Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      *

      Donnerstag nachmittag hatte Frau Grün ihr Kaffeekränzchen mit ein paar alten Damen. Sie ging dann schon gegen zwei Uhr aus dem Haus, um wieder früh genug zurück zu sein.

      Gegen drei Uhr wollte Antonia Amelie abholen.

      Sie war eine halbe Stunde weg, als es läutete. Amelie wurde unruhig, weil sie gerade festgestellt hatte, daß ihre Uhr stehengeblieben war. Sollte das schon Frau Laurin sein? fragte sie sich und geriet in Aufregung, weil sie ihre Haare noch nicht gebürstet hatte. Aber da läutete es zum zweiten Mal, und so, wie sie war, lief sie zur Tür.

      Aber draußen stand nicht Frau Laurin, sondern eine ihr fremde Frau.

      »Ich möchte zu Herrn Westhaus«, sagte die Frau herrisch.

      Amelie brachte nicht über die Lippen zu sagen, daß sie Frau Westhaus sei.

      »Er ist nicht da«, erwiderte sie stockend. »Er ist in der Stadt.«

      »Wann kommt er zurück?« fragte Delia, die auch keine Ahnung hatte, daß Amelie vor ihr stand, denn sie hatte nie ein Bild von ihr gesehen.

      »Gar nicht«, erwiderte Amelie und war im selben Augenblick froh, sich nicht vorgestellt zu haben.

      »Wissen Sie seine Adresse?« fragte Delia.

      »Nein«, griff Amelie schnell zu einer Notlüge. »Frau Grün ist auch nicht da. Ich bin ganz allein im Haus.«

      Mit einem flüchtigen Gruß entschwand Delia wieder, ohne ihren Namen genannt zu haben. Dennoch hatte Amelie ein banges Gefühl.

      Alles drehte sich um sie. Sekundenlang lehnte sie an der Wand, und dann läutete es wieder.

      Diesmal war es Antonia Laurin, die einen Aufschrei unterdrücken mußte, als sie in das wachsbleiche Gesicht der jungen Frau blickte.

      »Es tut mir leid. Mir war so übel«, stammelte Amelie. »Ich bin noch nicht mal gekämmt.«

      »Kommen Sie«, sagte Antonia fürsorglich. »Kämmen können Sie sich auch bei uns. Sicher ist es Ihnen schlecht, weil Sie ein Baby erwarten.«

      »Sie wissen es?« fragte Amelie zögernd.

      »Eine Frau, die selbst Mutter ist, sieht es«, erwiderte Antonia, und das entsprach sogar der Wahrheit. Selbst wenn sie es nicht gewußt hätte, heute hätte sie es gemerkt.

      Amelie ließ sich willenlos zum Auto führen.

      »Es ist gut, daß ich die Kinder daheim gelassen habe. Nun können Sie sich erst einmal ein bißchen erholen«, sagte sie. »Haben Sie sich erschrocken?«

      »Woher wissen Sie das?« fragte Amelie tonlos.

      »Weil mir immer übel war, wenn ich mich erschrocken habe«, erklärte Antonia.

      »Da war eine Frau, die wollte meinen Mann sprechen«, sagte Amelie gequält. »Ich kenne sie nicht. Ich habe nicht gesagt, daß ich Julians Frau bin.«

      Was für ein Kind ist sie doch noch, dachte Antonia mitleidvoll. Sie ahnte, wer diese Frau gewesen war. Und sie wollte jetzt nichts anderes mehr, als Amelie helfen. Das konnte man aber nicht, wenn man um den heißen Brei herumredete.

      »Amelie«, sagte sie weich. »Darf ich Sie so nennen?«

      Amelie nickte.

      »Ich habe Ihre Bekanntschaft gesucht«, fuhr Antonia fort. »Mein Mann hat mir erzählt, daß Sie bei ihm waren. Zwei Tage zuvor haben wir Ihren Mann bei Herrn Sabat kennengelernt.«

      »Ja, da war er. Er hat es mir gesagt«, erwiderte Amelie mit schwerer Stimme. »Er wollte mit ihm wegen eines Besitzes verhandeln.«

      »Dort traf er Delia Dillon«, sagte Antonia.

      »Delia Dillon«, wiederholte Amelie mit einem Aufschluchzen.

