Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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mit meiner Haltung.«

      »Er ist dazu nicht fähig. Nein, ich glaube es nicht«, sagte Emilia beschwörend.

      »Und wenn es doch so wäre, auf mich kannst du rechnen. Ich komme wieder, Emilia, schon bald, aber jetzt werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um Horst zu finden. Danke, daß du mich nicht zurückgewiesen hast.«

      Sie beugte sich zu ihr hinab und drückte ihre kühlen Lippen an Emilias Stirn.

      »Denk an dich und das Kind. Ich werde mir meinen Enkel jetzt anschauen.«

      Sie tupfte sich noch die Tränen aus den Augen, als sie den Gang entlangging, und Inge Büren sah es.

      Als sie das Zimmer wieder betrat, sagte sie zu Emilia: »Wenn Sie Besuch bekommen und mich nicht dabei haben wollen, machen Sie mir ein Zeichen, Frau Grohn. Denken Sie ja nicht, daß ich neugierig bin.«

      »Das denke ich nicht. Ich mag Sie gern«, erwiderte Emilia schlicht.

      »Ich mag Sie auch«, sagte Inge Büren heiter. »Aber ich bin halt auch nicht immer leicht zu ertragen.«

      »Sie sind so fröhlich, das ist schön.«

      Ganz spontan setzte Inge Büren sich zu ihr ans Bett. »Es wäre schön, wenn Sie auch fröhlich sein könnten. Ich weiß, daß Sie Kummer haben, aber Sie müssen denken: Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her…«

      »Ist das von Ihnen, Frau Büren?«

      »Ach wo, das sagt Dr. Laurin. Er hat’s auf seinem Schreibtisch stehen. Ich nehme ja alles leicht, aber mir wird auch nichts schwergemacht. Die alte Dame hat geweint, als sie aus dem Zimmer kam«, fügte sie hinzu.

      »Es war meine Schwiegermutter«, sagte Emilia. »Es kann sein, daß Sie nun bald manches über uns erfahren, aber…«

      »Wenn es Ihnen mal dazu zumute ist, Ihr Herz auszuschütten, dann tun Sie es unbesorgt. Ich kann auch schweigen.«

      Dann brachte Schwester Otti ihnen das Mittagessen, und zum ersten Mal schmeckte es Emilia wieder.

      Charlotte Geßner hatte ihren Enkel lange betrachtet. Er hatte seine Augen weit aufgerissen und seltsame kleine Laute von sich gegeben, und die Rührung hatte sie wieder übermannt. Rot umrändert waren ihre Augen, als sie noch einmal bei Hanna Bluhme eintrat.

      »Ich wollte nicht gehen, ohne Ihnen zu sagen, wie dankbar ich Ihnen bin«, sagte sie. Dann legte sie einen Umschlag auf den Schreibtisch. »Das ist für Emilia. Wenn sie sonst etwas braucht, sagen Sie es mir bitte. Ich habe ihr nicht mal Blumen mitgebracht«, fuhr sie verwirrt fort. »Aber das hole ich nach.«

      Daß sie den ersten Schritt getan hat, war mehr wert als der kostbarste Blumenstrauß, dachte Hanna. Dann schweiften ihre Gedanken ab, und sie überlegte, was sie Laura mitnehmen könnte. Etwas Nützliches, dachte sie, denn in einem jungen Haushalt konnte man noch vieles gebrauchen. Sie freute sich richtig auf das Wochenende, das ohne die Kinder doch einsam gewesen wäre.

      *

      Am nächsten Morgen war Charlotte Geßner mit der S-Bahn nach München gefahren. Alles war so neu und so fremd. Die Stadt hatte sich sehr verändert, seit sie vor fünf Jahren weggezogen war. Ihr war direkt ein wenig schwindlig, als sie die City erreichte.

      Sie hatte ein leeres Gefühl im Magen und erinnerte sich, daß sie seit gestern abend nichts gegessen hatte. In dem modernen Restaurant eines Kaufhauses bestellte sie sich ein Frühstück.

      Ob Emilia überhaupt schon Babywäsche hatte? Auf jeden Fall konnte es nicht schaden, auch dafür zu sorgen.

      Sie kaufte von allem ein halbes Dutzend. Für sie stand es bereits fest, daß Emilia und der kleine Tobias zu ihr kommen würden. Jetzt war es ihr trotz aller Sorge doch schon etwas zuversichtlicher ums Herz.

