Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
herzlich.
»Wir machen jetzt nämlich Trimm-dich, und da dachten wir, daß wir Sie mal wieder besuchen können«, erklärte Konstantin eifrig.
»Na, hoffentlich macht ihr künftig dann recht oft Trimm-dich«, lachte Frau Grün. »Ich freue mich, wenn ihr zu mir kommt.«
»Aber nicht so laut, es werden doch Gäste da sein«, sagte Antonia. Alles hatte einen ganz harmlosen Anstrich, und auch, als Frau Grün erklärte, daß augenblicklich nur Frau Westhaus im Hause sei, zuckte Antonia mit keiner Wimper.
»Die anderen sind tagsüber immer unterwegs«, erklärte Frau Grün. »Spätestens elf Uhr sind alle mit dem Frühstück fertig, dann gehört der Tag mir. Ihr dürft ruhig toben, Kinder, Frau Westhaus ist sehr nett. Sie beschwert sich nicht.«
Antonia brauchte gar nicht lange zu überlegen, wie sie Amelie Westhaus am besten kennenlernen könnte, denn wenig später erschien sie von selbst.
»Dürfte ich mir einen Tee machen, Frau Grün?« fragte sie höflich.
Antonia und die Kinder waren eben im Nebenzimmer und ließen sich von Koko etwas erzählen. Aber Antonia hörte die Frage und trat ganz schnell in das Wohnzimmer, wo Frau Grün für ihre Gäste den Tisch hatte decken wollen.
»Oh, guten Tag«, tat sie überrascht.
»Darf ich bekannt machen? Frau Dr. Laurin – Frau Westhaus«, stellte Frau Grün vor.
»Frau Dr. Laurin?« fragte Amelie befangen.
»Ja, sie ist auch eine richtige Frau Doktor«, erklärte Frau Grün. »Sie hat früher als Ärztin praktiziert, und Dr. Laurin besitzt heute die Prof.-Kayser-Klinik.«
Feine Röte stieg in Amelies Wangen. Sie wollte wohl nicht zugeben, daß sie Dr. Laurin kannte, aber sie sagte: »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
»Ich freue mich auch«, erwiderte Antonia herzlich. Leon hatte recht. Dieses schüchterne Geschöpf verdiente Mitgefühl.
Natürlich hatten die Zwillinge die Stimmen gehört und wollten nun auch wissen, mit wem ihre Mami da sprach. Sie kamen hereingestürmt.
»Das sind meine Zwillinge Konstantin und Kaja«, sagte Antonia. »Hoffentlich machen sie nicht zuviel Krach.«
»Mich stört es nicht. Ich habe Kinder gern«, sagte Amelie, und damit hatte sie bei den Zwillingen schon ein Stein im Brett.
»Sie könnten doch eigentlich mit uns Tee trinken, Frau Westhaus«, sagte Frau Grün freundlich. »Das tun wir sonst auch«, fügte sie erklärend zu Antonia gewandt hinzu. »Herr Westhaus hat nämlich in der Stadt zu tun.«
»Ich wollte eigentlich lieber hierbleiben, weil es hier so angenehm zu wohnen ist«, sagte Amelie rasch.
»Dr. Laurin habe ich es eigentlich zu verdanken, daß ich die Pension habe«, erklärte Frau Grün. »Damals, als mein Mann starb, sagte er mir, ich solle mir eine Beschäftigung suchen, und das habe ich dann auch getan. Es war gut so für mich.«
»Und für Ihre Gäste, liebe Frau Grün«, sagte Amelie warm. »Es ist so heimelig bei Ihnen.«
»Ich helfe Ihnen rasch«, erklärte Antonia, als Frau Grün in die Küche ging. »Ihr unterhaltet Frau Westhaus inzwischen«, sagte sie zu den Kindern.
Antonia hoffte, nun von Frau Grün mehr über Amelie zu erfahren, und sie hatte sich nicht getäuscht.
Wie die meisten alten Damen war Frau Grün mitteilsam, und besonders bei Antonia brauchte sie sich keinen Zwang anzutun.
»Im Grunde ist das ein ganz armes Hascherl, obgleich sie sehr reich ist«, erzählte sie sofort. »Sie war richtig glücklich, daß sie hierbleiben konnte. Ist auch eine komische Ehe. Sie sagt zu allem ja und amen. Man müßte ihr ein bißchen das Rückgrat stärken.«
Antonia wurde sehr nachdenklich, noch mehr, als sie sah, wie reizend sich Amelie mit den Kindern beschäftigte.