      »Ich möchte Ihnen die Wahrheit sagen, Amelie, weil nur die Wahrheit Ihnen helfen kann«, sagte Antonia. »Ich möchte Ihnen helfen.«

      »Warum wollen Sie das? Sie kennen mich doch kaum.«

      »Ich fühle, daß Sie einen Menschen brauchen, und mein Mann hat es auch gefühlt. Mir liegt die Schauspielerei nicht, aber da wir uns nun kennen, möchte ich nicht mit ansehen, wie Sie leiden. Auch das spürt man, Amelie«, schloß sie weich.

      »Ich kann doch nichts tun«, schluchzte Amelie auf. »Ich war ein Nichts, als Julian mich heiratete. Tante Donata hat es ihm eingeredet. Sie hat es gutgemeint, auch mit mir.«

      »Warum haben Sie ihn geheiratet? Nur weil Tante Donata es Ihnen eingeredet hat?«

      Amelie schlug die Hände vor ihr Gesicht. »Ich liebe ihn, ich habe ihn immer geliebt«, flüsterte sie.

      »Kindchen, warum kämpfen Sie dann nicht um diese Liebe?« fragte Antonia nach einer kleinen Pause. »Sie sind doch eine Frau – seine Frau!«

      »Ich kann ihm doch gar nichts bedeuten. Ich kann ihm nur einen Erben zur Welt bringen. Mehr kann ich nicht tun.«

      »Das werden wir ja sehen«, sagte Antonia beinahe zornig. »Herrgott im Himmel, gibt es denn keinen Menschen, der Ihnen Mut gemacht hätte?«

      Amelie schüttelte den Kopf. »Tante Donata hat gesagt, daß es ein großes Glück für mich ist, Julians Frau zu werden. Sie sagt, daß ich die richtige Frau für ihn bin.«

      »Aber wahrscheinlich ist sie genauso weltfremd wie Sie«, sagte Antonia.

      »Sie ist doch schon achtzig Jahre alt«, murmelte Amelie.

      Ein Kind und eine achtzigjährige Frau? Antonia fröstelte es. Wahrscheinlich hatte sie noch kein liebes Wort von ihrem Mann vernommen. Weiter wollte sie gar nicht denken.

      »Sie werden ihm die Hölle heißmachen«, sagte die temperamentvolle Antonia.

      »Ich?« fragte Amelie verwundert.

      »Vertrauen Sie mir?«

      Amelie nickte.

      »Dann werde ich Sie in die Schule nehmen. Sind Sie dazu bereit?«

      »Was soll ich denn tun?« fragte Amelie kleinlaut.

      »Eine Frau werden, die den Männern den Kopf verdreht. Es wäre doch gelacht, wenn dies nicht möglich wäre.«

      »Aber das will ich gar nicht. Jetzt bekomme ich das Baby.«

      »Für ihn oder auch für sich?« fragte Antonia energisch. »Wollen Sie Ihr Baby behalten, Amelie?«

      »Ich habe es mir gewünscht«, erwiderte die junge Frau leise. »Ich glaube daran, daß er, Julian, dann nicht mehr über mich hinwegsehen würde.«

      »Ein Baby kommt nicht von irgendwoher«, bemerkte Antonia sanft. »Es gehören ein Mann und eine Frau dazu.«

      Da begann Amelie zu weinen, und es dauerte lange, bis sie sich beruhigte.

      »Morgen fahren wir in die Stadt, Amelie«, sagte Antonia liebevoll. »Wir gehen zum Friseur, wir kaufen Ihnen die schönsten Kleider, die wir finden können. Ihr Mann wird nicht mehr wissen, wer er ist, wenn er Sie sieht.«

      Amelie sah sie zweifelnd an, aber sie nickte zustimmend. »Julian hat gesagt, daß ich mich hübscher anziehen soll«, sagte sie leise.

      Dann ist ja noch nicht Hopfen und Malz verloren, dachte Antonia. Er merkt wenigstens, daß aus ihr etwas zu machen wäre.

      *

      Amelie hatte sich offensichtlich große Mühe gegeben, vorteilhaft auszusehen, aber man spürte, wie unsicher sie in sich selbst war.

      Wie sich herausstellte, verfügte Amelie über ein eigenes Konto, das Julian ihr eingerichtet hatte, als sie heirateten. Bisher hatte sie davon kaum Gebrauch gemacht, und jetzt machte sie sich schon Gedanken, was ihr Mann wohl sagen würde, wenn sie auf einmal soviel Geld ausgab.

      Antonia lachte. »Wenn er eine elegante Frau haben will, muß er damit rechnen. Es tut ihm


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