Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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– dort am Heck wehte das amerikanische Sternenbanner.

      »Wollen Sie nun gefälligst Ihre Hand von der Dame zurückziehen?«

      Mit einiger Mühe gelang ihm das. Sie hatte sich auf Blodwens Schulter schon festgekleistert gehabt.

      Nun schien er aber auch gleich zu wissen, was hier vorgegangen war.

      »Sie haben die Nationalität Ihres Schiffes umschreiben lassen?«

      »Allerdings.«

      Ich hielt ihm das betreffende Schiffspapier unter die Nase.

      Da sagte er gar nichts mehr, drehte sich um, murmelte nur etwas und blieb mit verschränkten Armen an der Bordwand stehen.

      Aber hinter mir wurde etwas gesagt, von einem meiner Matrosen, im breitesten Platt:

      »Worum hädd dör denn dee so voll Särup smärt?«

      Es läßt sich schriftlich gar nicht sagen, wodurch in diesen einfachen Worten so eine Urkomik lag. Das muß man eben aus solch einer tabakwiederkauenden Matrosensnut hören, wie die das so breit herausbringt.

      Die Wirkung war jedenfalls die, daß zunächst Blodwen in ein schallendes Gelächter ausbrach, in das wir alle mit einstimmten, sogar die englischen Polisten.

      »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen,« sagte dann, als wir uns etwas beruhigt hatten, der junge Referendar bitter. »Herr Wachtmeister, lassen Sie das Boot… ach so.«

      Er preßte die Lippen zusammen und blickte finster auf das mit Wasser gefüllte Boot herab, welches nie wieder brauchbar gemacht werden konnte, und dann sah ich, was für einen Entschluß es ihn kostete, als er sich an mich wendete.

      »Bitte, Herr Kapitän, Sie stellen mir wohl ein Boot zur Verfügung.«

      »Ich? Tut mir leid. Ich gehe sofort in See.«

      Und schon erschollen meine Kommandos, schon bewaffneten sich meine Leute mit Handspeichen und sprangen an das Gangspill, um die Anker emporzuwinden, schon schrillte die Bootsmannspfeife, welche die Rahengasten in die Takelage zum Segelsetzen schickte.

      Der Referendar machte bei diesen nicht mißzuverstehenden Vorbereitungen keine schlechten Augen.

      »Aber ich muß doch wieder von Bord!«

      »Jawohl, ich bitte sehr darum, mein Schiff alsbald wieder zu verlassen, wenn Sie nicht mit nach New-York wollen.«

      »Nach New-York in … ?«

      »In Nordamerika, auf der anderen Seite der Erdkugel – jawohl, ein anderes New-York kenne ich nicht. – Hol an die Backbordbrassen – laß gehn Steuerbord!!!«

      Und das laufende Gut schnarrte.

      »Aber ich muß doch mit meinen Leuten wieder von Bord!!« fing der junge Mensch wieder an, jetzt schon etwas weinerlich.

      »Ja, springen Sie doch über Bord und schwimmen Sie zurück.«

      »Ich kann gar nicht schwimmen.«

      »Tut mir leid, das hätten Sie lernen sollen.«

      »Sie dürfen mich nicht so mitnehmen.«

      »Ich werde Ihnen gleich zeigen, was ich alles darf. Los die Bram, los die Royal!!«

      Die Segel entfalteten sich, das Schiff kam in Fahrt.

      »Signalisieren Sie doch, daß man mir ein Boot schickt – bitte, bester Herr Kapitän!« winselte der Gerichtsverhaftler.

      »Das könnte ich wohl, hat aber keinen Zweck, bei diesem Winde holt mich kein Dampfer mehr ein.«

      Ich gab ein Ruderkommando.

      »Na, merken Sie denn nicht, wohin wir gehen?« wandte ich mich dann gutmütig an das geknickte Menschlein, als sich der Bug dorthin wendete, wo auf dem Tafelberge eine vom Abendsonnenscheine vergoldete Wolke lagerte. »Ich gehe im Hafen vor Anker.«

      Mein Betragen war rüpelhaft gewesen, da gibt es nun gar keine Entschuldigung. Der Sheriff hatte nur seine Pflicht getan, hatte sich an Bord ganz anständig benommen, auch mir gegenüber, auch ich hätte ihn anständig behandeln sollen.

