Sophienlust 144 – Familienroman. Aliza Korten

Sophienlust 144 – Familienroman - Aliza  Korten


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wild um sich. »Lass mich, ich muss Balthasar retten«, keuchte sie. »Er ertrinkt.«

      Eugen Luchs hatte Mühe, sein Pflegetöchterchen zu bändigen. »Du willst wohl auch weggeschwemmt werden, du Dummchen?«, schalt er liebevoll. »Das Wasser ist gefährlich. Nur hier im Wagen bist du sicher.«

      »Sehe ich Balthasar nie wieder?«, schluchzte Peggy verzweifelt. »Ich habe ihn doch lieb. Du darfst ihn nicht ertrinken lassen.«

      »Ich will alles versuchen, Peggy. Aber ich fürchte, jede Hilfe kommt für unseren kleinen Freund schon zu spät. Erst einmal musst du vernünftig sein und mir dein Ehrenwort geben, dass du im Wagen bleibst.«

      Peggy beruhigte sich. »Gut, ich bleibe hier. Schau mal, da ist er!«, die scharfen Augen des Naturkindes aus Afrika hatten den Collie erspäht. Der Hund klammerte sich ein Stück flussabwärts an einen Baum, der vom Wasser schon teilweise entwurzelt war.

      Eugen Luchs platzierte zunächst Peggy sicher auf dem Vordersitz und ergriff ihre braune Patschhand.

      »Ehrenwort – du rührst dich nicht von der Stelle?«

      »Großes Ehrenwort, Onkel Luchs. Mach bloß schnell, sonst kann sich Balthasar nicht mehr halten.«

      Das Missgeschick des Hundes war auch vom anderen Wagen aus beobachtet worden. Gleichzeitig mit Eugen Luchs schickte sich der Vater der beiden Kinder an, einen Rettungsversuch zu unternehmen, obwohl seine Frau ihn zurückzuhalten versuchte.

      Atemlos vor Spannung und Angst verfolgte Peggy das Manöver. Ihr geliebter Onkel Luchs und der Fremde arbeiteten sich Schritt für Schritt durch das Wasser vorwärts, das ihnen bis über die Waden reichte. Sie mussten äußerst vorsichtig sein, um nicht am Rande der schmalen Uferstraße ins tiefe Wasser zu geraten. Deshalb hielten sie sich ganz dicht am Hang und fassten einander bei den Händen um jedes Risiko auszuschalten.

      Peggy hatte das Fenster heruntergekurbelt. »Halte dich fest, Balthasar. Es dauert nicht mehr lange«, rief sie ihrem kleinen Hund zu.

      Endlich konnte Eugen Luchs das zitternde Tier in die Arme nehmen und den Rückweg antreten. »Dummer kleiner Balthasar«, schalt er mit seiner tiefen Stimme. »Das hättest du dir und uns ersparen können.«

      Der Collie winselte leise. Wahrscheinlich sollte das heißen, dass es ihm leid tue.

      Nun, da der Hund in Sicherheit war, spähten die beiden Männer über die tosende Wasserwüste. Man sah jetzt nicht nur Möbelstücke flussabwärts treiben, sondern auch Teile eines Daches. Das waren Anzeichen einer Katastrophe, die flussaufwärts im Gange sein musste.

      Kurz vor dem Wohnwagen verhielt Eugen Luchs plötzlich den Schritt. »Da sehen Sie, ein Kind!«, rief er erregt aus.

      In unmittelbarer Nähe des Ufers trieb ein großes Brett, an das sich voller Angst ein kleines Kind festklammerte.

      Die beiden Männer verstanden einander auch ohne Worte. Keiner kannte vom anderen den Namen, aber beide wussten, dass sie das Kind retten mussten, koste es, was es wolle.

      »Pass auf, Peggy!« Eugen Luchs öffnete die Tür des Wohnwagens und stieß den Hund hinein. Dann wandte er seine volle Aufmerksamkeit dem Kind im Wasser zu.

      Die beiden Männer mussten sich beeilen, damit das Brett nicht vorübertrieb. Ohne zu zögern verließ der Schriftsteller die noch einigermaßen sichere Straße und trat auf die tiefer liegende Uferwiese, die zu diesem Zeitpunkt schon mit zum Flussbett gehörte. Der Fremde folgte ihm.

      Wieder hielten die beiden Männer sich bei den Händen. Glücklicherweise verloren sie nicht den Boden unter den Füßen. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, das Brett zu fassen, als es herantrieb. Es drehte sich zunächst ein paarmal und drohte in die Mitte des Flusses gewirbelt zu werden, kam aber schließlich wie durch ein Wunder genau auf Eugen Luchs zu, der es mit beiden Händen packte, ohne auf seine eigene Sicherheit zu achten.

      Der Fremde griff ebenfalls sofort zu. Das Kind, ein kleines Mädchen, war durchnäßt und vor Angst oder Kälte völlig erstarrt. Es war ein hartes Stück Arbeit für die beiden Männer, mit dem Kind zu den beiden Wagen zurückzukehren.

