Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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dazu, liegengebliebene Arbeit zu erledigen. Gegen zehn Uhr wurde sie dabei gestört.

      Laura Stoll mit ihrem Töchterchen Tabea erschien. Es war nicht ungewöhnlich, denn Laura machte von Zeit zu Zeit einen Besuch in der Klinik. Sie schien viel jünger als früher und sah rundherum glücklich aus.

      Hanna freute sich über diesen Besuch. Tabea kletterte gleich zu ihr aufs Knie und wollte Hoppe-Reiter machen.

      »Sie müssen uns jetzt endlich mal besuchen, Blümchen«, sagte Laura beiläufig. »Sie haben unser Häuschen noch gar nicht gesehen.«

      Erst kurz vor Weihnachten hatten Günter und Laura Stoll das hübsche Reihenhaus bezogen, das Hanna nun wenigstens im Bild gezeigt bekam.

      »Kommen Sie doch mal am Wochenende«, bat Laura, »oder haben Sie schon etwas vor?«

      »Ja, es ginge schon am Wochenende«, sagte Hanna.

      »Wir können Sie ja abholen«, schlug Laura vor.

      »Mit der S-Bahn geht es wunderbar, da brauchen Sie sich keine Umstände zu machen«, meinte Hanna.

      »Wie geht es denn in der Klinik?« erkundigte sich Laura.

      »Immer mal was anderes, und nicht immer Erfreuliches«, erklärte Hanna. »Sie kennen ja den Betrieb. Aber ich bin gern hier. Man fühlt sich nicht zum alten Eisen gehörig, wenn man noch schaffen kann.«

      »Sie und altes Eisen«, lächelte Laura. »Sie werden immer hübscher.«

      »Na, na, na, machen Sie mich nicht eitel. Die Jahre lassen sich nicht leugnen, aber man muß halt das Beste daraus machen.«

      Jeder von ihnen hatte sein Päckchen zu tragen gehabt. Hanna, als sie ihren Mann verlor. Laura, als sie von ihrem Verlobten mit dem Kind sitzengelassen wurde. Aber Laura hatte einen anderen Mann gefunden, der sie auf Händen trug, und für Hanna war das Leben auch weitergegangen. Sie verdienten beide etwas Glück, und Laura lächelte vergnügt in sich hinein, als sie mit ihrer Tabea den Heimweg antrat, nachdem sie allen noch »Grüß Gott« gesagt hatte.

      Eine kleine Überraschung hielt sie für Blümchen bereit, wenn sie am Wochenende kam.

      Laura war kaum gegangen, klopfte es schon wieder an der Tür. Auf Hannas Zuruf kam niemand. Sie stand auf und schaute selbst nach. Draußen stand eine ältere Dame in einem eleganten schwarzen Mantel mit passendem Hütchen.

      »Ich hätte gern Herrn Dr. Laurin gesprochen«, sagte sie.

      »Dr. Laurin ist bei der Visite. Darf ich wissen, in welcher Angelegenheit?« fragte Hanna.

      »Das möchte ich ihm lieber selbst sagen. Mein Name ist Geßner.« Sie sprach ihn nur zögernd aus, als schäme sie sich.

      »Bitte, nehmen Sie Platz. Sie können hier warten. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?« Sie merkte wohl, daß Frau Geßner sehr erschöpft aussah.

      »Mein Name ist Ihnen bekannt?« fragte die Ältere scheu. Hannas mütterliche Art nahm ihr die Hemmungen.

      »Ja, Ihr Name ist mir bekannt.«

      »Ich wage schon gar nicht mehr, ihn auszusprechen«, flüsterte Frau Geßner.

      »Aber warum denn? Namen sind Schall und Rauch, und die Leute vergessen sie schnell. Übrigens

      ist Ihre Schwiegertochter unter

      dem Namen Grohn hier eingetragen.«

      »Ihr Mädchenname«, sagte Frau Geßner.

      »Ja, ich weiß. Ich habe mit ihr gesprochen.«

      »Und sie hat Ihnen alles erzählt?«

      »Nein, mir hat sie gar nichts erzählt. Sie ist ein liebes, aber verzweifeltes Menschenkind. Wollen Sie sie besuchen?«

      »Das kann ich doch nicht wagen.« Nun hatte Frau Geßner schon mehr Zutrauen gefaßt, und man spürte, daß sie erleichtert war, sich unterhalten zu können. »Wie geht es dem Kind? Kommissar Thal war bei mir und hat es mir gesagt. Ich wußte gar nicht, daß Emilia ein Baby erwartete.«

      »Ein Junge. Er soll Tobias heißen. Ein prächtiges Kerlchen«, fiel Hanna ihr ins Wort.

