Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
aber dann mußte sie doch zuhören, und langsam hellte sich ihre Miene auf.
»Wie kann nur ein Mann in solcher Position, mit soviel Geld so etwas tun?« fragte sie verwirrt.
»Es war alles nur Schein, Mutti«, sagte Irene. »Ich war schon dahintergekommen und habe unsere Verlobung gelöst. Daß er allerdings auch den Bankraub auf dem Gewissen hatte, wußte ich nicht. Als er mir das Geld für Emilia gab, glaubte ich noch an seine Freundschaft zu Horst.«
»Und warum warst du so lange fort?«
»Ich habe Horst gesucht. Ich wollte ihn noch mal wegen der Nacht in Berlin fragen. Aber er ist dann doch hierhergekommen. Nun wird er bald frei sein. Willst du deine verlorenen Kinder nicht doch wieder aufnehmen?«
»Tragt ihr es mir nicht nach, daß ich euch verdächtigt habe?«
»Du warst genauso durcheinander wie wir, das ist doch verständlich. Aber ein Gutes hat doch alles, du hast dich mit Emilia versöhnt.«
»Ich habe meine Fehler eingesehen.«
»Ich auch, Mutti«, sagte Irene verhalten. »Hoffentlich wird Emilia mir verzeihen, daß ich sie ungewollt in diese Situation gebracht habe. So gescheit, wie du immer dachtest, bin ich halt auch nicht.«
»Aber süß«, raunte ihr Hubert ins Ohr, und Charlotte Geßners Gesicht hellte sich noch mehr auf, als sie sah, wir Irene mit leuchtenden Augen zu ihm emporblickte. Sie hatte keinen Ehrgeiz mehr, ihre Kinder in gesellschaftlichem Glanz zu sehen. Sie wollte nur noch, daß sie glücklich wurden, und anscheinend war auch Irene bereits auf dem Wege dazu, wenn dies auch sehr plötzlich kam.
»Müssen wir uns jetzt nicht um Horst kümmern?« fragte sie dann.
»Das tut Hubert. Wir fahren jetzt zu Emilia«, sagte Irene.
*
Wieder saß Horst Geßner Kommissar Thal gegenüber. Diesmal als freier Mann.
»Ich habe geahnt, daß Dieter dahintersteckt«, sagte er noch einmal. »Aber weil er mir doch diese Stellung besorgt hatte, fürchtete ich, daß ich auf jeden Fall hineingezogen würde, und ich ahnte auch, daß Dieter die Schuld auf mich abwälzen wollte. Er war viel raffinierter als ich.«
»Sie hätten sich und Ihrer Familie viel ersparen können, wenn Sie die Karten sofort auf den Tisch gelegt hätten. Aber Sie hatten wohl kein Vertrauen zu uns geplagten Kriminalbeamten.«
»Ich war in Panik geraten. Emilia hatte immer soviel Vertrauen zu mir, und nun hatte sich auch noch das Kind angemeldet. Sie hätte einen anderen Mann verdient.«
»Sie will aber keinen anderen«, lächelte Kommissar Thal aufmunternd. »Nur Mut, Herr Geßner. Die Zukunft liegt noch vor Ihnen.«
»Aber wird mich jetzt noch jemand nehmen wollen? Wird es mir nicht immer angelastet werden, daß ich geflohen bin?«
»Na, da kann ich Sie beruhigen. Wer Horst Geßner ist, werden in wenigen Tagen nur noch ein paar Menschen wissen, nämlich die, die Sie gut kennen. Nun lassen Sie Ihre Frau nicht länger warten, Herr Geßner«, meinte Kommissar Thal abschließend.
Er wollte wenigstens noch ein paar Stunden schlafen, denn auch für ihn gab es an diesem Tag noch ein Privatleben, auf das er sich freute.
*
»Papi, Papi, Papi, Leon!« Vielstimmig wurde Dr. Laurin von seiner Familie begrüßt. Er wußte nicht, wen er zuerst küssen sollte, aber glücklicherweise trat nun auch Karin in Erscheinung und wurde jubelnd von den Kindern umringt.
Leon konnte endlich seine Antonia innig küssen.
»Du hast ja keine Ahnung, wie ihr mir gefehlt habt«, sagte er zärtlich.
»Und du scheinst nicht zu wissen, wie sehr wir dich vermißt haben!«
»Was kriegt Opi nun zum Geburtstag?« schrie Konstantin.