      Aber ich befand mich damals noch in den gesunden Jahren, da man alles, was eine Polizei- oder Gerichtsuniform trägt, als eine Art Feind betrachtet, ungefähr so, wie die Elemente alles Werk von Menschenhand hassen. Ich sage mit Absicht ›gesund‹; denn auf mich hat ein Junge, der keine Aepfel stiehlt und badenden Mädchen nicht die Kleider wegnimmt, keine Haustürklingeln zieht und dergleichen, immer einen kränklichen Eindruck gemacht. Was mich betrifft, so machte es mir langen, vierundzwanzigjährigen Bengel, der schon Steuermann war, jetzt sogar schon Kapitän, immer noch ein Teufelsvergnügen, auf dem nächtlichen Heimweg alle Straßenlaternen auszudrehen.

      Aber ich war ebenso gutmütig wie lasterhaft. Es fiel mir ja nicht im Traume ein, dem armen Menschen einen wirklichen Schabernack zu spielen, von dem er Schaden gehabt hätte, ihn auch nur zu blamieren. Auch daß ich ihm jetzt noch kein Boot gab, sondern ihn an Bord mit in den Hafen nahm, hatte nur eine gute, versöhnende Absicht.

      Schon wurden in der Kombüse für die zehn Hafenpolizisten zwei große Holzeimer voll Grog gebraut, sie kamen ins Zwischendeck, und als ich mich dann einmal hinabbegab, um noch jedem ein Goldstück in die Hand zu drücken, hatte der Wachtmeister, auch so ein alter Seebär, schon den ganzen Pferdeeimer am Munde.

      Er erklärte mich für den ersten Gentleman der Welt – und nachdem er das gesagt hat, speit mich der Kerl von oben bis unten voll, mit einem halben Pferdeeimer Grog, einem halben Schinken und einer halben Platte kleingekautem Tabak.

      Schwerer hatte ich es mit dem Referendar. Der fing jetzt zu trotzen an. Als dann aber Blodwen, die sich schnell umgezogen hatte, lächelnd auf ihn zutrat – »Aber, Herr Sheriff, das war eine Arbeit, den Sirup wieder abzuwaschen!« – da gab er klein bei, in der Kajüte knallten die Champagnerpfropfen, und als im Hafen schon längst die Anker gefallen waren, wollte er immer noch nicht wieder gehen, der junge Mensch saugte wie eine Biene, fraß ein ganzes Fäßchen Kaviar aus, bis er zuletzt den Tisch vollspie. Zwei Matrosen mußten ihn wie einen Sack unter die Arme nehmen und nach Hause tragen.

      WIE MEIN SCHIFFSARZT UND NOCH MANCHES ANDERE FLÖTEN GEHT.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war gegen acht Uhr geworden, als wir wieder Ruhe an Bord hatten. Ich war noch so gut wie nüchtern, Blodwen war sehr mäßig, desgleichen Doktor Selo, der mit an der Zecherei teilgenommen hatte, aber in der Art ein Mucker war.

      Jetzt erst fiel mir ein, was alledem vorangegangen war.

      »Ja, Blodwen – deine 31 000 Pfund sind schon gesperrt gewesen.«

      »So? Ich hab’s mir gleich gedacht, als ich das Polizeiboot kommen sah.«

      Also nicht die geringste Aufregung deswegen. Nachdem sie einmal Gewißheit hatte, war dies alles Lappalie für sie.

      »Nun, wir haben ja zunächst noch 40 000 Pfund an Bord,« setzte sie hinzu, »damit muß sich doch schon etwas anfangen lassen.«

      »Und ich – ich habe heute 10 000 Pfund einkassiert und noch extra eine Million oder doch 50 000 Pfund in sicherer Aussicht,« jubelte ich heraus.

      Und ich erzählte. Ja, ich freute mich, einmal so viel Geld selbst zu besitzen, und Blodwen freute sich mit mir.

      »Wo ist denn das Dokument?« wandte ich mich an Doktor Selo, den ich bisher gar nicht beachtet hatte. »Holen Sie’s doch gleich einmal her.«

      Was war das? Warum wurde der Kerl plötzlich so blaß?

      Aber, wohlgemerkt, das kam mir nur so vor, ich beachtete es gar nicht weiter.

      Er erhob sich auch sogleich.

      »Sofort, Herr Kapitän,« sagte er und verließ die Kajüte.

      Einstweilen


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