Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Wenn es sich verhält, wie wir beide glauben, so darf Nils Lykke um keinen Preis Oestrot so bald wieder verlassen.

      Olaf sieht sie mißbilligend an. Seid Ihr schon wieder auf krummen Wegen, Frau Inger? Was führt Ihr da im Schilde? Wollt Ihr Eure Macht zu unserm Schaden vergrößern –?

      Inger. O, über diese Kurzsichtigkeit, die Euch alle so unbillig macht gegen mich! Ihr glaubt doch wohl nicht, ich wollte Nils Lykke zu meinem Eidam wählen? Wenn das in meiner Absicht läge – würd' ich mich dann weigern, Teil zu nehmen an den Dingen, die sich jetzt in Schweden vorbereiten, und die Nils Lykke und der ganze dänische Anhang zu unterstützen bereit scheinen?

      Olaf. Aber wenn es nicht Euer Wunsch ist, Nils Lykke zu Euch herüber zu ziehen, – was habt Ihr dann mit ihm vor?

      Inger. Das will ich Euch mit wenig Worten erklären. In einem Brief an mich hat Nils Lykke es als ein Glück gepriesen, wenn er in unsere Sippe kommen könnte; und ich will so ehrlich sein, zu bekennen, daß ich wirklich einen Augenblick über diese Sache nachgedacht habe.

      Olaf. Nun, seht Ihr wohl!

      Inger. Nils Lykkes Verbindung mit meinem Hause wäre das wirksamste Mittel, viele Uneinige hier im Lande zu versöhnen.

      Olaf. Mich dünkt, die Verheiratung Eurer Tochter Merete mit dem Grafen Vincent Lunge hätte Euch bewiesen, wie solche Mittel wirken. Kaum hatte Herr Lunge festen Fuß gefaßt bei Euch, als er Güter und Gerechtsame an sich riß –

      Inger. Ach, ich weiß das, Olaf Skaktavl! Aber zuweilen durchkreuzen so mancherlei Gedanken meinen Kopf. Ich kann mich keinem völlig anvertrauen, nicht einmal Euch. Oft weiß ich nicht, was für mich das Rechte ist. Und doch – zum zweitenmal einen dänischen Ritter zu meinem Eidam zu machen, das ist ein Ausweg, den ich nur in der äußersten Not beschreiten würde, und – der Himmel sei gepriesen! – so weit ist es noch nicht gekommen!

      Olaf. Ich bin so klug wie zuvor, Frau Inger. – Warum wollt Ihr Nils Lykke auf Oestrot zurückhalten?

      Inger mit leiser Stimme. Weil ich einen tiefen, tiefen Groll gegen ihn habe. Nils Lykke hat mich blutiger gekränkt, als je ein Mensch mich kränkte. Ich kann Euch nicht sagen, was es ist; aber ich habe nicht Ruhe, bis ich Rache an ihm genommen habe. Versteht Ihr mich nicht? – Gesetzt, Nils Lykke wäre meiner Tochter gut; ich halte das nicht für so undenkbar. Ich werde ihn bestimmen, hier zu bleiben. Er wird Eline näher kennen lernen; sie ist klug und schön –. Ha, wenn er dann mit heißer Liebe im Herzen vor mich hinträte und um ihre Hand bäte – dann ihn fortzujagen wie einen Hund, fortzujagen mit Spott, mit Hohn, mit Verachtung und laut durchs ganze Land zu rufen, Nils Lykke hatte vergebens auf Oestrot zu werben versucht – ich sag' Euch, ich gäbe zehn Jahre meines Lebens, wenn ich diese Stunde erlebte!

      Olaf. Hand aufs Herz, Inger Gyldenlöve, – das also habt Ihr mit ihm vor?

      Inger. Das und nichts anderes – so wahr Gott lebt! Ihr dürft mir trauen, Olaf Skaktavl, ich mein' es ehrlich mit meinen Landsleuten. Aber ich bin zu wenig mein eigner Herr. Es gibt Dinge, die geheim bleiben müssen, wenn ich nicht zu Tode getroffen werden soll. Doch bin ich erst von dieser Seite sicher, dann sollt Ihr erfahren, ob ich vergessen habe, was ich an Knut Alfsöns Bahre geschworen habe.

      Olaf schüttelt ihre Hand. Dank für das, was Ihr mir da gesagt habt! Ich möchte so ungern schlecht von Euch denken. – Doch was Euer Vorhaben mit dem Ritter betrifft, so dünkt mich, Ihr wagt ein gefährliches Spiel. Wenn Ihr Euch nun verrechnet hättet? Wenn Eure Tochter –? Sagt man doch, daß kein Weib diesem geschmeidigen Teufel zu widerstehen vermag.

      Inger. Meine Tochter? Ihr glaubt, sie würde –? Nein, seid unbesorgt. Ich kenne Eline besser. Alles, was sie zu seinem Preis gehört, das hat sie mit Haß gegen ihn erfüllt. Ihr habt ja mit Euren eignen Ohren vernommen –

      Olaf. Allerdings – doch Weibersinn ist ein gar unsicherer Baugrund. Ihr solltet Euch doch vorsehen.