»Ihr werdet es doch erwarten können?«
»Haben auf dich wartet mit Bescherung«, meldete sich Kevin zu Wort.
»Opi hat schon dolle, viele Geschenke«, sagte Kaja. »Und alle anderen sind schon da.«
Das Schachspiel begeisterte Professor Kayser sehr, doch die Kinder waren enttäuscht.
»Was soll man denn damit spielen?« fragte Konstantin unwillig.
»Die Figuren gucken blöd«, meinte auch Kaja.
»Sie sind herrlich«, schwärmte Professor Kayser. »Meisterlich! Kinder, ihr sollt nicht soviel Geld ausgeben für einen alten Mann.«
»Die kosten auch noch viel Geld!« sagte Konstantin zu Kaja mit heller Empörung.
Karins Kuchen fand ungeteilte Begeisterung. Wie die Wilden stürzten sich die Kinder darauf.
Karin strahlte, und Antonia sagte: »Da können wir uns ja das Mittagessen sparen.«
»Das könnte euch so passen«, sagten Leon und sein Schwager Andreas wie aus einem Munde. Die geplagten Väter freuten sich darauf, endlich einmal wieder ungestört genießen zu können.
Daß am Nachmittag auch noch die anderen Kaysers kamen, Bert, Monika und die Kinder Flori und Pam, versteht sich von selbst. Selten genug hatten sie einmal alle Zeit, und das mußte doppelt gefeiert werden.
»Wir hatten eigentlich früher mit euch gerechnet«, sagte Antonia, die ihren geliebten Onkel Bert besonders liebevoll begrüßte.
»Der Buchhalter mußte in die Klinik«, erklärte er. »Schlimme Sache. Hoffentlich bekomme ich bald Ersatz. Entschuldige, Kindchen, aber man hat so seine Sorgen.«
»Ich wüßte vielleicht jemanden«, sagte Leon.
Antonia warf ihm einen schrägen Blick zu. »Na, da bin ich aber gespannt. Es sollte mich doch sehr wundern, wenn es in der Prof.-Kayser-Klinik nicht doch wieder Probleme gegeben hat.«
Leon legte den Arm um sie. »Deine Antenne funktioniert doch immer. Wie kommt das bloß?«
»Ich brauche dich nur anzuschauen«, lächelte sie.
Bert Kayser schmunzelte. »Wenn ihr schmusen wollt, laßt euch nicht stören. Aber vergiß nicht, mir den Buchhalter zu schicken, Leon.«
Damit war das Thema für diesen Tag jedoch endgültig erledigt. Er gehörte nur noch der Familie.
*
»Hoffentlich ist Hanna nicht sauer«, sagte Laura zu ihrem Mann.
»Hoffentlich ist Michel nicht so müde, daß er einschläft«, bemerkte Günter Stoll. »Er hat anstrengende Tage hinter sich.«
»Wann habt ihr das nicht?« meinte Laura seufzend.
»Kommt Blümchen bald, Papi?« fragte Tabea. »Blümchen ist lieb«, wisperte sie.
»Das finden andere auch«, murmelte Günter. »Riskant ist so was schon, Laura.«
»Ach was.« Sie deckte den Tisch besonders festlich, was ihn zu der Bemerkung veranlaßte, daß sie ja nicht gleich Verlobung feiern wollten.
Ahnungslos, welche Überraschung ihrer harrte, fuhr Hanna Bluhme in der bequemen S-Bahn ihrem Ziel entgegen.
Vielerlei Gedanken bewegten sie. Hanna wußte es aus den Nachrichten, daß alles ein gutes Ende gefunden hatte, und Schwester Otti hatte sie auch noch angerufen. Alle freuten sich, und der Kommissar Thal hatte seinen Teil dazu beigetragen.
Eigentlich hätte ich nicht so ekelhaft zu ihm sein brauchen, dachte Hanna. Er tut doch auch nur seine Pflicht, so wie wir. Lauras Mann war schließlich auch ein Beweis, daß Kriminalbeamte auch Menschen waren.
Sie war überhaupt in einer Stimmung, von jedem nur die beste Meinung zu haben, nachdem alles so glimpflich verlaufen war.
Beinahe hätte sie vergessen, an der richtigen Station auszusteigen, so sehr war sie in ihren Gedanken versunken.
*
Wie