Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
gerissener und geschickter anstellen sollen. Weshalb war er so dummdreist in die Stadt gekommen? Er hätte draußen bleiben und auf eine günstige Gelegenheit warten müssen, den verhaßten Missourier zu erledigen.
Aus dem Hinterhalt mit einem Gewehr. Schließlich hatte er weder Ehre noch Stolz zu verlieren. Er hätte nur Geduld aufbringen müssen. Das wäre in jedem Fall besser gewesen, als nun hier im Jail zu sitzen und Blut und Wasser zu schwitzen.
Wie Schnecken krochen die Nachtstunden durch den schwacherleuchteten Fliesengang des Gefängnisses.
Als im Osten der Morgen graute, war der Verbrecher todmüde. Er kämpfte einen Titanenkampf mit dem Schlaf – und sank schließlich ermattet gegen die rissige Mauer.
Der Anprall gegen die Steine ließ ihn hochschrecken. Er sprang auf und taumelte ans Gitter.
Morgan Earp, der Frühwache hatte, erhob sich und blickte nach dem Gefangenen. »Gibt’s was, Mister Jefferson?«
Halbot wischte sich durchs Gesicht und schüttelte den Kopf. »No, ich habe schlecht geträumt…«
Er torkelte zurück zur Pritsche und legte sich wieder nieder.
Sein Hemd war völlig durchschwitzt, sein ganzer Körper glühte. Er fühlte sich elend und zerschlagen wie im Fieber einer schweren Krankheit.
Die Zeit schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, noch langsamer zu vergehen.
Der Gefangene bangte dem Tag entgegen.
Endlich ging die Sonne auf.
Gegen sieben Uhr kam Masterson schon ins Office.
Halbot rief sofort nach ihm.
»Mister Masterson, die drei Tage sind um. Lassen Sie mich raus aus dem Käfig!«
Der bullige Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Das geht nicht, Mister Jefferson. Hier geht alles genau nach der Zeit. Die drei Tage sind erst um halb zehn vorbei. So lange müssen Sie schon noch aushalten. – Aber nun waren Sie so lange hier, da wird es Ihnen auf die paar Stunden doch nicht mehr ankommen.«
Der Satz, den der gutmütige Bursche dann anhängte, war ganz dazu angetan, das Herz des Verbrechers bis zum Hals schlagen zu lassen:
»Vielleicht ist Wyatt bis dahin auch schon zurück – und Sie kriegen ihn noch zu sehen. Bill erzählte mir, daß Sie nach ihm gefragt hätten.« Masterson kratzte sich den Kopf. »Es ist merkwürdig, daß die Leute einen solchen Narren an ihm gefressen haben. Er ist ein so einfacher und vernünftiger Mann…«
Jake Halbot mußte sich mit beiden Händen an den Traljen des Gitters festhalten. Ihn schwindelte.
Als Masterson gegangen war, fühlte der Verbrecher, daß seine Knie zitterten.
Wyatt Earp würde zurückkommen!
Und er saß noch hier im Jail.
Mit vor Angst weit offenen Ohren, aufgerissenen Augen und überwachen Sinnen lehnte er steif an der Zellenwand und lauschte zum Office hinüber.
Jedesmal, wenn sich die Tür öffnete, schrak er zusammen und hielt den Atem an.
Und es kamen eine ganze Reihe Leute ins Marshals Office. Was für Sorgen die alle hatten – einfach idiotisch!
Nach neun Uhr endlich schien die Zeit beschlossen zu haben, völlig stillzustehen.
Jake Halbot war nur noch ein willenloses Nervenbündel.
Im Büro vorn herrschte Stille. Es schien leer zu sein. Plötzlich öffnete sich die Tür – und wurde nicht wieder geschlossen.
Halbot stand an die kühle Wand gepreßt, hatte den Kopf zur Seite gelehnt und lauschte mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem zum Office hinüber.
Es blieb alles still.
Und doch war jemand hereingekommen.
