Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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A.

      »Die Sie vermutlich für die wahren Meinungen halten?«

       B.

      »Freilich! sonst macht ich sie nicht zu den meinigen.«

       A.

      »Wie können Sie aber das glauben? Es ist ja keine Gewißheit, und wo die nicht ist, wie kann man da glauben?«

       B.

      »Sehr wohl! Wir wollen uns nur verstehen. Sie werden mir einräumen, daß gewiß sein und Gewißheit haben zwo nicht gleichbedeutende Redensarten sind?«

       A.

      »Wieso?«

       B.

      »Gewiß sein heißt sich etwas als wahr vorstellen; so bin ich gewiß, daß meine Meinungen wahr sind, das heißt, ich stelle sie mir als wahr vor oder – ich glaube es. Doch darum habe ich nicht Gewißheit, daß ist, weil ich sie mir als wahr vorstelle, deswegen sind sie es nicht; sind sie es nicht auch in dem Verstande eines Wesens, das sich nie betrügen kann. Es ist ja keine seltne Erfahrung nach jedermanns Geständnis, daß wir falsche Sachen für wahr halten.«

       A.

      »Das ist sie leider nicht!«

       B.

      »Aber wohl verstanden! Ich meine es in dem Sinne: ›daß wir uns oft Sachen als wahr und zu einer andern Zeit als falsch vorstellen.‹ Geben Sie das zu?«

       A.

      »Ohne Bedenken.«

       B.

      »Und auch dieses: ›Daß Sachen, die wir uns als falsch vorstellen, wahr und die wir uns als wahr vorstellen, falsch sein können.‹«

       A.

      »Ohne den geringsten Anstand.«

       B.

      »Demungeachtet stellen wir uns in jedem Falle die Sache gleich wahr vor; wir sind gleich gewiß.«

       A.

      »Nicht anders.«

       B.

      »Also ist die Vorstellung einer Sache, als einer wahren, kein Kennzeichen ihrer Gewißheit oder Wahrheit.«

       A.

      »Sonach kann sie es nicht sein.«

       B.

      »Und gleichwohl müßte ein solches Merkmal vorhanden sein, wenn jemand entscheiden wollte, ob in seiner gegenwärtigen Vorstellung Gewißheit ist; es müßte eins vorhanden sein, woran er evident erkennen könnte, daß die gegenwärtige Vorstellung ihn nicht betrügt, wie ihn schon manche betrogen hat.«

       A.

      »Es gibt auch eins.«

       B.

      »Und welches wäre das? – Unser Urteil, Gefühl, Vorstellung?«

       A.

      »Allerdings!«

       B.

      »Sie haben mir ja gleich itzt zugestanden, daß unser Urteil oft eine Sache itzt für wahr, itzt für falsch erklärt und beidesmal mit der nämlichen Gewißheit. In einem von beiden Fällen muß uns unser Urteil belügen.«

       A.

      »Das gestehe ich auch itzt noch ein.«

       B.

      »Wie kann denn also mein Urteil ein Kennzeichen der Wahrheit sein, da es mich so oft belügt und mir doch niemals einen Wink gibt, wenn es lügt und wenn es die Wahrheit sagt?«

       A.

      »Freilich nicht allzuwohl.«

       B.

      »Bei einer Sache, die durch kein Kennzeichen von andern unterschieden werden kann, sollte man denken, fände keine Gewißheit statt.«

       A.

      »Das ist ausgemacht.«

       B.

      »Denn eben in der sichern Unterscheidung des Wahren und Falschen besteht die Gewißheit, und wo jene fehlt –«

       A.

      »Da fehlt auch diese? – Wollen Sie nicht, daß ich so schließen soll?«

       B.

      »Getroffen!«

       A.

      »Aber ich werd es nicht tun. Sie sind ein Sophist. – Es ist mir freilich, als wenn Sie Recht hätten; aber es ist doch wider alle Erfahrung.«

       B.

      »Wie denn das?«

       A.

      »Sie mögen ja tun, was Sie wollen, so müssen Sie gewiß sein, sonst täten Sie es nicht.«

       B.

      »Vortrefflich! Eben dahin wollte ich. – Ihr Einwurf ist die beste Beschreibung von der eigentümlichen Gewißheit der Menschen.«

       A.

      »Wie meinen Sie das?«

       B.

      »Alle Gewißheit der Menschen ist nur momentan; sie hängt sich nur an die einzelnen Vorstellungen. In dem Augenblicke, da Sie glauben, daß es Gespenster gibt, scheint Ihnen die Sache unwidersprechlich gewiß. Wenn die Gründe dawider einen andern überreden, daß es keine gibt, so ist es ihm in dem Augenblicke ebenso unwidersprechlich gewiß, daß es keine gibt. Beide sind gleich gewiß; aber wird es jemals dahinkommen, daß die Gründe des einen die Gründe des andern gleichsam so verschlingen, daß von den letzten gar keiner mehr übrigbleibt? Wer nach diesem Vorzuge einer uneingeschränkten Gewißheit strebt, will auf flachem Boden den Gipfel einer ägyptischen Pyramide erreichen.«

       A.

      – – – – – –

       B.

      »Ich habe in dieser Betrachtung immer die Gewißheit eines Menschen mit der Gewißheit einer Uhr verglichen. Sie mag, nach dem gewöhnlichen Ausdrucke, richtig gestellt sein und richtig gehen; alles, was sie tut, ist – daß sie die Stunden deutlich zeigt oder schlägt; und ihr Besitzer richtet sich ohne Bedenklichkeit jedesmal nach ihr, ob er gleich weiß, daß sie bisweilen durch die Wirkungen des Wetters oder andrer Ursachen merklich unrecht gegangen ist. Wer es genau nehmen wollte, könnte wer weiß wie viele Gründe auftreiben, daß die Uhr nach der wahren Zeit unrecht geht, sollte es auch nur um eine Sekunde sein. Die ganze Gewißheit der Uhr und menschlicher Ideen besteht in der momentanen Überredung des Besitzers; und wollte er, um zu handeln, so lange warten, bis wider die Wahrhaftigkeit seiner Uhr und seiner Ideen nichts mehr eingewendet werden könnte, so versichre ich Sie – er bewegte in seinem ganzen Leben kein einziges Glied am Leibe.«

       A.

      »Es ist wohl wahr.«

       B.

      »Es kann auch nicht


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