Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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VATER

      Da muß er aber auch in die Schule gehen. Das wird viel kosten.

       MUTTER

      Der liebe Gott wird ihm schon forthelfen. – Was fehlt denn unserm Pfarr? – Hernach kann er uns zu sich nehmen – und wenn mein Sohn ein Pfarr ist, so wüßte ich nicht, warum ich nicht auch solche Hauben tragen könnte wie unsre Fr. Pfarrin – und solche Kleider. – Hast du denn die gesehn, die sie gestern in der Kirche aufhatte?

       VATER

      Hatte sie eine auf?

       MUTTER

      Ach, eine gar kostbare! – Die gnädige Frau rümpfte auch das Maul nicht wenig darüber. Die ganze Kirche durch hat sie kein Auge von ihr verwandt. – Sie ist ihr nicht gut, weil sie sich so putzt. – Da sie unsers Tobs seine Pate ist, die gnädige Frau, so könnte sie wohl ein übriges tun –

       VATER

      Ach, das geizige – und so!

       MUTTER

      Nein, das sage mir nicht, daß die gnädige Frau geizig ist! Sie hat neulich ihrem Herrn eine Dose für 25 Taler zum Geburtstage geschenkt.

       VATER

      Ja, aber wenn sie an einen armen Schelm was wenden soll –

       MUTTER

      Das wird sie wohl tun. – Sie muß ja noch hübsche Kleider von ihrem seligen Papa haben und auch wohl Perücken.

       VATER

      Ach wenn's beim Studieren auf weiter nichts ankäme – und so!

       MUTTER

      Was braucht er denn weiter? – Wenn ihm eine Pfarr bescheret wird, so kann er uns ja alle glücklich machen.

       VATER

      Ach, ich habe gar keine Lust dazu. Meiner Mutter Bruder ist Fourier bei dem -schen Regimente; der könnte ihm viel eher forthelfen, wenn er Soldat würde – und so.

       MUTTER

      Mit deinem Soldaten! Das soll er nun mit aller Gewalt nicht werden.

       VATER

      Es wäre aber besser für ihn.

       MUTTER

      Das ist nicht wahr. Ein Pfarr ist doch mehr als ein elender Soldat.

       VATER

      Je ja, wenn er aber ...

       MUTTER

      (nachahmend) : »Je ja, wenn er aber« – es soll nun nach meinem Willen gehn, und morgen des Tages will ich ihn nach –sen auf die Schule bringen, und wenn du nicht mit ihm gehest, so geh ich mit ihm und bringe ihn selber hin, und das soll geschehn – und wenn sich der Papst dagegensetzte. – Ein Soldat! das wäre was! etc. etc.

      So brummte und zankte sie, mit der schrecklichsten Ergießung ihrer Galle, noch lange fort, ohne zu merken, daß ihr der Mann gleich bei der ersten Anwandlung ihrer Disputationshitze ins Bette entwischt war. – Aber dafür wurde er auch gestraft! Die ganze Nacht kehrte sie ihm den Rücken zu.

