Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Tür; Sigrid folgt ihnen auf dem Fuße.

      Frau Ragnhild. Hier herein!

      Margrete. Ja, hier ist's am dunkelsten.

      Frau Ragnhild ans Fenster tretend. Und hier kann man auf den Thingwall herniedersehen.

      Margrete vorsichtig hinausblickend. Ja, drunten hinter der Kirche sind sie alle versammelt. Wendet sich schluchzend ab. Da unten soll nun das geschehen, das so folgenschwer sein wird.

      Frau Ragnhild. Wer herrscht hier morgen in der Halle?

      Margrete. O schweig! Nie hätt' ich gedacht, einen so schweren Tag zu erleben.

      Frau Ragnhild. Der mußte kommen: Königsvormund zu sein, das war ein unzulängliches Geschäft für ihn.

      Margrete. Ja, – der mußte kommen; der Königsname allein konnte ihm nicht genügen.

      Frau Ragnhild. Von wem sprichst Du?

      Margrete. Von Håkon.

      Frau Ragnhild. Ich sprach vom Jarl.

      Margrete. Es gibt keine stattlicheren Männer als die beiden.

      Frau Ragnhild. Siehst Du Sigurd Ribbung? Wie arglistig er dasitzt, – recht wie ein Wolf in Ketten.

      Margrete. Ja, sieh –! Er faltet die Hände vor sich über dem Schwertknauf und stützt das Kinn darauf.

      Frau Ragnhild. Er beißt sich in den Schnurrbart und lacht –

      Margrete. Wie häßlich er lacht.

      Frau Ragnhild. Er weiß, niemand wird seine Sache vertreten – und das macht ihn so giftig. – Wer ist der Richtersmann, der jetzt redet?

      Margrete. Das ist Gunnar Grjonbak.

      Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?

      Margrete. Nein, er ist wohl für den König –

      Frau Ragnhild sieht sie groß an. Für wen, sagst Du?

      Margrete. Für Håkon Håkonsson.

      Frau Ragnhild blickt hinaus; nach kurzer Pause: Wo sitzt Guthorm Ingesson? – Ich seh' ihn nicht.

      Margrete. Hinter seinen Leuten, dort, ganz unten, – im langwallenden Mantel.

      Frau Ragnhild. Ja, dort.

      Margrete. Er sieht aus, als schäme er sich –

      Frau Ragnhild. Wohl der Mutter wegen.

      Margrete. Das hat Håkon nicht nötig.

      Frau Ragnhild. Wer spricht jetzt?

      Margrete hinausblickend. Tord Skolle, Richter zu Ranafylke.

      Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?

      Margrete. Nein, für – Håkon.

      Frau Ragnhild. Wie unbeweglich der Jarl dasitzt und zuhört!

      Margrete. Håkon scheint still, – aber doch zuversichtlich. Lebhaft. Stünde ein wildfremder Mann hier, er müßte die beiden unter all den tausend andern erkennen.

      Frau Ragnhild. Sieh, Margrete; Dagfinn schiebt Håkon einen vergoldeten Stuhl hin –

      Margrete. Paul Flida stellt ebenso einen hinter den Jarl –

      Frau Ragnhild. Håkons Leute wollen es verhindern!

      Margrete. Der Jarl hält den Stuhl fest –!

      Frau Ragnhild. Håkon fährt ihn zornig an – Sie tritt mit einem Schrei vom Fenster zurück. O Jesus Christus! Sahst Du die Augen – und das Lächeln –! Nein, das war nicht der Jarl!

      Margrete, die ebenfalls schaudernd zurückgefahren ist. Und auch nicht Håkon? Weder der Jarl noch Håkon!

      Sigrid am Fenster. O erbärmlich, erbärmlich!

      Margrete. Sigrid!

      Frau Ragnhild. Du bist da?

      Sigrid. So tief unten herum muß man schleichen, um auf den Königssitz hinauf zu gelangen!

      Margrete. O, bete mit uns, daß sich alles zum besten wende.

