Seewölfe - Piraten der Weltmeere 15. Davis J. Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 15 - Davis J.  Harbord


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      Impressum

      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-198-1

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      1.

      In der „Bloody Mary“ in Plymouth, Ecke Millbay Road – St. Mary Street, standen die Zeichen auf Sturm. Es war der Abend des 13. November 1577.

      Nathaniel Plymson, der feiste Wirt der „Bloody Mary“, trug seine Perükke bereits verkehrt herum und wischte sich ständig die Haare von der schweißnassen Stirn. Hinten waren diese Haare natürlich länger als vorn. Da er aber seine Perücke um einhundertachtzig Grad verschoben hatte, hingen ihm die langen Zotteln über Auge und Nase und behinderten seinen Rundumblick. Er verlor allmählich die Übersicht.

      Vor seinem Tresen stauten sich die Kerle, die mal eben einen Humpen stemmen wollten. Sie waren alle so freundlich wie Straßenköter, die sich wegen eines wochenalten, abgenagten und kahlen Knochens anknurren.

      Links von ihm prallten neue Zecher in die „Bloody Mary“ und schrien schon in der Tür, daß sie die verdammte Bude leersaufen wollten.

      Und rechts von ihm, an den Tischen zwischen den steinernen Stützpfeilern, da begann jener Krawall zwischen Seeleuten, die sich wegen einer Hure in die Wolle kriegen oder einfach nur so drauflos schlagen wollen.

      Rechts war das Zentrum des Sturms.

      Da saß zum Beispiel der eisenharte Edwin Carberry, Profos der Galeone „Marygold“, und hielt dem ehemaligen Schiffszimmermann der Beute-Galeone „Isabella“ die Faust unter die Nase.

      „Ferris Tucker“, sagte er und tupfte die Handknöchel unter die Nasenlöcher des Schiffszimmermanns, „du magst vielleicht bei dem Seewolf ’ne Nummer haben, aber bei mir bist du eine müde Krücke.“

      „Ich gehöre zur Crew von Philip Hasard Killigrew“, sagte Ferris Tukker grollend und wischte die Faust Carberrys weg. „In Irland hättet ihr ohne den Seewolf und uns den Arsch zugekniffen.“

      „Ha!“ schrie Carberry. „Ihr miesen Kakerlaken, ihr Segler auf dem Nachttopf ...“

      Die kleine Hand Donegal Daniel O’Flynns, geballt, stand plötzlich unter dem Kinn Carberrys.

      „Sag das noch mal, Edwin Carberry, und ich stopf dir das Maul.“ Dan O’Flynn, knapp sechzehn Jahre alt, war so wild wie ein ausgewachsener Stier. Er war dürr und schmal, aber hart und sehnig. Er zitterte vor Wut.

      Neben ihm stieg Pete Ballie, Rudergänger der abgesoffenen „Isabella“, vom Hocker hoch und zeigte dem Profos ebenfalls die Fäuste. Die hatten den Umfang einer Bratpfanne. Und neben Peter Ballie schob Stenmark, ein blonder Schwede, den Hokker zurück und krempelte die Hemdsärmel auf.

      Der eiserne Carberry fegte sämtliche Kannen und Humpen vom Tisch, knurrte, wuchtete sich hoch und sagte: „Ihr seid wohl lebensmüde, he? Was, wie?“

      Mac Pellew, Koch der „Marygold“, der rechts vom Profos saß, zerrte am Hemd Carberrys und sagte grämlich: „Laß das, Ed, sauf lieber. Gegen die Bande des Seewolfs bist du ’ne Null. Die spielen mit dir Fangen, und deine Zähne werden auch weniger.“

      „Ha!“ brüllte Ed Carberry. „Männer der ‚Marygold‘! Habt ihr das gehört?“

      Sie hatten es gehört. Sie saßen an den Nebentischen, soffen oder spielten den Gockel bei Nathaniel Plymsons weiblicher Truppe, die darauf getrimmt war, für viel Geld wenig zu zeigen. Das heißt, die Ladys steigerten zwar die Sauflust der Zecher, damit die Weinfässer Nathaniel Plymsons leer wurden, aber um das Nahgefecht in den Kammern über der Kneipe schacherten sie wie ausgekochte orientalische Markthändler.

      Die Männer der „Marygold“ hatten Carberrys Kampfruf zwar gehört, aber sie reagierten nicht. Das hatte die obengenannten Gründe, außerdem war die Crew des Seewolfs dafür bekannt, alles zu Kleinholz zu verarbeiten. Sie glotzten zu ihrem Profos hoch, der breit und massig hinter dem Tisch aufragte, aber sie dachten gar nicht daran, für ihren Profos Stellung zu beziehen.

