Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
und atemlos kommt Inge ihr entgegengelaufen.
»Herr Kempen ist bereits eingetroffen«, stößt sie hervor.
»Ach, du lieber Gott«, entfährt es Brigitt. Sie weiß vor Schreck gar nicht, was sie zuerst machen soll. Sie drückt Inge einen Teil der Blumen in die Hand.
»Die stellen Sie in das Wohnzimmer des Herrn.«
Eiligst – eigentlich hat Brigitt es immer eilig – sucht sie die Küche auf.
»Wir müssen das Menü ändern, Miene«, sagt sie zur Köchin. Diese nickt gleichmütig.
»Ich weiß, Frau Brigitt, wir haben Gäste. Endlich wieder mal ein paar mehr Menschen im Herrenhaus. Da lohnt sich das Kochen wenigstens.«
»Sie sind doch ein vernünftiges Frauenzimmer, Miene.« Birgitt strahlt wieder. »Also machen Sie es besonders nett heute. Sie wissen schon.«
Verständnisinnig zwinkert sie Miene zu und ist schon wieder auf und davon. Sie richtet in ihrem Zimmer ihr Haar neu, zieht ihr Schwarzseidenes an, nimmt die Blumen, die sie für Hertha Springer zurückbehalten hat, und erscheint in der Halle, wo Kempen, Feodora und Hertha Springer zusammensitzen.
Noch stehen die Koffer abseits.
Die Begrüßung zwischen Hertha und Brigitt ist sehr herzlich, und Hertha ist
hocherfreut über die Blumen.
»Vielen Dank, Brigitt.«
Auch Kempen begrüßt seine alte treue Brigitt sehr warm. »Und wo steckt Viola?« fragt er, sich umsehend.
»Bei den Pferden. Sie wird aber sicher bald heimkehren«, versichert Brigitt hastig.
»Nun, dann werden Sie Viola später kennenlernen, Hertha«, sagt er gelassen. »Wir nehmen erst einen Erfrischungstrunk. Ist es Ihnen recht?«
Er zieht die Hausbar herbei und beginnt zu mixen. »Möchtest du lieber einen Sherry?« wendet er sich höflich an seine Tante.
»Ja, einen Sherry«, gibt sie kühl wie stets zurück, vielleicht sogar noch eine Nuance kühler als gewöhnlich. Zufällig treffen sich Kempens und Herthas Blicke. Nach dem sehr unhöflichen Empfang von Tante Feodora kann Hertha nichts mehr erschüttern. Sie lächelt Kempen leicht zu, und beruhigt gießt er das Getränk in das Glas und stellt es vor Feodora nieder.
Dann bedient er Hertha und sich. Er reicht die Ebenholzdose mit Zigaretten herum und wundert sich, daß sogar seine Tante davon nimmt. Wie sie raucht, läßt ihn erkennen, daß sie sich in einem äußerst gereizten Zustand befindet. Er übergeht es mit Gelassenheit und zieht sie immer wieder mit ins Gespräch.
Brigitt überwacht die Mittagstafel, findet alles gut vorbereitet und schaut auf die Uhr. Wo nur das Mädel bleibt? Warum kommt sie nicht zur Mittagstafel?
Nach dem Trunk begleitet Brigitt den neuen Gast in sein Zimmer. »Wie schön«, sagt Hertha begeistert und tritt näher. »Sie haben mir doch die schönsten Zimmer gegeben, Brigitt.« Liebenswürdig, wie es ihre Art ist, legt sie Brigitt die Hand auf die Schulter. »Und die schönen Blumen! Ich danke Ihnen, Brigitt.«
Brigitt schmunzelt. »Sie sollen sich doch bei uns wohl fühlen, gnädige Frau.«
Hertha Springer öffnet die Tür zum Badezimmer. „Kann man erst noch ein Bad nehmen, Brigitt – oder wird bald gegessen?«
»Ich weiß selbst nicht.« Brigitt sieht bekümmert drein. »Vielleicht will Herr Kempen auf Viola warten?«
Hertha lehnt am Türrahmen. »Wissen Sie schon, daß ich zukünftig hier wohnen werde?«
Brigitt ist erstaunt, aber doch sehr erfreut. »Wirklich? Das ist nett.«
»Aber den Grund wissen Sie noch nicht.« Plötzlich zuckt ein Schreck zu Brigitts Herzen. Tilo Kempen und Hertha werden doch nicht etwa…
Hertha sieht das verunglückte Lächeln auf Brigitts Zügen und lacht hell heraus. »Nein, Brigitt. Nicht das, was Sie denken. Ich soll Ihrem Schützling etwas beibringen. Sie sozusagen gesellschaftsfähig machen.«
»Ach so!« Brigitt schämt sich geradezu ihrer Gedanken, und doch wäre es an der Zeit, daß sich der Herr von ›Eichenwald‹ um eine Frau bemühte. Aber – nein – etwas anders hat sie sich diese Frau doch wohl vorgestellt, obgleich gegen Hertha Springer nichts einzuwenden wäre. Nur mit dem Alter würde es nicht recht klappen. Die Vierzig mag Hertha Springer wohl schon erreicht haben. Man sieht es ihr nicht an, sie ist gepflegt und trägt sich schlicht und ansprechend. Gerade darum wirkt sie wohl jünger als sie ist.