      »Welch ein Segen«, flüsterte die Frau des unbekannten Helfers. »Ich habe gezittert. Sie schwebten beide in Lebensgefahr. Doch nun ist das Kind gerettet.«

      Fürsorglich und liebevoll nahm sie sich des kleinen Mädchens an. Ihre Kinder halfen ihr dabei. Das kleine Mädchen wurde entkleidet, trockengerieben und in eine Decke eingewickelt, die Eugen Luchs brachte. Da im Wohnwagen mehr Platz war, legten sie das Kind auf Peggys Bett, wo es teilnahmslos, mit geschlossenen Augen vor sich hin dämmerte.

      Nun endlich ergab sich die Gelegenheit einer gegenseitigen Vorstellung. »Ich bin Arzt«, sagte der Fremde. »Mein Name ist Dr. Henseler.«

      »Eugen Luchs«, entgegnete der Schriftsteller und machte dazu eine kleine Verbeugung. »Wollen Sie die Kleine untersuchen? Sie gefällt mir nicht. Wasser hat sie nicht geschluckt. Aber so, wie sie da liegt …«

      Dr. Henseler beugte sich über das schmale Bett. Er fühlte den Puls des Kindes, tastete den kleinen Körper nach Verletzungen ab und prüfte einige Reflexe.

      »Wie heißt du?« fragte er freundlich. »Dir ist nichts passiert. Du brauchst jetzt auch keine Angst mehr zu haben. Schau nur, der Regen hat aufgehört. Sobald wir durchkommen können, bringen wir dich nach Hause.«

      Das Kind starrte ihn nur an und schwieg. Es weinte nicht einmal.

      Der Arzt stellte einige weitere Untersuchungen an und deckte die Kleine schließlich wieder sorgsam zu. »Setz dich zu ihr«, wandte er sich an Peggy. »Es tut ihr sicher gut, wenn jemand recht freundlich mit ihr spricht. Sie fürchtet sich.«

      »Warum denn?«, wunderte sich Peggy, die Balthasar trockengerubbelt hatte und ihn nun zärtlich an sich drückte. »Balthasar ist schon wieder ganz lustig. Sie kann sich doch freuen, dass sie aus dem Wasser heraus ist.«

      Dr. Henseler strich über Peggys Krauskopf, aber erst draußen sagte er zu Eugen Luchs: »Sie hat einen Schock erlitten. Es muss schrecklich für sie gewesen sein, so hilflos im Wasser zu treiben. Wir wollen sie jetzt nicht unnötig mit Fragen quälen.«

      »Du musst endlich etwas Trockenes anziehen«, drängte Frau Henseler ihren Mann.

      Da besann sich auch Eugen Luchs, dass er bis auf die Haut durchnäßt war und obendrein einen seiner schönen Gummistiefel verloren hatte. Dennoch war er glücklich. Er sagte sich, dass sie das kleine Mädchen ohne Balthasars waghalsigen Ausflug möglicherweise nicht bemerkt hätten. Was wogen ein paar nasse Kleidungsstücke und ein verlorener Stiefel schon gegen die Rettung eines Kindes?

      Er blickte zum Himmel empor. Zwischen den jagenden Wolkenfetzen zeigte sich ein erster Sonnenstrahl. In ein paar Stunden würden sie es wagen können, zum nächsten Ort zu fahren, sofern die Uferstraße nicht an irgendeiner Stelle weggerissen worden war.

      In der Abgeschiedenheit der Wasserwüste entstand von selbst eine freundschaftliche Gemeinschaft. Frau Henseler teilte Vorräte aus, und Eugen Luchs steuerte aus seinem Proviant etwas bei. Die Kinder bewunderten Balthasar, der jedoch jetzt nicht mehr dazu zu bewegen war, den sicheren Wohnwagen zu verlassen.

      »Das Wetter wird besser«, stellte Dr. Henseler fest. »Es kommt mir vor, als fange das Wasser schon an zu fallen.«

      Eugen Luchs nickte. »Das geht rasch hier. Ehe man sich’s versieht, ist man vom Hochwasser eingeschlossen, aber fast ebenso schnell verschwindet der Spuk wieder. Trotzdem richtet ein solches Unwetter oft viel Unheil an. Wer weiß, was aus den Eltern des kleinen Mädchens geworden ist, das wir gerettet haben.«

      Es dauerte dennoch bis zum frühen Abend, ehe sie vorsichtig die Weiterfahrt antreten konnten, ständig darauf gefasst, von einem Hindernis aufgehalten zu werden.

      Peggy kauerte auf dem Fußboden des Wohnwagens neben dem Bett und flüsterte auf das fremde Kind ein, das etwa drei oder vier Jahre alt sein mochte.

      Mit Dr. Henseler verständigte sich Eugen Luchs durch laute Zurufe. Einmal blieb der Personenwagen im Schlamm stecken. Die beiden Männer


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