Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman - Toni Waidacher


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»Aber jetzt liegt’s an Ihnen, das Erbe Ihrer Mutter zu bewahren und in ihrem Sinne weiterzuführen.«

      »Das will ich gewiß tun, Hochwürden«, erwiderte die junge Frau.

      Sie lächelte Florian dankbar zu, der den Kuchen angeschnitten hatte.

      »Ich hab’ schon gehört, daß Sie ausgezeichnet kochen«, meinte sie. »Mit meinen Kochkünsten ist’s leider net soweit her. Ich hoff’, daß Sie da ein bissel nachsichtig sind.«

      Der Bursche schmunzelte.

      »Nur keine Angst«, meinte er. »Das läßt sich alles lernen.«

      Irgendwie freute er sich darauf, ihr die erste Lektion zu geben. Aber natürlich sagte er das nicht, sondern erzählte erstmal über den Hof, wie groß er war, über die Größe der Felder und des Waldes. Das wußte Angela alles auch schon aus den Unterlagen, die Pfarrer Trenker nach Nürnberg mitgebracht hatte. Aber was alles angebaut wurde, wieviel Milch die Kühe gaben, und was die Molkeireigenossenschaft bezahlte, was mit den Schweinen geschah, wenn sie schlachtreif waren, oder mit den Hühnern, überhaupt alles, was auf einem Bauernhof gemacht wurde, das war für die frischgebackene Bäuerin ein Buch mit sieben Siegeln.

      Aber sie hörte geduldig zu, und wenn sie etwas nicht verstanden hatte, dann wiederholte Florian es genauso geduldig.

      Sebastian, der dabei war, kam nicht umhin, die beiden immer wieder zu betrachten. Und wieder kam ihm in den Sinn, was er schon gedacht hatte, als er vor ein paar Wochen aus Nürnberg zurückgekommen war.

      Angela und Florian würden ein gutes Team bilden und sie paßten auch sonst ganz wunderbar zusammen.

      »So, ich laß euch jetzt allein«, verabschiedete er sich nach einer Weile. »Wenn irgendwas sein sollte, Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen können.«

      Angela war aufgesprungen.

      »Sie haben ja gar kein Auto da«, rief sie. »Soll ich Sie ins Dorf zu­rückfahren?«

      »Nein, nein«, schüttelte der Geistliche den Kopf. »Die paar Kilometer geh’ ich lieber auf Schusters Rappen.«

      »Was, die ganze Strecke?«

      Sebastian schmunzelte.

      »Das macht mir wirklich nix aus«, versicherte er und ging aus der Tür.

      Angela sah den Knecht ratlos an.

      »Ist das net viel zu weit?« fragte sie.

      Florian lachte.

      »Net für unseren Herrn Pfarrer«, meinte er. »Wissen S’, wie man ihn hier nennt, im Wachnertal? Den Bergpfarrer, weil’s keine größere Leidenschaft für ihn gibt, als zu wandern und in den Bergen herumzukraxeln.«

      Florian zuckte die Schulter.

      »Das heißt, eine größere Leidenschaft gibt’s doch – den Menschen zu helfen, wann immer sie Hilfe brauchen. Und wenn’s auch noch so schwer ist, Hochwürden findet immer einen Ausweg.«

      *

      Nachdem sie sich im Haus umgeschaut hatte, lud Angela die Taschen und Kartons aus, die sie aus Nürnberg mitgebracht hatte. Der Knecht half ihr dabei.

      »Soll ich’s gleich in die Kammer schaffen, die der Bauer bewohnt hat?« fragte er.

      Die junge Frau überlegte und schüttelte den Kopf. Beim Rundgang durch alles Räume hatte sie sich entschieden, in der Kammer wohnen zu wollen, in der früher ihre Mutter geschlafen hatte. Beinahe unverändert hatte Angela sie vorgefunden, sogar die alten Kinderbücher standen noch in einem Regal über dem Bett.

      Beim Abendessen berichtete Florian von dem Unwetter in der letzten Woche.

      »Was geschieht denn mit dem Bruch?« fragte Angela.

      »Ich werd’ morgen in den Wald hinauffahren und das Holz schlagen«, erklärte der Knecht. »Es zu verkaufen lohnt net. Dafür wird’s im Winter dafür sorgen, daß es im Haus schön warm ist.«

      Dann erzählte er über die täglich anfallenden Arbeiten. Am Wichtigsten war es, sich jeden Morgen um die Tiere zu kümmern, erfuhr die Bäuerin. Auch am Wochenende und an Feiertagen wollten sie ihr Futter haben, und die Kühe auch gemolken werden.

