Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
von allen Seiten.
»Nun, Deine Schöne ist aber wirklich spendid,« sprach der junge Graf.
»Wie? Wer?« fragte Iwan erstaunt.
»Ich denke, unser schöner Oberst, Frau von Mellin!«
Pauloff erbleichte bis in die Lippen.
»Frau von Mellin!« staunte Nahimoff, »meinst Du, daß sie –«
Die Kameraden brachen in ein lautes Lachen aus. Zufällig hatte Nahimoff indes die Hände in die Taschen seines Schlafpelzes gesteckt. »Was ist das?« murmelte er, ein kleines Etui hervorziehend.
»Noch etwas? Laß sehen«, baten die Kameraden.
Nahimoff öffnete und blieb mit allen anderen sprachlos, denn das Etui enthielt das Bild der Zarin in Brillanten gefaßt und ein Billet von ihrer Hand. »Dem ausgezeichneten Kapitän Iwan Nahimoff von seiner wohlaffektionierten Kaiserin
Katharina II.«
Nahimoff war bis an die Ohren rot geworden, aber nicht, wie die Kameraden glaubten, über die unverhoffte vielverheißende Gunst der Kaiserin, sondern über die Idee des Grafen, das Geschenk müsse von Frau von Mellin sein.
»Also es ist eine ausgemachte Thatsache,« sagte er zu sich selbst, »daß Dich dieses schöne Weib liebt, und daß Du sie wieder liebst. Alle wissen es, nur Du und sie, ihr selbst habt keine Ahnung davon. Aber die Kameraden haben Recht, – es soll anders werden!«
Und als wollte sie Antwort bringen auf seinen halb erbitterten halb lustigen Monolog, erschien zu rechter Zeit Frau von Mellin, von zwei anderen Amazonen, der Fürstin Lubina Mentschikoff und Hedwig Samarow, begleitet, auf der Schwelle seines Zeltes.
»O! gnädige Frau!« stammelte Nahimoff in unbeschreiblicher Verwirrung, »ich bin, wie Sie sehen, gar nicht in der Verfassung, Damen – diese Toilette –«
»Eine Toilette, die ebenso kostbar, als geschmackvoll und reizend ist,« sagte Frau von Mellin, den Adonis durch ihre Lorgnette betrachtend.
Pauloff stand seitwärts mehr tot als lebendig.
»Gewiß ein Geschenk,« begann Frau von Mellin, vor Eifersucht fiebernd.
»Ja, ein Geschenk,« erwiderte Nahimoff furchtsam wie eine Schulknabe.
»Von einer Dame?«
»Ja – von – einer Dame.«
»Wer ist diese Dame?«
»Es ist – es« – Nahimoff wischte sich den Armensünderschweiß von der Stirne – »es ist die Kaiserin.«
»Die Kaiserin!« wiederholte Frau von Mellin, scheinbar gleichgültig. »Das habe ich mir gleich gedacht, sie hat Geschmack, den besten feinsten Geschmack.«
»Aber wollen die Damen nicht Platz nehmen?« bat Nahimoff, dem das Blut zu Kopfe stieg. »He! Stühle, Pauloff!«
Frau von Mellin, welche ihren ehemaligen Anbeter erst jetzt bemerkte, ließ ihre dunklen Augen lange und seltsam auf demselben haften, dann ließ sie sich mit der Fürstin Mentschikoff auf eine Ottomane nieder, welche vor dem Zelte stand.
»Wir wollen im Freien sitzen,« sagte sie.
»Also Tische und Stühle vor das Zelt!« gebot Nahimoff.
Der ehemalige Kapitän gehorchte mit dem Eifer eines Sklaven, der die Peitsche fürchtet.
Nachdem alle Platz genommen hatten, befahl Nahimoff etwas kalte Küche und Wein.
Augenblicklich war alles zur Stelle.
»Wie sind Sie mit Ihrem Diener zufrieden?« fragte Frau von Mellin nachlässig, während Pauloff die Gläser füllte.
»Vortrefflich,« sagte Nahimoff, »er ist gehorsam wie ein Hund und schnell wie ein Blitz. Wäre er übrigens anders, so bin ich der Mann, ihn mir zu dressieren. Noch eine Flasche!«
Pauloff eilte sie zu bringen.