      Inger. Das will ich auch; ich werde auf beide ein wachsam Auge haben. Und sollt' es ihm dennoch gelingen, sie in seinem Garn zu fangen, so brauch' ich ihr nur ein Wort ins Ohr zu flüstern, und –

      Olaf. Und?

      Inger. – und sie wird ihn fliehen wie einen Sendung des höllischen Versuchers. – Still, Olaf Skaktavl! Da kommt er. Seid jetzt besonnen.

      Nils Lykke kommt aus der ersten Tür rechts.

      Nils Lykke geht höflich auf Inger zu. Meine edle Herrin hat mich rufen lassen.

      Inger. Durch meine Tochter hab' ich erfahren, daß Ihr uns noch in dieser Nacht verlassen wollt.

      Nils Lykke. Leider. Mein Geschäft auf Oestrot ist ja erledigt.

      Olaf. Nicht, bis ich meine Papiere bekommen habe.

      Nils Lykke. Ganz recht. Fast hätt' ich von meinem Geschäft das Wichtigste vergessen. Aber das ist auch die Schuld unsrer edlen Wirtin. Bei Tisch wußte sie ihre Gäste so klug und angenehm zu unterhalten –

      Inger. Daß Ihr vergessen habt, weshalb Ihr gekommen seid? Das freut mich; denn gerade dies war meine Absicht. Ich dachte, soll mein Gast, Nils Lykke, sich heimisch auf Oestrot fühlen, so muß er –

      Nils Lykke. Was, edle Frau?

      Inger. – vor allen Dingen seinen Auftrag vergessen und alles, was seiner Sendung voranging.

      Nils Lykke zu Olaf, indem er das Paket hervorzieht und es ihm reicht. Die Papiere vom Kanzler Peter. Ihr werdet darin vollständige Aufklärungen über unsre Anhänger in Schweden finden.

      Olaf. Das ist gut.

      Er setzt sich an den Tisch links, wo er das Paket öffnet und durchblättert.

      Nils Lykke. Und nun, Frau Inger – nun wüßt' ich nicht, was es hier noch für mich zu tun gäbe.

      Inger. Sofern uns einzig und allein Staatsgeschäfte zusammengeführt haben, habt Ihr freilich recht. Doch möcht' ich das kaum glauben.

      Nils Lykke. Ihr meint?

      Inger. Ich meine, nicht ausschließlich als dänischer Reichsrat oder als Verbündeter des Kanzlers kam Nils Lykke mich zu besuchen. – Sollt' ich irren, wenn ich mir einbildete, daß Ihr in Dänemark manches gehört haben könntet, was Euch neugierig machte, die Herrin von Oestrot näher kennen zu lernen?

      Nils Lykke. Es sei fern von mir zu leugnen –

      Olaf in den Papieren blätternd. Sonderbar! Kein Brief.

      Nils Lykke. – Inger Gyldenlöves Ruf ist zu weit verbreitet, als daß ich nicht schon längst begehrt haben sollte, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen.

      Inger. Ich dacht' es. Aber reicht dann eine Stunde, beim Nachtmahl vertändelt, aus? – Durch das, was zwischen uns war, wollen wir einen Strich zu machen versuchen. Es möchte dem Nils Lykke, den ich kenne, gelingen, einen Schleier über das zu breiten, was ein Nils Lykke beging, den ich nicht gekannt habe. Verlängert doch Euren Aufenthalt um einige Tage, Herr Reichsrat! Olaf Skaktavl darf ich nicht zureden. Hat er doch seine geheimen Geschäfte in Schweden. Jedoch was Euch betrifft – Ihr habt gewiß alles so hübsch vorbereitet, daß Eure Anwesenheit kaum vonnöten sein wird. Glaubt mir, es wird Euch die Zeit bei uns nicht lang werden. Wenigstens wollen ich und meine Tochter alles aufbieten, Euch ein recht inniges Behagen zu verschaffen.

      Nils Lykke. Ich zweifle weder an Eurer, noch an Eurer Tochter freundlichen Gesinnung gegen mich. Davon hab' ich vollgültige Beweise empfangen. Aber Ihr werdet gewiß überzeugt sein, daß meine Gegenwart anderswo unumgänglich nötig ist, wenn ich trotz alledem erkläre, meinen Aufenthalt auf Oestrot unmöglich verlängern zu können.

      Inger. Wirklich nicht? – Ei, Herr Reichsrat, wenn ich boshaft wäre, könnt' ich fast glauben, daß Ihr nach Oestrot gekommen seid, um mit mir eine Lanze zu brechen, und daß es Euch, nachdem Ihr verloren habt, nicht angenehm ist, länger auf dem Kriegsschauplatz unter den Zeugen Eurer Niederlage zu verweilen.

      Nils Lykke. Eure Deutung möchte nicht ganz unbegründet sein; aber so viel ist gewiß, daß ich die Schlacht


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