Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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dritte Klasse enthält den besten, den edelsten Teil der menschlichen Gesellschaft: Menschen mit der besten Organisation des Leibes und der Seele, voller Tätigkeit, mit lebhaften, antreibenden Leidenschaften, die aber eben wegen dieser vortrefflichen Anlage einer Menge Schwächen und Torheiten ausgesetzt sind, wovon sich hoffentlich keiner von den besten Söhnen Adams lossprechen wird, wenn ich ihn versichre, daß man, um die größten Torheiten zu begehn, der größte Mensch sein muß.

      Wie das sein kann? – Also! Die Ruhmbegierde ist die edelste und nützlichste Leidenschaft, die in einer menschlichen Brust sein kann, ohne die wenig in der Welt getan würde oder, wie Young denkt, gar nichts, und doch – worinne besteht ihr Ziel? In dem Bewußtsein, daß andre Leute unsern Namen wissen. Durch das Sehrohr, das ich meinen Lesern vorhin in die Hand gab, muß ein solches Bestreben gewiß nichts anders scheinen als – Torheit. Wenn man dabei bedenkt, was für Leute das größtenteils sind, deren Bewundrung uns Freude macht, so muß man sich wundern, daß man sich darüber freuen kann. – Doch rate ich eine solche Zergliederung niemanden an als nur, wenn er seinem Stolze eine Pönitenz schuldig ist. Der Mensch ist nun einmal gemacht, daß er nach dunklen, unentwickelten Ideen und nicht nach anatomierten Begriffen handeln soll, und dawider habe ich nichts einzuwenden.

      So könnte man die übrigen großen Leidenschaften gleichfalls zergliedern.

      In dieser Rücksicht gab ich der dritten Klasse den Namen der Toren, die ich, um allen Mißverstand zu verhüten, in vortreffliche und geringe Toren hätte einteilen sollen: Jenes sind die erhabnen Geister, die durch eine Idee zum Exempel des Ruhms, der Ehre angespornt werden, ihre ganze Tätigkeit in Bewegung zu setzen, und am Ende doch nichts erjagen als – eine Idee; dieses sind alle diejenigen, die ein geringeres Maß von jenen höhern Leidenschaften haben und die Sättigung derselben an nichtswürdigen, leeren, kleinen Gegenständen suchen, wohin zum Beispiel Eitle, Titelsüchtige, Geldgierige, Ahnenstolze, Rangsüchtige gehören. Diese sind Toren in dem gewöhnlichen Verstande des Worts; jene sind es nur für den wahren stoischen Weisen, der alle Sachen zergliedert und sie nach dem wahren innern Werte schätzt.

      Die in der ersten Klasse können zum Teil durch Zeit und Alter, zum Teil durch politische Gesetze und Anstalten gebessert werden, durch einen Autor niemals. Die zweite noch weniger, weil – die Ursache läßt sich leicht raten. Die in der dritten allein haben den Vorzug, daß sie durch die Vorstellungen eines Schriftstellers auf ihre Fehler und Schwächen aufmerksam gemacht werden können: der vortreffliche Teil derselben – insofern ihm ein Autor das, was seine völlige Begierde hinreißt, auf einer Seite vorstellt, die ihm selbst in seinem Bestreben darnach niemals erscheint, kurz, indem er ihm das Leere und Vergängliche der menschlichen Größe zeigt, welches unsre Bußprediger, wiewohl meistenteils auf eine verkehrte Art, sorgfältig tun; der schlechtere Teil der Toren, auf den ich eigentlich in jener Vorrede Rücksicht nahm, muß von einem Autor – der nützen will, ohne es scheinen zu wollen, hätte ich dort hinzusetzen mögen – so behandelt werden, wie ich an bemeldetem Orte sagte.

      Sonach können alle meine Leser nebst ihrem Autor in einem gewissen Verstande Toren genennet werden – nämlich verglichen mit Geistern, die nur nach moralischen innern Vollkommenheiten streben! – aber verglichen mit Menschen, mögen sie ganz vortreffliche Menschen sein – welches ich Ihnen, mir und allen Christen von Herzen wünsche.

      »Les hommes«, sagt Montesquieu irgendwo, »les hommes, fripons en détail, sont en gros de très-honnêtes gens.« – Mit einer leichten Veränderung des Fripons ließe sich die Sentenz auf den vorhabenden Fall anwenden.

      Sonach wird man einsehn, daß bei jedem satirischen Buche derjenige Leser nur unter die geringern Toren oder unter die Toren im gewöhnlichen Verstande zu rechnen ist, der sich selbst so sehr darinne findet, daß es ihm ein Pasquill auf sich zu sein scheint und also von seiner Eigenliebe es nicht erlangen kann, daß sie ihn nicht auf den Verfasser zürnen läßt.

