Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Inhalt
Als das Mädchen Dorothee geboren wurde, gab es glückselige Freude im Hause des Industriellen Sander. Der hünenhafte Vater sah auf das kleine Wesen wie auf ein Weltwunder, und die Augen der Gattin schienen in alle sieben Seligkeiten des Himmels zu schauen.
Acht Jahre lang hatte man auf das Menschlein warten müssen, acht Jahre voller Sehnsucht – und jetzt war es endlich da. Was Wunder, wenn die Eltern sich vor Freude kaum zu fassen wußten über diesen Gottessegen.
Daß Georg Sander sich eigentlich einen Sohn wünschte, war vergessen. Denn was da vor ihm lag, war sein Kind. Blut von seinem Blut und von dem seines Lieschens, das er trotz eines körperlichen Fehlers geheiratet hatte, weil es so lieb und so gut war. Weil das Pastorentöchterlein sich mit siebzehn Jahren ein silbernes Ringlein an den Finger stecken ließ von dem Glöcknersohn und Kindheitsgespielen, der damals noch die Bank der Obersekunda drückte. Denn die Eltern sparten an allen Ecken und Enden, um ihren Einzigen aufs Gymnasium schicken zu können.
Die Vorschule dazu absolvierte der gescheite Glöcknersohn zusammen mit dem Grafensohn, dessen Heimat die feudale Herrschaft Rautenau war, zu der das Kirchdorf gleichen Namens gehörte. Und da der Pastor ein guter Mann war, ließ er den begabten Glöcknersohn an dem Unterricht teilnehmen, den er dem vornehmen Sprößling erteilte. Natürlich mit Genehmigung des Grafen Sölgerthurn, unter dessen Patronat er stand.
Sie kamen später auf das Gymnasium der naheliegenden Stadt, die gleichaltrigen Knaben und hielten auch da gute Freundschaft miteinander. Und da Fortuna ja eine unberechenbare Dame ist, so konnte es kommen, daß sie eines Tages den Glöcknersohn mit ihrem Füllhorn förmlich überschüttete – er wurde sozusagen über Nacht ein reicher Mann.
Und zwar, als ein längstverschollener Onkel ohne Anhang in Kalifornien starb und seine Millionen somit an seinen Bruder, den Glöckner Sander, fielen. Doch da dieser bereits das Zeitliche gesegnet hatte, bekam den Mammon eben sein Sohn, der sich gerade mit dem Wenigen, was ihm sein Vater hinterlassen konnte, schlecht und recht auf der Technischen Hochschule durchschlug. Es war nun durchaus naheliegend, daß er seinen Freund, den Grafensohn, der die Landwirtschaftliche Hochschule besuchte, bat: »Komm mit mir, Bertram. Steh mir bei in dem kaum Faßbaren, was mich im fremden Land erwartet.«
Dazu war der Freund gern bereit. Und sein Vater riet den beiden Dreiundzwanzigjährigen, einen Rechtsbeistand mitzunehmen, was dann auch geschah, sehr zu Nutz und Frommen des jungen Erben. Denn ohne den Juristen hätte der Unerfahrene sich bei dem Verkauf der Liegenschaften ganz gehörig über den Löffel barbieren lassen, wie man so sagt. So jedoch holte der tüchtige Anwalt das Äußerste heraus und staunte nicht wenig über den reichen Segen, der seinem Klienten so mir nichts, dir nichts zufiel.
Doch Georg Sander schnappte deshalb nicht über, bummelte mit den beiden ihm vertrauten Menschen zuerst einmal für ein halbes Jahr in der Weltgeschichte herum und nahm dann in der Heimat sein Studium wieder auf. Machte den Dr. Ing. und baute ein Werk, um das die Götter ihn beneiden konnten.
Und dann holte er sich sein Lieschen in die prächtige Villa, die gleichzeitig mit dem Werk entstand. Daß das Mädchen ein kürzeres Bein hatte, machte ihm nichts aus. Er hatte sein Lieschen lieb und sah daher in ihm die schönste Frau der Welt.
Und so treu dieser Mann in der Liebe war, so treu war er auch in der Freundschaft. Fand es selbstverständlich, daß sein Intimus das Mädchen seines Herzens heiratete, obwohl es nicht das Geld besaß, das Rautenau so dringend nötig hatte. Und als der Besitz dann auch ernstlich zu wackeln begann, war es für Georg Sander selbstverständlich, helfend einzugreifen, ohne da erst viel Worte zu machen.
