch bemerken, daß dies gewöhnlich die tüchtigsten Kerls sind.
Nun, Blodwen war ja nicht nur durch Heirat adlig geworden. Sie hatte schon blaues Blut gehabt. Ihre Großmutter väterlicherseits war ja die Schwester der tollen Lady Hamilton gewesen. Lady Blodwen hatte selbst an Tollheit schon genug geleistet, sie hatte sich ganz auf See häuslich einrichten wollen, das Geld hatte sie dazu gehabt, und da dieses ausging und sie die See, das Schiff dennoch nicht verlassen wollte, da wurde sie eben so eine abenteuerliche Lady zur See, bereit, sich mit allem zu befassen, sich durchs Leben zu schlagen – nur nicht auf irgendwelche vernünftige Weise!
Uebrigens, muß ich hier gestehen, war ich ja ein ganz ähnlich veranlagter Charakter. Wohl wollte ich immer arbeiten, aber etwas Abenteuerliches mußte dabeisein, sonst behagte es mir wenig.
Und wie ich hieran dachte, mir der Gedanke an die Lady Hamilton durch den Kopf ging, da fiel mir auch gleich etwas anderes ein.
»Himmel, Blodwen, wir sind doch noch gar nicht so arm!«
»Weshalb nicht? Weißt du etwas?« fragte sie gespannt.
»Ich nicht, aber du.«
»Ich wüßte etwas?«
»Na, wir verfügen doch noch über Schätze! Weißt du, wir sprachen doch auch einmal über Lady Hamilton, du nanntest sie deine Großtante, aus meinem Munde wolltest du ihren Lebenslauf hören, damit konnte ich dir dienen – ich erzählte, wie die Sibylle des Libanon oder Königin von Tadmor schließlich im größten Elend gestorben sei, und da sagtest du, so arm könnte sie doch wohl nicht gestorben sein, du hattest etwas erfahren … und da brachst du ab. Na, nun heraus mit der Sprache: wo hat die Königin von Tadmor ihre ungeheueren Schätze, die sie sich mit Hilfe von Geistern verschafft hat, versteckt? Auf, hin, daß wir die gleich heben! So ein paar Truhen mit Gold und Geisteredelsteinen kämen mir gerade recht gut zu passe.«
Blodwen aber machte nach meinen begeisternden Worten ein recht niedergeschlagenes Gesicht.
»Da machst du erst eine so spannende Einleitung … mir ist gar nichts bekannt.«
»Du sagtest es aber doch, machtest so eine Andeutung.«
»Ach, das ist ja nur so eine Vermutung. Meine Mutter erzählte mir einmal, ihre Schwiegermutter hätte von der Lady Hamilton aus Syrien einen Brief bekommen, so einen geheimnisvollen, sie sollte nach ihrem Tode da und dort nachgraben … «
»Schon