      Frau Ragnhild bleich und erschrocken zu Sigrid. Sahst Du ihn –? Sahst Du meinen Eheherrn –? Die Augen und das Lächeln, – ich hätte ihn nicht erkannt!

      Sigrid. Glich er Sigurd Ribbung?

      Frau Ragnhild leise. Ja, er glich Sigurd Ribbung!

      Sigrid. Lachte er wie Sigurd?

      Frau Ragnhild. Ja, ja!

      Sigrid. Dann laßt uns alle beten.

      Frau Ragnhild mit der Kraft der Verzweiflung. Der Jarl muß zum König erkoren werden! Er leidet Schaden an seiner Seele, wenn er nicht der erste Mann im Lande wird!

      Sigrid kräftiger. Dann laßt uns alle beten!

      Frau Ragnhild. Still! was ist das? Am Fenster. Was für Rufe! Alle Männer haben sich erhoben – alle Banner und Zeichen flattern im Winde.

      Sigrid ihren Arm packend. Bete, Weib! Bete für Deinen Eheherrn!

      Frau Ragnhild. Ja, heiliger Olaf, gib ihm alle Macht in diesem Lande!

      Sigrid leidenschaftlich. Keine, – keine! Sonst wird er nimmer gerettet!

      Frau Ragnhild. Er muß die Macht haben. Alles Gute in ihm wird wachsen und blühen, wenn er sie bekommt –. Sieh hinaus, Margrete! Hör' hin! Sie weicht einen Schritt zurück. Alle Hände erheben sich zum Schwur!

      Margrete lauscht am Fenster.

      Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem gilt das?

      Sigrid. Bete!

      Margrete lauscht und gebietet mit erhobener Hand Schweigen.

      Frau Ragnhild nach einer Weile. Sprich! Hörner- und Lurenschall vom Thingwalle.

      Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem galt das?

      Kurze Pause.

      Margrete wendet den Kopf und spricht: Nun haben sie Håkon Håkonsson zum König erkoren. Die Musik des Königszuges fällt ein, zuerst gedämpft, dann näher und näher. Frau Ragnhild klammert sich schluchzend an Sigrid, die sie still hinausführt nach rechts; Margrete bleibt unbeweglich am Fenster stehen, gelehnt an den Rahmen. Die Leute des Königs öffnen die Flügeltür; man blickt in die Halle, die allmählich der Zug vom Thingwalle füllt.

      Håkon wendet sich in der Tür zu Ivar Bodde um. Bring mir Schreibfeder und Wachs und Seide, – Pergament hab' ich schon. Er geht in lebhafter Bewegung zum Tische und legt einige Pergamentrollen darauf. Margrete, jetzt bin ich König!

      Margrete. Ich grüße meinen Herrn und König.

      Håkon. Dank! – Er schaut sie an und ergreift ihre Hand. Verzeiht – ich dachte nicht daran, daß es Euch kränken mußte.

      Margrete zieht die Hand zurück. Es hat mich nicht gekränkt – Ihr seid gewißlich zum König geboren.

      Håkon lebhaft. Ja, muß nicht ein jeglicher das sagen, wenn er bedenkt, wie wunderbar Gott und die Heiligen mich wider alles Böse beschirmt haben? Als ich ein Jahr alt war, trugen die Birkebeiner mich in Frost und Unwetter übers Gebirge und mitten durch die hindurch, die mir nach dem Leben trachteten. In Nidaros entkam ich unverletzt den Baglern, als sie die Stadt verbrannten und so viele von den Unsern erschlugen, während König Inge sich selbst mit Not an Bord eines Schiffes rettete, indem er am Ankertau emporklomm.

      Margrete. Ihr hattet eine harte Jugend.

      Håkon blickt sie fest an. Mich will jetzt bedünken, Ihr hättet sie mir freundlicher machen können.

      Margrete Ich?

      Håkon. Ihr hättet mir eine so gute Pflegeschwester sein können in all den Jahren, da wir miteinander aufwuchsen!

      Margrete.


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