      Sie stand wieder auf der Straße und überlegte. Dann nahm sie doch kurz entschlossen ein Taxi und fuhr zu Irenes Wohnung.

      Sie benutzte den Lift nicht, sondern stieg mühsam die drei Treppen empor.

      Atemlos drückte sie auf die Klingel. Dreimal kurz, wie früher ihr Zeichen gewesen war.

      Sie lehnte an der Wand und wartete, und plötzlich tat sich die Tür auf.

      Charlotte Geßner blickte in das eingefallene graue Gesicht ihres Sohnes.

      »Mutter«, stammelte er.

      Sie schwankte und wäre fast zu Boden gestürzt, hätte er sie nicht aufgefangen.

      Es dauerte lange Minuten, bis sie wieder denken konnte. »Seit wann bist du hier, Horst?« fragte sie mit versagender Stimme.

      »Seit zwei Stunden. Irene hat mir die Schlüssel geschickt. Sie schrieb mir, daß Emilia hierherkommen würde.«

      Sie starrte ihn fragend an und konnte es noch immer nicht fassen, daß sie ihren Sohn lebend vor sich sah.

      »Emilia ist in der Klinik«, flüsterte sie. »Ich habe sie eben besucht. Du hast einen Sohn, Horst.«

      Ungläubig blickte er sie an. »Wir haben ein Kind?« fragte er heiser.

      Sie konnten lange nichts mehr sagen. Ihre Hände hatten sich ineinander verkrampft, und über sein Gesicht rannen Tränen.

      »Einer mußte sich doch um Emilia kümmern«, sagte sie schließlich. »Ich erfuhr es von einem Kriminalkommissar. Oh, mein Junge, warum kommst du erst jetzt?«

      »Wie geht es Emilia?« brach es aus ihm hervor. »Wie geht es dem Kind?«

      Charlotte Geßner hatte die Fassung wiedergewonnen, weil sie spürte, daß ihr Sohn jetzt einen Halt brauchte. Mochte sie auch lange Zeit immer zuerst an sich gedacht haben, das war jetzt alles vergessen.

      »Emilia ist in guter Hut. Der Junge ist gesund. Ein goldiges Kerlchen ist er, Horst. Emilia war sehr lieb zu mir. Ich bereue alles so sehr. Mein Egoismus hat uns ins Unglück gebracht. Uns alle, ich sah es zu spät ein.«

      »Glaubst du, daß ich schuldig bin, Mutter?«

      »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß nur noch, daß ich unsagbar viel Schuld auf mich geladen habe und sie wieder abtragen will. Um Emilia und das Kind brauchst du dich nicht zu sorgen, Horst. Ich werde mich um sie kümmern und sie beide zu mir nehmen. Schau, ich habe schon Sachen für meinen Enkel gekauft.«

      Er nahm sie in die Arme. »Ich habe nichts getan, Mutter. Ich schwöre es dir. Ich war nur feige. Aber jetzt will ich Emilia sehen, und dann gehe ich zur Polizei.«

      »Jetzt werden wir alles ganz in Ruhe besprechen«, erklärte sie energisch. »Ich will wissen, wo du warst und woher Emilia das Geld hat.«

      »Welches Geld?« fragte er bestürzt.

      »Das Geld aus dem Bankraub. Sie bekam ein Päckchen mit fünftausend Euro. Weil sie mittellos war, zahlte sie in der Klinik tausend Euro davon an. Dadurch kam alles ins Rollen.«

      Er sank in sich zusammen und vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Jetzt weiß ich gar nichts mehr«, flüsterte er. »Ich muß erst nachdenken.«

      »Ich will jetzt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. So sagt man doch bei Gericht.«

      »Du glaubst mir nicht, Mutter?« fragte er.

      Sie richtete sich auf. »Ich habe mich fünf Monate hinter dem Gedanken verschanzt, daß mein Sohn mir so etwas nicht antut. Du hast nicht einmal deine Frau wissen lassen, wo sie dich finden könnte. Wir dachten beide, Emilia und ich, daß du dir etwas angetan haben könntest.«

      »Du weißt doch nicht, warum ich es tat«, murmelte er.

      »Dann wird es höchste Zeit, daß ich es erfahre.«

      »Ich möchte erst zu Emilia.«

      »Nein«, sagte sie bestimmt. »Du gehst erst zu ihr, wenn ich alles weiß.«

      *

      Antonia Laurin wurde von ihren neugierigen Kindern bestürmt.


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