»Sie heißt Amelie«, sagte Konstantin begeistert, »und sie könnte uns eigentlich mal besuchen, Mami.«
»Ja, Amelie soll uns mal besuchen!« rief auch Kaja.
Antonia lächelte. »Unsere Kinder sind zutraulich, wenn sie jemanden mögen. Sie können aber auch sehr widerspenstig sein, wenn das Gegenteil der Fall ist.«
»Amelie mögen wir«, versicherte Konstantin.
»Das merke ich«, erwiderte Antonia.
Amelies Wangen färbten sich noch dunkler, aber es stand ihr gut, und auch Antonia dachte, daß sie viel mehr aus sich machen könnte.
»Ich bin nur noch ein paar Tage hier, dann gehe ich auch in die Stadt«, sagte Amelie leise, und es klang freudlos.
»Dann besuchen Sie uns doch morgen«, schlug Antonia heiter vor.
»Ja, das soll sie tun!« rief Kaja aus. »Sie weiß nämlich, wie man aus Taschentüchern Häschen macht. Da wird Kevin auch Spaß haben.«
»Es würde mich wirklich freuen«, sagte Antonia, und da fing sie einen Blick von Frau Grün auf, der verriet, daß diese manches ahnte.
»Das ist sehr nett von Ihnen, Frau Dr. Laurin, aber ich bin doch eine völlig Fremde für Sie«, sagte Amelie verlegen.
»Das sind Sie jetzt schon nicht mehr.«
»Das bist du gar nicht mehr«, erklärte Kaja, und da sie schon beim Du waren, gab es daran nicht den geringsten Zweifel.
*
Delia hatte keine Ahnung, daß Julian nach München gefahren war. Sie wartete auf einen günstigen Augenblick, um aus dem Haus zu kommen, da sie ihn unbedingt noch einmal sprechen wollte. Sie wußte, daß er im Gästehaus Grün wohnte, aber nicht, daß auch seine Frau dort war.
Sie zog den kostbaren Pelzmantel über, den Anton Sabat ihr erst kürzlich geschenkt hatte, doch als sie an der Haustür war, kam er gerade aus der Stadt zurück.
»Wohin willst du?« fragte er.
»Ein wenig an die Luft gehen«, erwiderte sie mit ihrem süßesten Lächeln.
»Bleib nicht zu lange. Ich bekomme nachher Gäste«, sagte er. »Jetzt möchte ich mich noch ein bißchen niederlegen.«
Alter Tattergreis, dachte sie ironisch. Aber ihr konnte es ja nur recht sein.
»Ist Westhaus nun eigentlich interessiert an dem Besitz?« fragte sie lauernd.
»Warum konzentrierst du dich eigentlich so auf ihn?« fragte er gepreßt. »Es gibt noch andere Interessenten.«
»Er hat das meiste Geld.«
»Weißt du das so genau?« fragte er nachdenklich. »Man darf den Leuten nicht zu sehr entgegenkommen, Delia, das drückt den Preis.«
Sie hörte keine Zweideutigkeit aus seinen Worten heraus, und doch war sie darin enthalten. Anton Sabat hatte seinen Verstand nicht ganz an sie verloren. Er hatte heute wieder einiges gehört, was ihn sehr nachdenklich stimmte. Allerdings war er wirklich zu müde, um sich damit jetzt noch mehr zu beschäftigen, und ihre ganze Anziehungskraft auf ihn hatte Delia noch nicht verloren. Bis zu einem gewissen Grad war er ihr hörig. Eine noch so junge, so begehrenswerte Frau konnte einem Mann in seinem Alter schon gefährlich werden.
Er machte sich keine allzu großen Sorgen, als sie ging, denn er wußte ja, daß Julian Westhaus sich in München ein Hotelappartement genommen hatte. Er kam eben von einer Besprechung mit ihm, was er Delia nur nicht hatte verraten wollen, weil er jetzt wußte, daß früher intime Beziehungen zwischen ihnen bestanden hatten.
Das hatte ihm einen solchen Tiefschlag versetzt, daß er um keinen Preis der Welt mehr bereit war, ihm den Besitz zu verkaufen. Deswegen hatte er auch Bert Kayser und Dr. Brink für diesen Abend eingeladen.
Noch war Anton Sabat nicht bereit, Delia aufzugeben, aber er wollte weg von hier. So schnell wie möglich.
Im Tessin war