      Sonach wird man endlich finden, daß Herr Wieland sehr von dem intendierten Wortverstande abgegangen ist, wenn er meine Worte durch – daß er seine Leser samt und sonders für Narren hält – paraphrasiert. Aber so wenig die Schuld an dem deutschen Paraphrasten liegt, wenn er den heiligen Paulus in seiner Umschreibung etwas sagen läßt, woran dieser niemals dachte, so gewiß ist es die meinige. Warum schrieb St. Paulus nicht deutsch? Und ich – warum schrieb ich nicht deutlicher? – Für Narren kann ein Verfasser seine Leser nicht eher halten, als bis er selbst einer ist.

      Inzwischen will ich nicht behaupten, daß die Welt, auf dieser Seite vorgestellt, gerade den besten Effekt täte oder daß diese Vorstellung die einzige sein müßte, die man sich alle Tage wiederholt. Ein wahrer Weltbürger muß diesen großen Staat auf allen Seiten kennenlernen, die er nach seinen Umständen nur kennenlernen kann, und ihn ja niemals auf einer allein zu lange oder zu oft betrachten: Das Urteil darüber fällt alsdann immer parteiisch aus; die Welt wird zum Himmel oder zur Hölle, da sie doch keins von beiden für sich allein ist.

      Mir schien es, als wenn ich diese Rechtfertigung teils meinen Lesern, teils mir schuldig wäre – mir– um mir den lächerlichen Anblick zu ersparen, in welchem ein Autor seinen Lesern erscheinen muß, der zu ihnen sagt: Ihr lieben Leute seid insgesamt herzliche Narren; hier nehmt und lest ein Büchelchen von einem Manne, der allein das Vorrecht hat, keiner zu sein! – meinen Lesern – um sie nicht in die unangenehme Situation zu versetzen, von einem Manne schlecht denken zu müssen, der eine so schlechte Meinung von ihnen und eine so hohe von sich selbst hat – eine Krankheit, an welcher der Verfasser so wenig darniederliegt, daß ihm noch itzt, wenn sein Blut einen sehr demütigen Fluß hat oder Schnupfenmaterie seine Nerven drückt oder eine kleine Unverdaulichkeit sich in seinen Magen eingeschlichen hat – alles treffliche Mittel zu Beförderung der Demut! –, daß ihm, sage ich, in solchen Fällen der menschliche Irrtum widerfährt, viele Leute fälschlicherweise, wie er hinterdrein gefunden hat, für Kolossen und sich für einen Zwerg zu halten!

      Also ein für allemal sei es gesagt! Solange der Lebensbeschreiber Tobias Knauts Autor ist, denke man bei seinen Worten allzeit: Diese Vorstellung der Sache stieg gerade damals aus seinem Blute und seinem Magen in den Kopf; was kann der arme Mann dafür, daß in seinen Vorratskammern eben keine glänzenden Farben zu finden waren, um die auffallenden Züge an dem Bilde zu übermalen?

      Es wird auch hoffentlich niemanden mißfallen, sich und die sublunarischen Herrlichkeiten in dem Lichte vorgestellt zu sehen, in welchem sie diese Vorrede zeigt; am allerwenigsten, wenn ich ihnen melde, daß Antonin, der vortrefflichste Stoiker, eine kaiserliche Majestät vom abendländischen Meere bis an das Agäische und noch weiter, zuweilen sich es selbst gefallen ließ, bei müßigen Stunden seinen Purpur, seinen Zepter, seine Krone, seinen Ruhm, seine Gewalt, seine Macht und viele andre dergleichen nicht zu verachtende Dinge in dem nämlichen Lichte zu betrachten, und sogar das Herz hatte, einen jeden Einwohner der römischen Welt und ihre Nachkommen schriftlich zu versichern, daß eine solche diätmäßige Betrachtung so niederschlagend, so kühlend für ihn gewesen sei! – tausendmal niederschlagender als eine Unze Salpeter, in sechzehn gleiche Portionen geteilt! – und wenn eine solche diätetische Kür vorüber war: Il n'était occupé qu'a travailler au bonheur des hommes et a exercer les devoirs de la société. – Vielleicht war dies eine Folge der vorhergehenden guten Diät!

      W.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie ein Reisender, der auf seinem Wege schon Höhen erstiegen, Sandfelder durchwandert, Flüsse durchschwommen hat und, von so vielen Beschwerlichkeiten abgemattet, noch durch einen großen Morast sich hindurch arbeiten mußte, mit froher Kraftlosigkeit an dem Ende des durchwateten Sumpfes sich niederwirft und ruhend den ganzen zurückgelegten Weg, nicht ohne Verwunderung und Freude, bei sich überdenkt: so – – –

      Dies schrieb Livius, als er die große Romanze vom achtzehnjährigen Punischen Kriege abgesungen hatte und eben die Lippen auseinander ziehen wollte, um eine neue von dem Könige Philipp und der Stadt Rom anzufangen. Aber gleich besann er sich und setzte mit halbgeöffneten Lippen hinzu:

      – wenn er dann die


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