      Nur ein paar Männer von der „Elizabeth“ und der „Swan“ – alles Schiffe, die zu einem Verband unter Kapitän Francis Drake gehörten – ruckten hoch und begannen zu lauern. Bei denen spielte der Neid eine gewisse Rolle. Denn die Männer Philip Hasard Killigrews, des legendären Seewolfs, hatten die Taschen voller Silber – ihr Anteil von der Silberbeute der spanischen Galeone „San Mateo“, die sie mit dem Seewolf gekapert und in einer verwegenen Fahrt von der spanischen Reede vor Sevilla nach Plymouth gesegelt hatten.

      Sie waren dem Sensenmann von der Schippe gesprungen, und seit Wochen ließen sie in der „Bloody Mary“ die Puppen tanzen. Klar, daß die Habenichtse der anderen Schiffe mit scheelen Blicken auf die Seewolf-Männer schauten und nur darauf warteten, sie in die Pfanne hauen zu können. Und wenn ein Mann wie der eisenharte Carberry der zündende Funke war, dann sollte ihnen das nur recht sein.

      Aber der erboste sich jetzt mehr über seine müden Männer von der „Marygold“ als über die grinsende Mannschaft Philip Hasard Killigrews.

      „Männer!“ schrie er. „Sollen wir uns von diesen Rübenschweinen beleidigen lassen?“

      „Ich fühl mich nicht beleidigt“, sagte Mac Pellew.

      „Ich auch nicht“, sagte Big Niels, ein blonder Däne, der auf der „Marygold“ in den letzten Monaten als Stückmeister gefahren war.

      „Wollt ihr etwa kneifen?“ fauchte Carberry sie an.

      Big Niels grinste. „Kneifen ist immer gut“, sagte er und zwickte der dunkelhaarigen Lady, die auf seinem Schoß saß, in den Hintern.

      „Huch!“ schrie die Lady. „Was machst du da?“

      „Kneifen“, sagte Big Niels. „Du hast so einen schönen Popo!“

      Edwin Carberry geriet völlig aus der Fassung, weil sich Big Niels mit anderen Dingen beschäftigte, statt ebenfalls auf die Hasard-Männer wild zu werden.

      „He, du dänischer Lümmel!“ brüllte er ihn an. „Laß die Alte sausen. Die kannst du auch später noch in den Hintern zwicken. Jetzt geht’s rund! Auf, Männer! Zeigt den Kakerlaken, von wo bei uns der Wind pfeift! Gebt’s ihnen!“

      Die „Marygold“-Männer blieben sitzen. Dafür kamen die Männer von der „Elizabeth“ und der „Swan“ hoch.

      Mac Pellew ächzte, als er es sah.

      Und Big Niels war ziemlich wütend — nicht auf die Hasard-Männer, auf Edwin Carberry. „Dänischer Lümmel“ hatte er ihn genannt, dieser englische Ochse. Er setzte die Lady unsanft auf einen Stuhl, stand auf, zog sich die Hosen mit einem entschlossenen Ruck hoch, kümmerte sich einen Dreck um das Gejammer Mac Pellews, der ihn zurückhalten wollte, walzte auf Carberry los und trat ihn vors Schienbein.

      „Au!“ schrie der Profos und hielt sich das Bein.

      Big Niels feuerte aus der Hüfte einen rechten Haken hoch, der voll Carberrys Kinn traf und ihn über einen Tisch beförderte. Der Tisch brach zusammen.

      Die Männer von der „Elizabeth“ und der „Swan“ verharrten unschlüssig. Hasards Männer lachten sich halbtot. Edwin Carberry stand fluchend auf, brach ein Tischbein aus der Trümmermasse und schwang es drohend gegen Big Niels.

      Der Däne bewaffnete sich mit einem dreibeinigen Hocker.

      Nathaniel Plymson rang die Hände. Es war wieder soweit. Innerhalb der nächsten halben Minute würde in der „Bloody Mary“ der Teufel los sein.

      „Nein“, flüsterte der feiste Plymson, „bitte nicht, Leute. Hört auf!“ In seiner Aufregung merkte er nicht, daß er mit seiner Perücke, statt mit dem Scheuerlappen, seine Theke polierte.

      Den Krawall eröffnete ein Weinkrug, der aus einer dunklen Ecke heranflog und wie ein Geschoß in das Flaschenregal hinter dem Tresen krachte. Die Glatze Nathaniel Plymsons verfehlte er um eine knappe Fingerbreite. Plymson ging in die Knie, als habe ihn der Luftzug umgeweht.


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