      Weiter berichtete er über die Aussaat, die bevorstehende Ernte. Nach dem Essen gingen sie über den Hof. Angela besichtigte die Ställe, die Scheune samt dem Heuboden, den Garten, in dem alte Obstbäume standen, den Hühnerhof und die Kaninchen. Florian zeigte ihr, wie die Tiere gefüttert, und die Unterkünfte gereinigt wurden. So allmählich bekam Angela Hofmeister eine Ahnung davon, was sie in Zukunft alles erwartete.

      Schließlich ging es ans Melken. Sie trieben die Kühe von der Weide in den Stall, in dem äußerste Sauberkeit herrschte. Auf dem Melk­stand wurde die Anlage desinfiziert, damit keine Keime in die Milch gelangen konnten.

      Später wurden die gefüllten Kannen an die Straße gefahren und die Tiere bekamen frisches Heu und Rü­ben.

      »Und das haben S’ bisher alles allein’ gemacht?« wunderte sich die junge Frau.

      »Na ja, nur in den letzten Wochen«, meinte Florian. »Erst, als der Bauer net mehr konnte.«

      »Wie war er denn so, mein Großvater?« wollte Angela wissen.

      »Umgänglich«, erwiderte der Knecht. »Ich bin jedenfalls immer gut mit ihm ausgekommen.«

      »Hat er eigentlich mal über meine Mutter gesprochen?«

      »Nur wenig. Ich hab’ ihn mal wegen der Fotos auf der Diele gefragt. Sie sei fortgegangen, hat er nur gesagt.«

      Sie gingen über den Hof.

      »Stellen S’ den Wecker«, riet Florian. »Vom Hahn allein werden S’ net wach.«

      »Danke für den Rat, Florian«, erwiderte Angela mit einem Nicken. »An das frühe Aufstehen werd’ ich mich wirklich erst noch gewöhnen müssen.«

      Sie wartete, bis er im Gesindehaus verschwunden war, dann betrat sie die Diele und setzte sich an den Tisch, an dem sie am Nachmittag Kaffee getrunken hatte.

      Still war es, und Angela kam sich plötzlich sehr einsam und verlassen in dem großen Haus vor. Sie schaute auf die Fotos, betrachtete den alten Schrank, die Schnitzereien an der Treppe. Dann stand sie auf und ging in die Wohnstube. Das Ticken der alten Uhr an der Wand war das einzige Geräusch. Angela trat an das Fenster und schaute hinaus. Draußen legte sich langsam Dunkelheit über den Hof. Sie ging gedankenverloren durch das Zimmer, strich mit den Händen über die Polster der Sessel, öffnete den Schrank und schloß ihn wieder.

      Dann fiel ihr der Packen Briefe ein, die der Großvater an ihre Mutter geschrieben und ungeöffnet zurückbekommen hatte. Sie lagen in ihrer Kammer. Angela lief die Treppe hinauf, fand den Stapel und setzte sich damit auf das Bett, das sie am Nachmittag, mit Florians Hilfe, überzogen hatte.

      Lange betrachtete sie die Umschläge.

      Hatte sie das Recht, sie zu öffnen und zu lesen? Oder sollte sie nicht besser die Vergangenheit ruhen lassen?

      Geraume Zeit überlegte die junge Frau, dann entschied sie, den Inhalt verschlossen zu lassen. Was immer der Großvater geschrieben hatte, es war nicht für sie, sondern für ihre Mutter bestimmt gewesen.

      Angela ging an den Kleiderschrank und legte die Briefe in eines der Fächer. Als sie sich herumdrehte und auf den Wecker blickte, erschrak sie. Es war schon viel später, als sie geglaubt hatte.

      Schnell ging sie in das Badezimmer und als sie kurz darauf in ihrem Bett lag und das Licht löschte, da verspürte sie zum ersten Mal das Gefühl, wirklich zu Hause zu sein. Nur eine Frage stellte sich ihr.

      Was würde ihr die Zukunft bringen? Würde sie den Anforderungen, die das Leben auf einem Bauernhof mitbrachten, gewachsen sein? Und dann merkte Angela Hofmeister, daß sie viel mehr Angst vor der Zukunft hatte, als sie sich bisher eingestehen wollte.

      *

      Als


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