Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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beugt Ihr Euch! Richtet Euch auf, Mann – werft den Nacken empor! Wozu ward Euch sonst Eure unbändige Seele? Denkt daran, daß die erste große Tat der Welt von Einem vollführt wurde, der sich wider ein gewaltiges Reich erhob!

      Jarl Skule. Wen meint Ihr?

      Bischof Nikolas. Den Engel, der sich wider das Licht erhob!

      Jarl Skule. Und der in den tiefsten Abgrund geschleudert wurde –

      Bischof Nikolas leidenschaftlich. Und da ein Reich erschuf und König wurde, ein mächtiger König, – mächtiger als einer der zehntausend – Jarle dort oben! Er sinkt auf eine Bank am Zechtische.

      Jarl Skule blickt ihn lange an und spricht: Bischof Nikolas, seid Ihr mehr oder seid Ihr weniger als ein Mensch?

      Bischof Nikolas lächelt. Ich bin im Unschuldsstand: ich kenne nicht den Unterschied zwischen gut und böse.

      Jarl Skule halb für sich. Weshalb setzten sie mich in die Welt, wenn sie für mich kein besseres Los bereit hatten? Håkon hat einen so festen und unerschütterlichen Glauben an sich selbst, – all seine Mannen haben einen so festen und unerschütterlichen Glauben an ihn –

      Bischof Nikolas. Verbergt, daß Ihr keinen solchen Glauben an Euch selber habt. Redet, als hättet Ihr ihn; schwört hoch und teuer, daß Ihr ihn habt, – und alle werden an Euch glauben.

      Jarl Skule. Hätt' ich einen Sohn! Hätt' ich einen Sohn, der bei meinem Tode das große Erbe antreten könnte!

      Bischof Nikolas lebhaft. Jarl, – und wenn Ihr einen Sohn hättet?

      Jarl Skule. Ich habe keinen.

      Bischof Nikolas. Håkon bekommt Söhne.

      Jarl Skule ballt die Hände. Und ist von königlicher Geburt!

      Bischof Nikolas steht auf. Jarl, – wenn er's nicht wäre?

      Jarl Skule. Er hat's ja erhärtet –; die Eisenprobe –

      Bischof Nikolas. Und wenn er's nicht wäre, – trotz der Eisenprobe?

      Jarl Skule. Wollt Ihr sagen, Gott habe gelogen, als er die Eisenprobe gelingen ließ?

      Bischof Nikolas. Wofür getraute sich Inga von Vartejg das Gottesurteil anzurufen?

      Jarl Skule. Daß das Kind, das sie in Borgasyssel geboren, Håkon Sverressons Sohn wäre.

      Bischof Nikolas nickt, sieht sich um und sagt leise: Und wenn nun König Håkon nicht dieses Kind wäre?

      Jarl Skule fährt einen Schritt zurück. Allmächtiger –! Faßt sich. Das ist undenkbar.

      Bischof Nikolas. Hört mich an, Jarl. Ich bin sechsundsiebenzig Jahr alt; immer rascher geht's nun mit mir bergab, und diese Sache wage ich nicht mit dahinüber zu nehmen –

      Jarl Skule. Sprecht, sprecht! Ist er nicht Håkon Sverressons Sohn?

      Bischof Nikolas. Hört mich an. Es wurde damals niemand kund gemacht, daß Inga eines Kindes genesen sollte. Håkon Sverresson war eben gestorben, und wahrscheinlich fürchtete sie sich vor Inge Bårdsson, der jetzt König war, und vor Euch, – nun ja, auch wohl vor den Baglern. In aller Stille kam sie nieder im Haus des Pfarrers Trond, ostwärts in der Heggenharde, und neun Tage darauf reiste sie heim; aber das Königskind blieb ein ganzes Jahr bei dem Pfarrer, ohne daß sie es sehen durfte, und ohne daß einer darum wußte, ausgenommen Trond und seine beiden Söhne.

      Jarl Skule. Ja, ja, – und weiter?

      Bischof Nikolas. Als das Kind ein Jahr alt war, konnte die Sache nicht gut länger verheimlicht werden. Inga vertraute sich also Erlend von Huseby an, – einem alten Birkebeiner aus Sverres Zeit – wißt Ihr.

      Jarl Skule. Nun?

      Bischof Nikolas. Der und ein paar andere Häuptlinge ans den Oberlanden holten das Kind, fuhren mitten im Winter übers Gebirge mit ihm und brachten es zum König, der damals in Nidaros saß.