       Inhaltsverzeichnis

      Von diesem Gespräche hatte Tobias gerade nicht mehr und nicht weniger gehört, als nötig war, um denjenigen Teil seiner Seele in Bewegung zu setzen, der über eine besondere Art von Gedanken, die man Projekte nennt, das Direktorium führt. Er hatte wirklich bei dem erbaulichen Teile dieses Gesprächs geschlafen; allein da das Feuer des Zankes in seiner Mutter mit dem Feuer der Andacht abwechselte, so wurde er durch die dadurch verursachte Erhebung der Stimme aufgeweckt, und sein eben ausgesprochner Name weckte seine Aufmerksamkeit mit auf. Der Name Soldat hätte beinahe in seinem Kopfe unter seinen Ideen ein Komplott wider die Mutter gemacht; aber die Lebensgeister waren zu erschöpft, und der Schlaf drückte jede aufsteigende Idee nieder, ehe sie noch mit einer andern zusammenkommen konnte. Vorderhand blieb es also bei einer unbestimmten Empfindung von Wohlgefallen, das das Wort: Soldat!, den Widerstand des Schlafes ungeachtet, verstohlnerweise hervorzubringen gewußt hatte. Das Rad der Einbildungskraft war durch einen kleinen Stoß in Gang gebracht worden und lief die ganze Nacht hindurch im Kreise herum, immer schneller, immer schneller – und indem es herumlief, sprang, wie aus dem großen hölzernen Pferde vor Troja, ein Soldat nach dem andern heraus, bis endlich der ganze Kopf davon voll wurde. In diesem Zustande träumte er wachend den ganzen folgenden Tag, und gegen Abend in dem kritischen Augenblicke, als der Junker L. vorbeiging, ließ er gerade die ganze Wache mit klingendem Spiele aufziehen, völlig wie er sie vor einem Jahre bei seiner Anwesenheit mit seiner Mutter in der Residenzstadt des Fürsten gesehen hatte. Alles ging in der schönsten Ordnung, wie Drahtpuppen, alle nach einem Takte, und eben wollte er selbst einen Versuch machen, statt des dicken Koporals mit dem großen pechschwarzen Barte an die Fronte zu treten und gleich eine soldatische Kapriole zu schneiden – als der Stoß seiner Mutter ihn erinnerte, den Hut abzunehmen, als er ihn bestürzt mit der Linken abnahm, als die Mutter ihn ermahnte, die Rechte zu gebrauchen; und während dieser vielen als war die ganze Wache weg und auch nicht eine Flinte, nicht eine Stiefelette mehr da! Der gestrige Widerwille der Mutter gegen das Soldatenleben füllte das Leere aus, das durch die Verscheuchung des Wachaufzuges in seinem Kopfe entstand, und der Entschluß, heimlich zu entfliehen, kam ihm auf der Ferse nach; alles dieses, von dem ersten als an, geschah höchstens in zwei Sekunden, und gleich darauf sprang er auf, ging zu Bette, wie schon oben gesagt worden ist, so daß der ganze Vorgang bis hieher nicht mehr als eine ganze Minute erfoderte, gerade soviel, als Alexander brauchte, den Untergang von Tyrus zu beschließen.

      Wichtige Minute! Reißt sie aus den übrigen Minuten seines Lebens heraus, und ihr reißt sein ganzes künftiges Glück zugleich heraus! – Wie wichtig ist jede Minute, wenn an jeder ein künftiges Glück – oder Unglück hängt!

       Inhaltsverzeichnis

      Die ganze Nacht durch schlief Tobias nicht. Sobald es halb drei geschlagen hatte, stieg er auf, packte seine Effekten zusammen, die in weniger als nichts bestanden, und weil er für nötig befand, zwei Kleider mitzunehmen, und doch der Transport unbequem war, so sah er kein schicklicher Mittel, als sie beide anzuziehen. Also mit doppelter Kleidung, zwei Hemde auf dem Leibe, zwei in der Tasche, eine Pelzmütze auf dem Kopfe und den schönen Sonntagshut oben drauf, mit einem Stabe in der Hand, ohne Geld, so reich und so arm als ein Kyniker, ging er den 24. Junius des Morgens mit dem Schlage drei durch die Hintertür aus dem väterlichen Hause, ohne zu wissen, wohin. Seine zuverlässige Kenntnis der Geographie endigte sich mit dem letzten Zaune des Dorfs, und auf dem Wege nach der Residenz, wohin er, wie gesagt, mit seiner Mutter vor einem Jahre gegangen war, hatte sich, wegen der vielen vorkommenden neuen Gegenstände, seine Aufmerksamkeit zu sehr teilen müssen, als daß ihm noch etwas anders als ein Klumpen verworrner Begriffe davon im Kopfe liegen konnte. Er tat daher, was in dergleichen Fällen das schicklichste scheint – er ging den geraden Weg fort, und wenn der Weg sich teilte, in welchem Falle gewöhnliche Menschen in Verlegenheit geraten wären, so ging er allemal ohne eine Minute Anstand auf den, auf welchen ihn seine Füße trugen: Kreuzwege können bekanntermaßen bei solchen Reisenden in gerader Linie keinen Zweifel verursachen.

      Aber will mir denn niemand meinen Held darum bewundern, daß er bei seiner Entweichung über eine Gewohnheit, die bei einer heimlichen Flucht in Romanen und in der wirklichen Welt jedermann vor ihm beobachtet hat, sich so großmütig hinwegsetzt und nicht einen Scherf mit sich hinwegnimmt? – Nie sind noch ein paar Verliebte


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