»O! wie schön Sie heute sind!« begann Nahimoff, seinen Feldsessel näher zu Frau von Mellin rückend.
»Ich? – und warum gerade heute?« lächelte Frau von Mellin, »Sie haben noch nie bemerkt, daß ich schön bin, Herr Kapitän.«
»Ich – in der That«, stammelte Iwan – »wie hätte ich auch wagen sollen, aber ich habe immer darauf geschworen, daß Sie die schönste Frau an unserem Hofe sind.«
»Ich bitte – nach der Kaiserin,« fiel Frau von Mellin boshaft ein.
»Nein, vor der Kaiserin.«
»Wie galant auf einmal!«
»Ich bin nicht galant, ich bin verliebt,« flüsterte Nahimoff.
Frau von Mellin zuckte die Achseln.
»Ich weiß, daß Sie eine Männerfeindin sind,« fuhr der Adonis fort, »daß ich ohne Hoffnung liebe.«
Eben war Pauloff zurückgekehrt und hörte, während er die Flasche auskorkte, die letzten Worte.
»Warum ohne Hoffnung?« erwiderte Frau von Mellin, kokett mit dem Fächer spielend.
»O! Sie machen mich zum glücklichsten der Sterblichen!« jubelte Nahimoff, »fülle die Gläser – Pauloff!«
Der ehemalige Kapitän zitterte am ganzen Leibe vor Wut und Eifersucht, und so geschah es, daß er den roten Wein statt in das Glas der schönen Frau, die er jetzt rasender als je liebte, über ihre weiße, mit Bouquets in farbiger Seide gestickte Robe goß.
»Wie ungeschickt!« rief Frau von Mellin.
Nahimoff sprang auf, riß die Peitsche, welche am Eingange seines Zeltes am Nagel hing, herab und wollte Pauloff schlagen, dieser zog aber blitzschnell ein Messer aus seinem Gürtel und stieß damit gegen die Brust des Uebermütigen.
Nahimoff wich dem Stoß geschickt aus, stürzte sich mit überlegener Kraft auf den vor Erregung Bebenden, entwand ihm die Waffe, warf ihn zu Boden und setzte ihm den Fuß auf die Brust.
Dies alles war das Werk eines Augenblickes. Die Damen, welche entsetzt aufgesprungen waren, begannen zu lachen, als sie den unglücklichen Pauloff sich in ohnmächtiger Wut wie einen Wurm unter dem Fuße Nahimoff’s krümmen sahen.
Soldaten liefen herbei und banden Pauloff an Händen und Füßen. Während sie ihn wegführten, sah er noch, wie Frau von Mellin ihr Glas gegen Nahimoff erhob und auf sein Wohl trank. Dann sah er nichts mehr. Es wurde Nacht vor seinen Augen.
VIII.
Pauloff hatte die Hand gegen seinen Vorgesetzten erhoben mit der offenkundigen Absicht, denselben zu töten. Das Kriegsgericht verurteilte ihn zum Tode. Frau von Mellin erwartete, daß er sie um Gnade bitten werde.
Drei Tage verstrichen. Pauloff bat nicht.
Es kam der Morgen, an welchem die Hinrichtung stattfinden sollte. Ein Offizier suchte, als der Tag graute, den Verurteilten auf und forderte ihn auf, um Pardon zu bitten.
Pauloff schüttelte den Kopf.
»Frau von Mellin selbst erwartet es,« sagte der Offizier, »ja ich darf beinahe sagen, sie hat mich hierher geschickt –«
»O! ich kenne diese Frau,« erwiderte Pauloff mit einem schmerzlichen Lächeln, »sie will nur sehen, daß ich mich vor ihr demütige, daß ich, wo möglich auf den Knieen um mein Leben bettle, um dann um so gewisser keinen Pardon zu geben.«
»Sie irren sich.«
»Ich irre mich nicht, ich danke Ihnen, aber ich irre mich nicht und ich werde nie und niemals um Gnade bitten,« schloß der Verurteilte.
Als die schone Amazone von seinem Entschlüsse Meldung erhielt, stampfte