      »Wenn ich wenigstens an dem Kind etwas gutmachen könnte«, flüsterte sie. »Ich will die Rechnung bezahlen. Ich weiß, daß mit dem Geld…«, sie konnte nicht mehr weitersprechen.

      »Bitte, beruhigen Sie sich doch, Frau Geßner. Ich denke, daß es gut wäre, wenn Sie sich mit Ihrer Schwiegertochter versöhnen würden.«

      »Sie wird mich nicht sehen wollen, jetzt erst recht nicht, nachdem Irene sie auch enttäuscht hat.«

      »Wir können sie ja fragen«, meinte Hanna tröstend. »Ihren Enkel werden Sie wohl auch sehen wollen.«

      Nichts war Hanna fremd, sie verurteilte nie. Ein Mensch trug alles in sich, und manchmal erkannte er sich selbst erst sehr spät. Niemand hatte das Recht, einen anderen zu verurteilen, wenn manche es auch blindlings und unüberlegt taten.

      Nun schlug die Alarmglocke an. Erschrocken zuckte Frau Geßner zusammen. Hanna gab die Meldung, die sie erhielt, rasch an die Station weiter.

      »Nun wird Dr. Laurin allerdings für längere Zeit beschäftigt sein«, sagte sie erklärend.

      Frau Geßner erhob sich. »Würden Sie bitte ein gutes Wort für mich bei meiner Schwiegertochter einlegen?«

      »Warten Sie noch ein paar Minuten, dann werde ich zu ihr gehen.«

      *

      Die Gänge waren leergefegt, nur die Schwestern verteilten das Mittagessen. Emilia war allein im Zimmer. Inge Bürens Mann war diesmal vormittags dagewesen, und sie war mit ihm hinausgegangen, weil Emilia sich mal wieder schlafend stellte.

      Es traf sich also gut, als Hanna kam, um ihre Aufgabe zu erfüllen. »Es möchte Sie jemand besuchen, Frau Geß… – Frau Grohn«, unterbrach sie sich.

      »Meine Schwägerin?« fragte Emilia.

      »Nein, Ihre Schwiegermutter.«

      Emilia blickte sie ungläubig an.

      »Ja, Sie haben richtig gehört. Sie traut sich nur nicht herein. Aber ich glaube, sie hat Ihnen manches zu sagen.«

      Sie machte eine Handbewegung. »Sie kann kommen«, sagte sie dann gepreßt.

      Geisterhaft bleich kam sie dann. Die beiden ungleichen Frauen tauschten einen langen Blick.

      »Es tut mir leid, Emilia. Alles tut mir leid«, flüsterte Charlotte Geßner.

      »Wir werden nicht lange allein sein«, sagte Emilia rasch. »Bitte, sprich nicht über Horst.«

      Frau Geßner schüttelte den Kopf. »Ich möchte dir sagen, daß du dir keine Sorgen machen sollst. Das Kind soll nicht leiden und du auch nicht.«

      »Aber du leidest«, sagte Emilia nachdenklich. »Du bist gekommen, Mutter.« Tränen strömten über Charlotte Geßners Gesicht.

      »Wenn ich nur mehr tun könnte«, schluchzte sie.

      Emilia griff nach ihren Händen. »Wir wollen an Horst glauben und hoffen.«

      Inge Büren trat ein, aber geistesgegenwärtig sagte sie: »Ach, ich habe noch etwas vergessen«, und verschwand wieder.

      »Wenn ich nur wüßte, wer mir das Geld geschickt hat«, flüsterte Emilia. »Ich dachte, es käme von Irene. Hat sie denn nichts von Horst gehört?«

      »Ich weiß es nicht, Emilia. Ich habe Irene seit Wochen nicht gesehen. Ich weiß nicht, was mit ihr los ist.«

      »Und von Horst hast du auch nichts gehört?«

      »Nein, ich schwöre es dir.«

      »Wenn er nur lebt, Mutter«, sagte Emilia mit tränenerstickter Stimme. »Wenn er sich nur nichts angetan hat.«

      Mit zitternder Hand strich Charlotte Geßner über Emilias


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