Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Strohmann. Herr Falk!
Falk. Herr Pastor!
Strohmann. Sind Sie jetzt
Zugänglicher, als da wir schieden?
Falk. Nein.
Mein Weg schließt keine Kompromisse ein.
Strohmann.
Und wenn Ihr Fuß des Nächsten Glück zertrat?
Falk.
So streue ich dafür der Wahrheit Saat.
(Lächelnd.)
Sie fürchten sich gewißlich vor den Blättern
Für Liebende?
Strohmann. Na, war das etwa Scherz?
Falk.
Ja, trösten Sie sich über diesen Schmerz;
Ich will mit Taten reden, nicht mit Lettern.
Strohmann.
Und schonen Sie mich auch, wer wird mich schützen, Wenn sich einmal der andere vergißt? Der Aktuar wird seinen Vorteil nützen, Und das ist Ihre Schuld, wenn dem so ist; Sie rührten an vergangne Schwärmereien, Und wenn sie jetzt im Reichstag drohn und schreien, Und nur ein Wort von mir dagegen fällt, So schwör' ich drauf, daß er den Mund nicht hält. Zudem hat, sagt man, der Beamtenstand Die Presse heute ganz in seiner Hand. Ein simpler Nasenstüber kann mich fällen, Wenn er in jener großen Zeitung steht, Die nach der Art Simsonischer Gesellen Brutal und ränkevoll zu Werke geht, – Und das am Schluß des Vierteljahrs zumal –
Falk (mit Entgegenkommen.)
Doch Ihre Sache war ja kein Skandal!
Strohmann (zaghaft.)
Gleichviel! Das Blatt hat Raum für jede Sache,
Man schleppt mich doch auf den Altar der Rache.
Falk (launig.)
Der Strafe, meinen Sie, – und das mit Fug. Es schreitet eine Nemesis durchs Leben, Die sicher trifft, wenn auch oft spät genug, – Und keinem wird von ihr Pardon gegeben. Hat einer sich an der Idee vergangen, Die Presse sieht's mit Argusblick und packt Den Schuldigen, und stracks ist er gehangen.
Strohmann.
Du lieber Gott, wann schloß ich je Kontrakt
Mit der Idee, von der Sie immer reden!
Ich bin Familienvater, Ehemann, –
Ein Dutzend kleiner Kinder hängt mir an, –
Mein Tagwerk wäre sicher nicht für jeden.
Ich habe meinen Hof und meine Herden,
Ein ganzes Kirchspiel will beraten werden, –
Da wird gepflegt, geschoren und gefuttert,
Da wird gedüngt, gedroschen und gebuttert,
Der Magd, dem Küster soll man Orders geben, –
Wann hätt' ich Muße, der Idee zu leben?
Falk.
Ja, kehr'n Sie heim – was wollen Sie hier weiter! –
Und kriechen Sie in Ihre Strohbaracke!
Norwegens Jugend rüstet zur Attacke,
Der kühne Heerbann zählt schon tausend Streiter,
Und Morgenbrise füllt die stolze Flagge.
Strohmann.
Und kehrt' ich also, junger Mann, zurück,
Mit all den Meinen, ja mit all dem Glück,
Das eines kleinen Königs Glück mich deuchte, –
Was, glauben Sie, daß mir dies Heute nahm?
Kehrt' ich so reich zurück, als wie ich kam?
(Da Falk antworten will.)
Erlauben Sie, daß ich noch tiefer leuchte.
(Tritt näher.)
Es war einmal, da war ich jung wie Sie
Und wohl nicht minder keck und unerschrocken.
Da kam des Broterwerbs Monotonie, –
Das bräunt die Hand wohl, aber bleicht die Locken.
Mein Weltkreis war ein Kirchspiel hoch im Norden,
Mein Heim ein still Gebirgspfarrhaus geworden.
Mein Heim, Herr Falk! Ob Sie das Wort verstehn?
Falk (kurz.)
Bedaure.
Strohmann.
Ja, das hab' ich gleich gemeint.
Ein Heim ist da, wo reichlich Raum für zehn, Obwohl's dem Feind zu eng für zweie scheint. Ein Heim ist da, wo dein Gedankenleben Als wie ein Haufe Kinder spielt und springt, Und keine deiner Worte so verschweben, Daß nicht verwandte Antwort wiederklingt; Ein Heim ist, wo die Jahre dich zerhämmern, Doch niemand merkt, daß deine Haare graun, Wo dich Erinnerungen traut umdämmern, Wie Bergesrücken hinterm Walde blaun.
Falk (mit gezwungenem Spott.)
Sie werden warm –
Strohmann. Bei dem, was Sie verlachen!
So ungleich schuf uns zwei der liebe Gott.
Mir fehlt, womit Sie Glück und Schule machen; Doch wo ich siegte, würden Sie bankrott. Gewiß, was ist dem Adler drum zu tun, Ob hier, ob dort ein Wahrheitskörnlein liegt! Sie woll'n empor – ich kaum aufs Dach! Jenun, Der Vogel ward ein Aar –
Falk. Und der ein Huhn.
Strohmann.
Gut, gut, ein Huhn, – ich geb' mich gern besiegt.
Ich bin ein Huhn – nun wohl! Doch hab' ich einen
Schwarm Küchlein unterm Flügel – und Sie keinen,
Und hab' des Huhnes Herz und Heldentum,
Und wehr' mich, wenn man meine Brut gefährdet.
Ich weiß recht wohl, Sie halten mich für dumm,
Wenn sich Ihr Spruch nicht übler noch gebärdet
Und mich sogar gemeiner Habgier zeiht – –
Nun, deshalb zwischen uns kein weitrer Streit!
(Ergreift Falks Arm und fährt leise, aber mit steigender Kraft fort.)
Ja, gierig ward ich, dumm und stumpf in einem,
Doch gierig nur für sie, die Gott mir gab, Und dumm im Krieg mit Nüchternem und Kleinem, Und stumpf im weltverlaßnen Felsengrab. Doch immer, wenn der Stürme Wiederkehr Ein Boot voll Idealen kentern machte, Erschien ein ander Boot auf hohem Meer, Das neuen Lebenslohn zur Küste brachte. Für jeden Stern, der mir wie nasser Zunder Erlosch, für jeden Traum, der mir versank, Ward mir zum Trost ein kleines Gotteswunder, Und ich empfing des Herrn Geschenk voll Dank. Für die war's, daß wir kämpften, darbten, scharrten, Für die erklärt' ich selbst die heilige Schrift – Mein Kinderkreis, das war mein Blumengarten – Da kamen Sie mit Ihres Spottes Gift Und zeigten literarisch und ästhetisch, Daß eines Toren Wahn mein ganzes Glück, Daß meines Lebens Angelpunkt ein Fetisch – – Jetzt geben Sie mir meine Ruh' zurück, Jetzt, fordr' ich, sühnen Sie Ihr Sakrileg –
Falk.
Wie, ich soll Ihnen Sicherheiten geben? –
Strohmann.
Ein Stein des Zweifels fiel auf meinen Weg,
Und diesen Zweifel können Sie nur heben. Ich fühl' mich von den Meinen abgeschnitten, Die Fessel Ihrer Logik läßt nicht frei –
Falk.
Nun glauben Sie, ich könnt' mit Lügenbrei