Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Du zitterst.
Schwanhild.
Und du schweigst.
Falk. Wie meisterhaft –!
Schwanhild.
Er war zu arg.
Falk (vor sich hin.)
Er stahl mir meine Kraft.
Schwanhild.
Wie hart er traf.
Falk. Er wußte gut zu schlagen.
Schwanhild.
Als würd' ein Bau bis unten abgetragen, –
So war's.
(Ihm näher.)
Was schien uns alles aufgeschlossen,
Da uns die Welt zu Einsamen geprägt,
Und unsere Gedanken sich ergossen,
Wie Brandung nachts an stille Ufer schlägt.
Wie meinten wir schon jede Schlacht gewonnen,
Wie sahn wir uns auf ewig treu gesellt; –
Da kam er mit den Gaben dieser Welt –
Und pflanzte Zweifel, – und da war's zerronnen.
Falk (mit wilder Energie.)
Reiß es aus Deinem Herzen! Was er sprach,
Ist wahr für andre, – uns war es gelogen!
Schwanhild (schüttelt still das Haupt.)
Das Korn, das einmal Hagel niederbrach,
Kann niemals wieder hoch im Winde wogen.
Falk (mit hervorbrechender Angst.)
Doch wir –!
Schwanhild.
Was war's doch, was wir eben lernten?
Der Mensch, der Lüge sät, wird Tränen ernten.
Die andern, sagst Du? Glaubst Du, Lieber, nicht,
Daß so wie Du und ich ein jeder spricht,
Daß jeder sich als Blitzgefeiten achtet,
Den nie ein Sturm zu Boden schlagen wird,
Und dem, was fern am Horizonte nachtet,
Nie auf Gewitterschwingen tagen wird?
Falk.
Die andern plagen sich mit hundert Fragen;
Ich will nur Deine Liebe, sie allein.
Mag einer doch den andern überschrein, –
Ich will Dich still auf starken Armen tragen.
Schwanhild.
Und wenn nun diese Liebe doch einst bräche,
Was für ein Pfeiler rettet dann das Haus?
Hast Du dann das, was doch noch Glück verspräche?
Falk.
Nein, mit der Liebe wäre alles aus.
Schwanhild.
Und kannst Du mir Dein heilig Jawort geben,
Daß nie sie welken soll, sich nie verjähren,
Nein, daß sie, so wie heut, das ganze Leben Lang duften soll?
Falk (nach einer kurzen Pause.)
Sie dürfte lange währen.
Schwanhild (schmerzlich.)
O, "lange", "lange", – Wort, so arm, so trist!
Wie kann man Liebe so mit Maßen messen?
Das heißt, die Faust ihr um die Kehle pressen.
"Ich glaube, daß die Lieb' unendlich ist" –
Das Lied soll also schweigen, und statt dessen Soll sein: "Ich liebte Dich vor Jahresfrist." (Wie von einer mächtigen Eingebung emporgerichtet.) Nein, so soll unser Glückstag nicht verfärben, Wie hinter Wolken Abendglut verfahlt, Nein, unsre Sonne soll am Mittag sterben, Da sie in ihren schönsten Feuern strahlt!
Falk (erschrocken.)
Was willst Du, Schwanhild?
Schwanhild. Daß uns unverloren
Der Lenz sein treues Sonnenantlitz zeige,
Daß Deiner Seele Nachtigall nie schweige
Noch je vergess', daß sie in ihm geboren, –
Daß nie des Winters weite Leichendecke
Auf unsre Träume sinke, kalt und bleich, –
Daß unsre Lieb', die frohe, siegeskecke,
Kein Siechtum zehre, kein Verfall beflecke, –
Sie sterbe, wie sie lebte, jung und reich!
Falk (in tiefem Schmerz.)
Und fern von Dir – was war' mir da mein Leben!
Schwanhild.
Was wär' es bei mir, – wenn die Liebe fehlte?
Falk.
Ein Heim!
Schwanhild.
Wo sich das Glück mit Sterben quälte.
(Kraftvoll.)
Dir Frau zu sein, ward mir nicht Kraft gegeben, –
Es wäre nutzlos, wenn ich mir's verhehlte.
Die Lieb', als heitres Spiel, – das konnt' ich wagen,
Doch käm' ihr Ernst, ich würde bald versagen.
(Näher und mit wachsendem Feuer.)
Nun jubelten wir einen Lenzrausch lang, –
Nun kein Geträum', kein schlaffes Polsterliegen!
Laß Deinen Geist in brausendem Gesang
Mit jungen Göttern um die Wette fliegen!
Und ist es auch gekentert, unser Boot, –
Ein Brett blieb über Wasser, – keine Not!
Dem kühnen Schwimmer winken Lichtgestade!
Das Glück, das laß versinken, laß dem Tod, –
Doch unsre Liebe rührt – o Gott der Gnade, Der Du im Sturm ihr Retter warst! – kein Schade!
Falk.
O, ich versteh' Dich, Schwanhild! Aber muß
Es denn grad' jetzt sein, an den offnen Toren Der Welt, – grad' heut sein, wo der Sonnenkuß Des Frühlings eben unsren Bund geboren!
Schwanhild.
Grad' heut. Entscheiden wir's nicht heut, ja dann – Dann geht's nur noch bergab, nicht mehr bergan. Und wehe, werden wir einst auferstehn, Und werden uns vor unserm Richter sehn, Und wird er, als gerechter Gott, den Hort, Den er uns anvertraut, zurückbegehren, – Und wir, wir müssen mit dem düstren Wort "Verloren!" selber jeder Gnade wehren!
Falk (fest und entschlossen.)
So wirf den Ring fort!
Schwanhild (feurig.) Ja?
Falk. Ja, Schwanhild, ja!
Ich komme nur auf diesem Weg Dir nah! Wie erst dem Tod der ewige Tag entstrebt, Empfängt auch Lieb' erst wahren Lebens Ehren, Wenn sie, erlöst von Sehnsucht und Begehren, Zur Heimat der Erinnerung entschwebt! Ja, wirf ihn fort!
Schwanhild (jubelnd.)
So tat ich meine Pflicht!
Ich füllte Dein Gemüt mit Lied und Licht!
Flieg frei! Du hast Dich siegreich aufgeschwungen, –
Und Schwanhild hat ihr Schwanenlied gesungen!