Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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wieder auswetzen. Seht doch selbst, wie schwankend und unentschlossen ich am Scheidewege stehe – wie ich sogar meinen gefährlichen Angreifer zu überreden suche, das Feld nicht zu räumen. – Nun, offen gesagt, die Sache ist die: Eure Verbindung mit den Mißvergnügten in Schweden kommt mir ein wenig – ja, wie soll ich es nur nennen? – ein wenig wunderlich vor, Herr Reichsrat! Ich sag' Euch das ohne Umschweife, lieber Herr. Der Gedanke, der den Rat des Königs bei diesem heimlichen Schritt geleitet hat, dünkt mich zwar sehr gescheit, aber er widerspricht doch sehr dem Verhalten Eurer Landsleute während der vergangenen Jahre. Darum darf es Euch nicht kränken, wenn mein Vertrauen in Eure Zusagen noch nicht so fest ist, daß ich Gut und Leben in Eure Hände legen möchte.

      Nils Lykke. Zu diesem Endzweck würde ein längerer Aufenthalt auf Oestrot auch nicht von Nutzen sein; denn ich will keinen weitern Versuch machen, Euch in Eurem Entschluß zu erschüttern.

      Inger. Dann beklag' ich Euch von ganzem Herzen. Ja, Herr Reichsrat, – wohl steh' ich als unberatene Witwe hier; aber Ihr könnt mir aufs Wort glauben, und ich weissage Euch: es werden Euch Dornen erwachsen aus Eurer Fahrt nach Oestrot.

      Nils Lykke mit einem Lächeln. Weissagt Ihr das, Frau Inger?

      Inger. Gewiß! Was wird man wohl sagen, lieber Herr? Die Menschen sind ja heutzutage solche Lästerzungen. Mehr als ein Spottvogel wird Schmähweisen auf Euch dichten; ehe noch ein halbes Jahr vergangen ist, werdet Ihr in der Leute Munde sein; man wird auf der Landstraße stehen bleiben und Euch nachblicken. »Seht«, wird man sagen, »seht, da reitet Herr Nils Lykke, der hinauf nach Oestrot zog, um Inger Gyldenlöve zu fangen, und der in seiner eignen Schlinge hängen geblieben ist.« – Na, na, nicht so ungeduldig, Herr Ritter! Das ist ja nicht meine Ansicht; aber alle schlimmen und boshaften Menschen werden so urteilen – und deren gibt es leider mehr als genug. Schlimm ist das, aber wahr und gewiß: Spott wird Euer Lohn sein, Spott, daß ein Weib gescheiter war als Ihr. »Listig wie ein Fuchs schlich er nach Oestrot«, wird man sagen, »beschämt wie ein Hund kroch er wieder von dannen.« – Und noch eins: glaubt Ihr nicht, der Kanzler und seine Freunde werden Euern Beistand verschmähen, wenn es ruchbar wird, daß ich mich nicht unter Eurer Fahne zu kämpfen getraue?

      Nils Lykke. Ihr sprecht wohlbedacht, edle Frau. Und um mich nicht dem Spott auszusetzen, – ferner, um nicht die Unterstützung der lieben Freunde in Schweden zu verwirken, so bin ich genötigt, –

      Inger rasch. – Euren Aufenthalt auf Oestrot zu verlängern?

      Olaf, der gelauscht, leise. Jetzt geht er in die Falle!

      Nils Lykke. Nein, meine edle Frau – ich bin genötigt, mich noch in dieser Stunde mit Euch zu einigen.

      Inger. Und falls Euch das nun nicht glücken sollte?

      Nils Lykke. Es wird glücken.

      Inger. Ihr scheint Eurer Sache sicher zu sein.

      Nils Lykke. Was gilt die Wette, daß Ihr auf meinen und des Kanzlers Vorschlag eingeht?

      Inger. Hof Oestrot gegen Eure Schuhschnallen!

      Nils Lykke schlägt sich an die Brust und ruft: Olaf Skaktavl – hier seht Ihr den Herrn von Oestrot!

      Inger. Herr Reichsrat –!

      Olaf erhebt sich vom Tisch. Was nun?

      Nils Lykke zu Inger. Eure Wette nehm' ich nicht an; denn im nächsten Augenblick werdet Ihr mir gern Oestrot schenken und noch mehr dazu, um Euch aus der Schlinge zu ziehen, in der Ihr sitzt, nicht ich.

      Inger. Euer Spaß, Herr, fängt an recht lustig zu werden.

      Nils Lykke. Er wird noch lustiger – wenigstens für mich. – Ihr pocht darauf, mich überlistet zu haben, droht mir, Hohn und Spott der Welt auf mich zu laden. Ah, Ihr solltet Euch hüten, meine Rachelust zu nähren; denn mit zwei Worten kann ich Euch in die Knie, vor meine Füße niederzwingen.

      Inger. Haha! Hält plötzlich inne, wie von einer Ahnung ergriffen. Und diese zwei Worte, Nils Lykke? Diese zwei Worte –

      Nils Lykke. – sind das Geheimnis von Eurem und Sten Stures Sohn.

