Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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umarmten sich, und ein paar freundschaftliche Tränchen traten in Kunigundens Augen hervor.

       KUNIGUNDE

      (umarmt) »Du dankst mir für einen Dienst, den ich dir nicht geleistet habe. Du hast dir ihn selbst erwiesen; denn sind wir beide nicht eine Seele?«

       ADELHEID

      »Ja, ein Herz und eine Seele.«

       KUNIGUNDE

      »Danke mir nicht, Beste! so süß deine Umarmung für mich ist, so muß ich mich doch schämen, sie als einen Dank von dir anzunehmen. Noch vor zween Tagen hast du mir den kleinen Dienst reichlich durch einen weit wichtigern vergolten.«

       ADELHEID

      »Und dieser war?«

       KUNIGUNDE

      »Du bist sehr gütig. Du kannst Dienste besser merken, die du empfängst, als die du erzeigst. – Weißt du nicht, du Lose? – Vor zween Tagen, als die beiden Schmetterlinge hier –« wobei sie lächelnd auf ihren Busen wies, »herumflatterten.«

       ADELHEID

      (sich besinnend) »Ach ja!« – rief sie und deckte lächelnd beide Hände quer über die Augen. »Sie wählten den Tempel der Venus!« fuhr sie lachend fort.

       KUNIGUNDE

      »Und du warst die Göttin selbst, die seine Mauern schützte, daß sie nicht entweiht wurden.«

       ADELHEID

      »Ich glaube, ich habe einen umgebracht.«

       KUNIGUNDE

      »Umgebracht? Das wäre doch grausam. – Vielleicht ist der arme Unschuldige –«

       ADELHEID

      »Himmel! das wird der Arme sein, der dort liegt!«

       KUNIGUNDE

      »Gewiß ist er's! – O was kann man tun, um unsre Grausamkeit wiedergutzumachen?«

       ADELHEID

      »Wir wollen ihn begraben.«

       KUNIGUNDE

      »Viel eher wollte ich mich selbst begraben lassen, als ihn mit meinen Händen berühren! – Du Grausame! den armen Schmetterling umzubringen! ihn und seine Gattin zu trennen! Mitten in dem –«

       ADELHEID

      »Es tut mir selber leid. – Was kann ich nur tun, um ihn meine Reue empfinden zu lassen?«

       KUNIGUNDE

      (seufzend) »Ach! so werden auch wir einst voneinander gerissen werden! – Fürchterlicher Gedanke! ohne dich zu sein!

       ADELHEID

      »O ich zürne auf dich, daß du eine solche Szene – eine so schreckliche Szene –«

      (Hier stockte der Fluß ihres Witzes gänzlich; sie hustete; sie seufzte; sie ächzte; aber der vielversprechende Gedanke blieb unvollendet und blieb es bis an ihren Tod. Endlich setzte Fräulein Kunigunde nach einem langen Erwarten das Gespräch fort) :

      »Zürne nicht! Die Vorstellung ist zu empfindsam süß bei aller ihrer Schrecklichkeit –« Sie fiel Adelheiden um den Hals und rief schluchzend: »Mich von dir zu trennen! – Ach du Beste! du Englische! – Tagelang soll meine Klage um dich ertönen! Alles, was ich sage, soll ein Klagelied auf deine Entfernung sein!«

       ADELHEID

      »Meine Allerliebste! – – – Ich dächte, wir ehrten den unglücklichen Schmetterling durch ein Lied.«

       KUNIGUNDE

      »Vortrefflicher Einfall! – Hier ist Papier! Hier Bleistift! Ich schreibe, und gemeinschaftlich machen wir das Lied. Doch ein Liedchen in unserm gewöhnlichen Silbenmaße?«

       ADELHEID

      »Ja, so wie das neulich – die allerliebsten Rosenblätter usw.«

       KUNIGUNDE

      »Ja, eben so. – Die Überschrift kann also wohl sein:

      Klage

      über den Tod eines Schmetterlings

      Und da Fräulein Adelheid durch ein Kopfnicken ihren Beifall darüber bezeugt hatte, schrieb sie es hin.

       ADELHEID

      »Du fängst an, meine beste Kunigunde.«

       KUNIGUNDE

      »– – – – – – – – – – – O klagt, ihr Tulpen! klagt, ihr Rosen!«

       ADELHEID

      »Schöner Anfang! – und weiter?«

       KUNIGUNDE

      »– – – – – den schönsten Schmetterling! – Hier fehlen noch zwo Silben.«

       ADELHEID

      »Ich dächte – Um ihn, den schönsten Schmetterling!«

       KUNIGUNDE

      »Vortrefflich! – nun ist es an dir.«

       ADELHEID

      »Der Reim auf ›Rosen‹ ist – kosen, liebkosen, liebzukosen; und auf ›Schmetterling‹?«

       KUNIGUNDE

      »Gewöhnlich ›Ding‹!«

       ADELHEID

      »– – – – – – – – – – – – – Nicht länger wird er euch liebkosen; – – – – – – – – – Er ist – – – Nein! – – – – Tot ist das schalkheitsvolle Ding!«

      »Hm!« sprach Fräulein Kunigunde mit einem bedenklichen Nasenrümpfen. »Hm! ich dächte, ein wenig matt!«

      »Und ich dächte, im geringsten nicht matt!« antwortete die empfindliche Dichterin völlig mit dem nämlichen Nasenrümpfen.

       KUNIGUNDE

      »Gewiß, äußerst matt!«

       ADELHEID

      »Gewiß, äußerst unrecht getadelt!«

       KUNIGUNDE

      »Wenn Sie mir erlauben, mich etwas darauf zu verstehn –«

       ADELHEID

      »Wenn Sie mir erlauben, das Ding so gut zu wissen, als –«

       KUNIGUNDE

      (hitzig) »Kurz, deine Verse sind höchst elend.«

       ADELHEID

      »Gewiß, nicht mehr als deine.«

       KUNIGUNDE

      »Die Verse sind schlecht, und wer sie verteidigt, kann nicht viel bes... –«

       ADELHEID

      »Nicht viel...? – Himmel! welche Beleidigung! Ich zerspringe vor...«, und mit diesen Worten kehrte sie ihrer Freundin erzürnt


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