Wer konnte es sich erlauben, die Tür offenstehen zu lassen?
Masterson war es nicht, dessen schweren dröhnenden Schritt kannte der Verbrecher inzwischen genau. Und von den anderen Deputies ließ keiner die Tür offenstehen.
Es gab doch nur einen einzigen Mann, der sich das erlauben konnte: der Marshal selbst.
Dieser Gedanke wurde in Halbots Schädel zur fixen Idee.
Er ist es! Wyatt Earp!
Und er weiß, daß ich hier bin!
Vielleicht hat er mich schon durch das kleine Zellengangfenster beobachtet, ohne daß ich es gemerkt habe.
Yeah, es konnte gar nicht anders sein: Wyatt Earp war gekommen!
Die Sekunden verrannen, und nichts rührte sich vorn im Büro.
Halbot krampfte die Finger in die Fugen der Mauersteine.
Vielleicht war doch niemand da? Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet, daß die Tür aufgestoßen worden war, begann er zu hoffen.
Da hörte er die Angeln, deren Geräusch er genau kannte, leise quietschen.
Die Tür war also doch geöffnet worden und wurde jetzt vom Wind bewegt.
Vielleicht hatte sie einer der Deputies nur aufgestoßen und war dann abgehalten worden, hereinzukommen?
Dieser Gedanke wurde augenblicklich durch das Geräusch von Schritten weggewischt.
Der Mann kam bis in die Hälfte des Offices und blieb dann stehen.
Tiefe Stille herrschte oben im Büro und hier unten im Zellengang.
Er ist es! Er ist es todsicher!
Er weiß, daß ich hier bin und will mich fertigmachen.
Wieder bewegte der Wind die Eingangstür.
Der Schweiß rann dem Verbrecher durch die nassen Brauen brennend in die Augen.
Plötzlich gaben seine Nerven nach.
Er schrie: »Komm endlich, komm endlich her, Mensch!« Mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem lauschte er auf die näherkommenden Schritte.
Der Mann kam in den Zellengang.
Er hatte einen leichten, federnden, sehr sicheren Schritt.
Als er vor der dritten Zellentür stand, öffnete Halbot die Augen – starrte ihn entgeistert an.
Es war ein hochgewachsener schlanker Mann mit aschblondem Haar, gutgeschnittenem, klugem Gesicht, das von einer blaßbraunen Haut bespannt und von zwei eisblauen, intensiv blickenden Falkenaugen beherrscht wurde. Über der Oberlippe trug er einen sauber getrimmten dunklen Bart.
Sein Anzug war dunkelgrau und nach der neuesten Mode geschnitten. Weinrot war die Krawatte und blütenweiß das Rüschenhemd. Quer über die grünseidene Weste hing eine goldene Uhrkette.
Der Mann hatte eine Zigarette in der Hand, die er sich eben gedreht haben mußte und jetzt anfeuchtete, während seine Augen den Gefangenen scharf musterten.
Jake Halbot erkannte den Mann sofort. Er hatte ihn damals am Spieltisch in Garden City gesehen. Es war niemand anders als Doc Holliday.
»He, Mister – wo fehlt’s denn?« fragte der Gambler und schob sich die Zigarette zwischen seine gleichmäßig gewachsenen weißen Zähne.
Während er in einer geradezu unnachahmlichen Manier ein Streichholz am Daumennagel der gleichen Hand anzündete, in der er es hielt, meinte er, ohne den Mann hinterm Gitter überhaupt aus den Augen zu lassen: »Haben wir uns nicht schon irgendwo gesehen, Mister?«
Die Brust des Gefangenen hob und senkte sich rasch. »Nein!« stieß er schließlich aus rauher Kehle hervor.
Holliday ließ das Streichholz fallen und setzte die Spitze seines Stiefels darauf. Dann schüttelte er den Kopf und meinte, während er sich abwandte: »Ich werde Bescheid sagen, daß Sie sich nicht wohl fühlen.«
»Ich fühle