      Inger mit einem Schrei. Barmherziger Gott –!

      Olaf. Inger Gyldenlöves Sohn? Was sagt Ihr?

      Inger halb in den Knien vor Nils Lykke. Gnade! O, seid barmherzig –!

      Nils Lykke hebt sie auf. Kommt zu Euch und laßt uns besonnen miteinander reden.

      Inger mit leiser Stimme und halb wie geistesabwesend. Habt Ihr's gehört, Olaf Skaktavl? Oder war es nur ein Traum? Habt Ihr gehört, was er sagte?

      Nils Lykke. Es war kein Traum, Frau Inger.

      Inger ringt die Hände. Und Ihr wißt es! Ihr! – Ihr! Aber wo habt Ihr ihn denn? Wo habt Ihr ihn? Was wollt Ihr mit ihm machen? Schreit auf: Tötet ihn nicht, Nils Lykke! Gebt ihn mir wieder! Tötet ihn mir nicht!

      Olaf. Ah, jetzt fang' ich an, zu begreifen –

      Inger. Und diese Angst –; dieses lastende Entsetzen, – ich hab' es Jahr um Jahr mit mir herumgetragen! – Und nun soll alles, alles zusammenbrechen, und ich soll diese Not und Qual erdulden! Herr, mein Gott! Ist das recht von dir ? Hast du darum ihn mir gegeben? Sie ringt mit Anspannung aller Kräfte nach Fassung. Nils Lykke, sagt mir eins: wo habt Ihr ihn? Wo ist er?

      Nils Lykke. Bei seinem Pflegevater.

      Inger. Noch immer bei seinem Pflegevater! O dieser unbarmherzige Mann –! Immer hat er ihn mir vorenthalten! Aber es darf nicht länger so bleiben! Helft mir, Olaf Skaktavl!

      Olaf. Ich?

      Nils Lykke. Das wird nicht vonnöten sein, wofern Ihr nur –

      Inger. Hört mich, Herr Reichsrat! Was Ihr wißt – Ihr sollt es ganz und gar wissen, und Ihr auch, alter treuer Freund! – Nun wohl denn! Ihr habt mich an den unglückseligen Tag gemahnt, da Knut Alfsön bei Oslo erschlagen wurde; Ihr habt mich an das Gelübde gemahnt, das ich tat, als ich vor der Leiche stand unter Norwegens bravsten Männern. Ich war zu jener Zeit kaum erwachsen; aber ich fühlte Gottes Kraft in mir, und ich meinte, was später gar viele meinten, daß Gott der Herr selbst sein Zeichen auf meine Stirn gedrückt und mich erkoren hatte, allen voran für Land und Reich zu streiten. – War das Hochmut? Oder war es eine Offenbarung von oben? Ich hab' es nie ganz ergründen können. Aber wehe dem, auf den eine große Tat gelegt ist. – Ich darf sagen, ich habe sieben Jahre lang ehrlich gehalten, was ich gelobt hatte. In Not und Bedrängnis hab' ich treu zu meinen Landsleuten gestanden. Alle meine Gespielinnen saßen als Hausfrauen und Mütter ringsum im Lande. Ich allein durfte keinem Freier Gehör schenken – keinem. Ihr wißt es am besten, Olaf Skaktavl! – Da sah ich Sten Sture zum ersten Male. Einen schönern Mann hatt' ich nie gesehen bisher.

      Nils Lykke. Jetzt wird mir alles klar! Sten Sture kam um jene Zeit in geheimer Sendung nach Norwegen. Wir Dänen durften nicht wissen, daß er Euren Freunden gewogen war.

      Inger. Als schlichter Knecht verkleidet, lebte er einen Winter mit mir unter einem Dache. – In jenem Winter dacht' ich weniger und weniger an des Reiches Wohlfahrt. – – Einen so schönen Mann hatt' ich nie gesehen. Und ich war schon fünfundzwanzig Jahre alt geworden – –. Im nächsten Herbst kam Sten Sture wieder; und als er abermals von dannen zog, nahm er in aller Heimlichkeit einen Säugling mit sich fort. Ich fürchtete nicht die bösen Zungen der Menschen, aber es hätte unsrer Sache geschadet, wäre es ruchbar geworden, daß Sten Sture mir so nahe stand. – Das Kind wurde zu Kanzler Peter hingetan zur Auferziehung. Ich wartete auf bessre Zeiten, die bald kommen würden. Nie kamen sie. – Zwei Jahre später verheiratete sich Sten Sture in Schweden, und als er starb, hinterließ er eine Witwe –

      Olaf. – und mit ihr einen gesetzlichen Erben seines Namens und seiner Gerechtsame.

      Inger. Einen Brief um den andern schrieb ich dem Kanzler und flehte ihn an, mir mein Kind zurückzugeben! Aber er weigerte sich stetig. »Schließt Euch fest und unverbrüchlich uns an,« antwortete er, »so sende ich Euern Sohn nach Norwegen – eher nicht!« Wie konnt' ich das wagen? Wir Mißvergnügten


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