Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
gedämpfter Stimme, indem sie dicht an ihn herantritt:) kommst Du doch nicht weiter, als sie will. (Sie geht nach rechts hinüber.)
Signe (leise.) O Gott, o Gott!
Bengt (geht vergnügt unter den Gästen umher.) Hahaha! Frau Margit versteht so etwas zusammenzusetzen. Wenn sie erst einmal will, so macht sie's viel besser als ich.
Gudmund (für sich.) Sie droht mir. Ich muß ihr die letzte Hoffnung rauben; eher beruhigt sich ihr Gemüt nicht. (Wendet sich zu den Gästen.) Ich kenn' ein kleines Lied. Wenn Ihr Lust habt, es zu hören, so –
Mehrere Gäste. Bitte, bitte, Gudmund Alfsön!
(Man schließt um ihn einen Kreis; einige sitzen, andere stehen. Margit lehnt an einem Baum rechts vorn. Signe steht links in der Nähe des Hauses.)
Gudmund (singt:) Ich ritt durch weite Wälder, Ich fuhr nach fremdem Strand; Doch meine Braut, die freit' ich mir Im lieben Heimatland.
Da war eine böse Elfe,
Die wollt' vor Neid vergehn:
Nie soll mit ihm sein feines Lieb
Am Traualtare stehn.
Hör' mich, Du böse Elfe,
Was machst Du Dir Beschwer?
Zwei Herzen, die in Liebe eins,
Die trennst Du nimmermehr!
Ein alter Mann. Das ist ein schönes Lied! Schau', wie die jungen Burschen verstohlen dort hinüber gucken. (Zeigt auf die Mädchen.) Ja, ja, jeder hat schon die seine, glaub's wohl.
Bengt (macht Margit Zeichen.) Ja, und ich hab' die meine, das weiß ich genau. Hahaha!
Margit (leise, bebend.) O, all den Spott und Hohn dulden zu müssen! Nein, nein! Nun muß ich das Äußerste versuchen.
Bengt. Was fehlt Dir? Du bist ja so blaß.
Margit. Es geht bald vorüber. (Wendet sich zu den Gästen.) Mir ist, als ob ich vorhin gesagt hätte, ich hätte all meine Geschichten vergessen. Aber eine ist mir doch noch eingefallen.
Bengt. Recht so, mein Frauchen! Heraus damit!
Junge Mädchen (bittend.) Ja, erzählt, erzählt, Frau Margit!
Margit. Fast bin ich bange, daß sie Euch wenig gefallen wird; aber sei dem nun, wie ihm wolle.
Gudmund (leise.) Alle Heiligen, sie will doch wohl nicht –
Margit. Es saß einmal eine Jungfrau fein
Wohl auf ihres Vaters Schloß;
Sie säumte Seide, sie säumte Lein, –
Trübeinsamkeit war ihr Genoß.
Sie ging so verlassen und freudlos umher
In den leeren Stuben und Sälen;
Doch nährte ihr Herze gar hohes Begehr,
Nur einen vom Adel zum Manne zu wählen. –
Da stieg Bergkönig aus seinem Schacht
Und kam mit Gold und Mannen
Und führte des dritten Tages Nacht
Sie – als sein Weib – von dannen.
Nun saß sie im Berge und ließ sich den Met
Aus goldenem Horne entgegenschäumen,
Das Tal lag da wie ein blühendes Beet, –
Sie sah seine Pracht nur in Träumen. –
Da war ein Spielmann, jung und fein,
Sang draußen im Lichte der Sonnen;
Das klang bis zum Schoße der Felsen hinein,
Wo ihr Sommer um Sommer verronnen
So wundersam löste sich nun ihre Qual; –
Auf sprang das Bergtor in weitem Bogen;
Gottvaters Friede lag über dem Tal,
Nun ward ihr Auge um nichts mehr betrogen.
Ihr war, als sei bei des Harfentons Macht
Zum ersten Male ihr Herz erwacht,
Als ob ihr nun erst erschlossen werde,
Wie reich, wie überreich die Erde.
Nun müßt ihr wissen allesamt, –
Den, der zum Felsenkerker verdammt,
Kann Harfenspiel leicht vom Banne befrein!
Nun sah er sie schmachten, hörte sie schrein, –
Doch er warf seine Harfe in seinen Kahn,
Zog seidene Segel auf seine Rah'n
Und steuerte über das salzige Meer
Samt seiner Braut – auf Niewiederkehr.
(In steigender Leidenschaft.) Du rührtest so herrlich der Saiten Gold, – Nun ward ich dem Leben von neuem hold! Ich muß fort, ich muß fort in die grünen Tale! Ich sterbe da drinnen im steinernen Saale! Er spottet nur mein! Er umfaßt sie, er Flieht mit ihr über das salzige Meer. (Schreit auf.) Mit mir ist es aus; die Felsen winken! Sonne leuchtet nicht mehr; alle Sterne versinken. (Sie wankt und sinkt ohnmächtig an einen Baum.)
Signe (ist weinend hinzugeeilt, um sie in ihren Armen aufzufangen.) Margit! Schwester!
Gudmund (zugleich, stützt sie.) Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie stirbt!
(Bengt und die Gäste scharen sich unter Ausrufen des Schreckens um sie.)
DRITTER AKT
(Die große Stube auf Solhaug wie im ersten Akt, aber jetzt vom Fest her in Unordnung. Es ist noch immer Nacht; eine milde Dämmerung ist über das Zimmer und die Landschaft draußen gebreitet.)
(Bengt steht auf der offenen Außengalerie, einen Bierhumpen in der Hand. Eine Schar Gäste ist im Begriff, das Schloß zu verlassen. In der Stube geht eine Magd umher und räumt auf.)
Bengt (ruft den Fortziehenden nach.) Also, Gott mit Euch, und ein froh Wiedersehen auf Solhaug! Ihr hättet sonst wirklich hier bleiben und ausschlafen können, ebensogut wie die andern. Na ja, ja –; nein wartet! Ich komm' noch bis zur Pforte mit; ich muß Euch doch noch einmal zutrinken. (Geht ab.)
Die Gäste (singen, sich entfernend:) B'hüt Gott und Lebwohl Euch insgemein Hier hinter Solhaugs Türen! Nun ziehn wir hin über Stock und Stein; – Frisch auf! Die Fiedel mag führen! Bei Tanz und Gesang Wird der Heimweg uns nicht so schwer und lang. Hei, lustig dahin!
(Der Gesang verliert sich mehr und mehr in der Ferne. Margit tritt durch die Tür links in die Stube.)
Die Magd. Jesus Christus, Frau, Ihr seid schon auf?
Margit. Ich bin frisch und munter; Du kannst hinunter gehen und Dich schlafen legen. Halt! Sag' mir: sind schon alle Gäste fort?
Die Magd. Nein, nicht alle; ein Teil ist über Nacht geblieben. Die schlafen gewiß schon.
Margit. Und Gudmund Alfsön –?
Die Magd. Er schläft wohl auch. (Zeigt nach rechts.) Eben vorhin ging er in seine Kammer, dort, gleich überm Gang.
Margit. Gut; Du kannst gehn.
(Die Magd links ab.)
(Margit geht langsam durch die Stube, setzt sich an den Tisch rechts und blickt zum offenen Fenster hinaus.)
Margit. Wenn es tagt, so zieht wohl Gudmund hinaus, –
Und