      Jarl Skule. Und doch könnt Ihr sagen, daß –?

      Bischof Nikolas. Eine große Gefahr, könnt Ihr wohl denken, mußt' es für einen geringen Priester sein, ein Königskind großzuziehen. Gleich nach des Kindes Geburt beichtete er daher einem seiner Kirchenoberen und erbat sich dessen Rat. Dieser sein Oberer gebot Trond, das Kind heimlich zu vertauschen, den rechten Königssohn an einen sicheren Ort zu bringen und Inga den falschen zu übergeben, wenn sie oder die Birkebeiner später das Kind begehrten.

      Jarl Skule empört. Und wer war der Schurke, der solches riet?

      Bischof Nikolas. Das war ich.

      Jarl Skule. Ihr? Ja, Ihr habt immer Sverres Geschlecht gehaßt.

      Bischof Nikolas. Unsicher schien mir's, den Königssohn in Eure Hände zu geben.

      Jarl Skule. Der Priester aber?

      Bischof Nikolas. Gelobte zu tun, wie ich befohlen hatte.

      Jarl Skule packt ihn am Arm. Und Håkon ist das falsche Kind?

      Bischof Nikolas. Wenn der Priester sein Gelübde gehalten hat.

      Jarl Skule. Wenn er's gehalten hat?

      Bischof Nikolas. Der Pfarrer Trond verließ das Land im selben Winter, als das Kind zu König Inge kam. Er wallte nach Thomas Becketts Grab und blieb dann in England bis zu seinem Tode.

      Jarl Skule. Er verließ das Land, sagt Ihr! So hat er das Kind vertauscht und die Rache der Birkebeiner gefürchtet.

      Bischof Nikolas. Oder er hat es nicht vertauscht, und meine Rache gefürchtet.

      Jarl Skule. Und was glaubt Ihr?

      Bischof Nikolas. Das eine ist eben so glaubhaft wie das andere.

      Jarl Skule. Aber die Pfarrerssöhne, die Ihr erwähntet?

      Bischof Nikolas. Sie zogen mit den Kreuzfahrern ins heilige Land.

      Jarl Skule. Und hat niemand seit der Zeit etwas von ihnen gehört?

      Bischof Nikolas. Ja.

      Jarl Skule. Wo sind sie?

      Bischof Nikolas. Sie ertranken im griechischen Meer auf der Hinfahrt.

      Jarl Skule. Und Inga –?

      Bischof Nikolas. Weiß nichts – weder von der Beichte des Pfarrers noch von meinem Rat.

      Jarl Skule. Ihr Kind, sagtet Ihr, war erst neun Tage alt, da sie aufbrach?

      Bischof Nikolas. Ja; und das Kind, das sie wiedersah, war über ein volles Jahr –

      Jarl Skule. So gibt es auf der Welt keinen, der in diese Sache Licht bringen könnte! Er geht mehrmals heftig auf und nieder. Allmächtiger Gott, kann das Wahrheit sein? Håkon, – der König, – er, der Land und Reich regiert, er sollte nicht der Erbgeborene sein! – Und warum wäre das so unwahrscheinlich? Hat ihn nicht jegliches Glück wunderbar begleitet? – warum denn nicht auch das Glück, als Kind aus der Hütte eines armen Kätners genommen und in die Wiege des Königskindes gelegt zu werden –

      Bischof Nikolas. Während das ganze Volk glaubt, er sei der Königssohn –

      Jarl Skule. Während er selbst es glaubt, Bischof, – das ist das wesentliche des Glückes, das ist der Stärkegürtel! Tritt ans Fenster. Seht nur, wie schön er zu Rosse sitzt! Keiner tut's ihm gleich. Es lacht und blitzt wie Sonnenschein aus seinen Augen – er schaut in den Tag hinein, als fühle er sich dazu geschaffen, vorwärts, immer vorwärts zu schreiten. Sich zum Bischof umwendend. Ich bin ein Königsarm, allenfalls auch ein Königshaupt, er aber ist der ganze König.

      Bischof Nikolas. Und ist es vielleicht doch nicht.

      Jarl Skule. Ja, vielleicht doch nicht –.

      Bischof Nikolas legt ihm die Hand auf die Schulter. Jarl, hört mich an –

      Jarl Skule fährt fort, hinauszublicken. Da sitzt die Königin. Håkon spricht sanft mit ihr; sie


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