»Können Sie mir nicht etwas von Viola erzählen?« fällt Hertha in Brigitts Gedankengänge ein.
»Es ist besser, Sie lernen sie ohne Vorurteil kennen, gnädige Frau«, weicht sie einer direkten Beantwortung aus. »Sie wird doch bald kommen. Darf ich sie Ihnen noch vorder Mahlzeit schicken? Oder hat sich das Herr Kempen vorbehalten?«
»Bringen Sie mir nur das Mädel«, erwidert Hertha erheitert. »Ich bin direkt neugierig auf Viola.«
Aber Viola kommt nicht. Die Essenszeit ist schon überschritten, als Feodora Kempen verärgert den Auftrag zum Servieren gibt.
Sie nehmen das Mahl im Wintergarten ein. Brigitt hat die Fenster hochschieben lassen. Im Augenblick herrscht noch Kühle.
Hertha hätte sich wie im siebenten Himmel gefühlt, wären nicht die kalten, abwägenden Blicke Feodoras immer wieder fragend auf ihr ruhen geblieben.
Kempen versucht mit seinem ganzen Charme, die eisige Atmosphäre seiner Tante zu überbrücken. Aber er fühlt sich auch irgendwie gehemmt.
Er hat sich so sehr nach Violas Anblick gesehnt, daß er bitter enttäuscht ist. Aber davon merkt man ihm wenig an. Er versteht sich ebenfalls zu beherrschen. Leise Unruhe befällt ihn, als sie beim Mokka angekommen sind und Viola sich immer noch nicht sehen läßt.
Schließlich ziehen sich die Damen zu einer kurzen Ruhe zurück. Kempen geleitet seinen Gast bis vor die Zimmertür.
»Schade, Tilo, ich hätte Viola gern kennengelernt.« Sie reicht ihm die Hand. »Nochmals vielen Dank für Ihr großzügiges Angebot, Tilo. Sie haben keine Ahnung, was es für mich bedeutet. Hoffentlich komme ich mit Viola gut aus.«
»Lernen Sie sie kennen, Hertha. Bis zur Kaffeezeit. Inzwischen reite ich zu den Pferden. Irgendwo werde ich sie wohl einfangen. Angenehme Ruhe.«
Sie sieht ihm nach, wie er mit schnellen elastischen Schritten den Flur mit den dicken Teppichen entlanggeht und wie er hinter einer Tür verschwindet.
Kempen kennt keine Müdigkeit. Er läßt sich von Johann, den er wieder mitgebracht hat, seinen Reitanzug zurechtlegen und ruft hinüber in die Stallungen, damit man Sturmwind für ihn sattelt und vorführt.
Wenig später reitet er davon. Es ist eine flirrende Hitze. Aber das stört ihn nicht. Der Wind weht ihm Kühlung zu. Wie losgelöst von allem Bedrückenden, fliegt er förmlich auf dem Pferderücken dahin.
*
Viola hat ein paar wonnige Stunden zwischen den Pferden verbracht. Immer ist Jack Harry neben ihr zu sehen. Er sieht ihr an, daß sie nur dem Augenblick entgegenfiebert, da sie zu ›Satan‹ kann.
»Nun laufen Sie schon, Viola«, ermuntert er sie. »Aber kommen Sie dann zum Essen in das Verwalterhaus. Ich habe ein Extraessen für uns bestellt.«
Sekundenlang denkt Viola an Tilo Kempen, der sich angesagt hat, aber dann sieht sie die eiskalten Augen Feodoras vor sich und wirft alle Bedenken über Bord.
»Gut, Mister Harry, wann soll ich mich einstellen?«
»Ich hole Sie ab, Viola. Viel Vergnügen mit ›Satan‹.« Das klingt nicht ironisch oder spöttisch, sondern aufmunternd, und sie lacht ihm herzlich zu. Sie hat sich nicht gescheut, die Pferde mit zu füttern. Ihre einst blütenweiße Bluse ist arg angeschmutzt und zerknittert. Aber das macht ihr gar nichts aus. Sie sieht unendlich glücklich aus und Harry hat seine helle Freude an ihrer Begeisterungsfähigkeit.