Den Stammhalter, der sich dann in dieser glücklichen Ehe einstellte, liebte Georg Sander wie einen eigenen Sohn und half diesen schönen, sonnigen Knaben nach Kräften mit verwöhnen.
Also war es kaum verwunderlich, daß er sowie sein Freund Bertram Zukunftspläne schmiedeten, als in der stattlichen Villa ein Töchterlein geboren wurde. Ein Töchterlein gar zart und fein, das die Eltern vergötterten und überängstlich hüteten. Der Vater nannte den Abgott kurz Dörth, die Mutter jedoch Doro.
Dörth oder Doro – damit stand und fiel alles in dem reichen Hause des Industriellen. Ein Lächeln des eigenwilligen Geschöpfchens machte froh, eine ungnädige Miene betroffen.
Es wurde auch nicht anders, als Lieschen, die sich nach der Geburt des Kindes nicht mehr so richtig erholen konnte, sechs Jahre danach starb und der Witwer seine Schwägerin Ruth heiratete. Die schloß sich dem Kult, den man mit der Tochter des Hauses trieb, durchaus an, setzte ihn auch noch nach der Geburt ihres Söhnchens fort.
Auch die Sölgerthurns, mit denen man in freundschaftlichem Verkehr stand, ließen sich von der kleinen Tyrannin beherrschen. Selbst der um acht Jahre ältere Edzard machte da mit, obgleich auch er verwöhnt war. So sehr verwöhnt, daß die Eltern ihrem Einzigen keinen Wunsch abschlagen konnten.
Das war aber auch wirklich schwer bei dem Knaben, den der Herrgott in seiner besten Laune erschaffen zu haben schien. Wohin er auch kommen mochte, überall bezauberte er in seiner mitreißenden Fröhlichkeit und dem unwiderstehlichen Charme.
Und dem konnten die Eltern natürlich am wenigsten standhalten – auch nicht, als der Sohn später Unsummen für seine Reisen verbrauchte. Er war ja noch so jung, ihr geliebter Einziger, mochte er also das Leben unbekümmert genießen. Später mußte er dann eben reich heiraten – und zwar Dorothee Sander. Das war jedenfalls die Rechnung der beiden Väter.
*
»Da bist du ja, mein Junge«, schloß Graf Sölgerthurn den heimkehrenden Sohn in die Arme. »Laß dich anschauen – also prächtig siehst du aus! Einfach ein Bild von einem Kerl.«
»Man tut, was man kann«, blitzten die prächtigen Zähne in dem braungebrannten Gesicht. Er eilte seiner Mutter entgegen, drückte schmeichelnd die Lippen auf die feinen Hände und strahlte die zarte, vornehme Frau an.
»Geht es dir auch gut, meine kleine Mama? Dumme Frage, wo doch dein böser Junge wieder da ist. Zause ihn nur tüchtig«, lachte er sein sieghaftes, unbekümmertes Lachen, das direkt mitreißend wirkte.
Ein ganzes Jahr war er diesmal weggewesen und hatte das Geld mit vollen Händen verstreut. Na was, wenn das Portemonnaie leer war, kam eben Nachschub. Ein Telegramm nach Rautenau genügte.
Und wer weiß, ob der unbekümmerte Verschwender heute schon nach Hause zurückgekehrt wäre, wenn der Vater ihn nicht zurückgerufen hätte. Und zwar nach einer Unterredung mit dem Gutsverwalter, der schon länger als zwei Jahrzehnte auf Rautenau segensreich wirkte. Da konnte er sich schon erlauben, ein offenes Wort mit seinem Herrn zu sprechen –
»Also, lieber Graf, so geht es jetzt nicht länger«, eröffnete er ohne jede Einleitung die Debatte. »Wenn der junge Herr Graf immer weiter solche Unsummen für sein Bummlerleben verbraucht, sind wir bald Mathäi am letzten – und können bei Herrn Sander aufs neue betteln gehen.«
»Aber, aber, mein Lieber«, unterbrach der Graf seinen aufrichtigen Beamten peinlichst berührt. »Betteln dürfte ja wohl nicht die richtige Bezeichnung sein. Wir haben Hypotheken aufgenommen, für die wir Zinsen zahlen – also ein faires Geschäft.«
»Wir haben aber die Zinsen das letztemal nicht zahlen können…«
»Ja,