Geschichte der Ilchane, das ist der Mongolen in Persien. Freiherr von Joseph Hammer-Purgstall
Blut fest in der Hand verschliessend zur Welt kam, die er mit Blut überschwemmen sollte. Von den ersten zwölf Jahren seines Lebens, in dessen dreizehntem er den Vater Jisukai verlor, weiss die Geschichte Nichts, als dass dieser ihm den Namen Temudschin von dem am Tage seiner Geburt besiegten und gefangen eingebrachten Fürsten gab; die übrigen sechzig Jahre seines Lebens zerfallen in die frühere kleinere Hälfte, welche sieben und zwanzig Jahre umfassend, von seinem dreizehnten bis an sein vierzigstes, und in die zweite grössere, welche von seinem vierzigsten bis zu seinem Tode zwei und dreissig Jahre füllt; von der ersten Hälfte, in welcher er den wiederholten Unbilden seiner Feinde ausgesetzt sich nur mühsam die Freiheit und Unabhängigkeit erkämpfte, kennt die Geschichte verhältnissmässig für die Zahl der Jahre nur wenige Begebenheiten, aber desto gellender und ohrenzerreissender durchschmettert sein Namen in den folgenden zwei und dreissig Jahren die Welt. Der grosse Geschichtschreiber Reschideddin hat die Geschichte des Lebens und der Herrschaft Tschengischan's von seinem dreizehnten Jahre bis in dessen drei und siebzigstes eben so pragmatisch als lichtvoll in fünf Perioden, die erste von dreimal neun, die zweite von neun, die dritte und vierte von sieben, die fünfte abermal von neun Jahren eingetheilt.[37] In der ersten Periode tritt er als Sieger der Taidschut, deren Gefangene in siebzig Kesseln gesotten worden, auf; schon wider seinen persönlichen Feind, Dschamuka, den Fürsten der Dschadscherat, kämpfend, von denen sich jedoch ein Theil ihm unterwirft, sowie die Stämme Suldus, Jisut und Barin, deren Emire sich seinem Dienste anreihen. Die Gelegenheit eines Festes führt einen Streit mit dem Vetter Sedschebegi, dem Fürsten des nahverwandten Stammes der Kijat Burkin, herbei, der nun Temudschin gegenüber als Bewerber um die oberste Herrschaft auftritt; aber diesen Abfall vergütet der Sieg über die Tungkait, einen Zweig eines wider seinen Fürsten Owangchan, welchem Temudschin Hilfe leistet, empörten keraitischen Stammes. In der zweiten Periode erscheint Temudschin als Verbündeter Owangchan's, des Fürsten der Kerait, wider die ihnen beiden feindlichen Stämme der Naiman Merkit und Tataren; nach Besiegung derselben unterwirft sich der mächtige Stamm der Konghurat der Herrschaft Temudschin's, und er besteigt den Thron als Herr der Mongolen in seinem siebenmal siebenten Jahre. Verschmähte Brautwerbung und Dschamuka's Ränke führen den Krieg mit Owangchan herbei, von welchem Temudschin zwar am Quell Baldschuna geschlagen, in der Folge denselben, sowie die Naiman und Merkit oder Tangut, besiegt, worauf ihm die Uighuren, Kirgisen, huldigen, und er als Herrscher aller Mongolen die neungipflige Fahne mit neun weissen Rossschweifen aufgepflanzt, und den Namen Temudschin in Tchengis, d. i. starker, grosser, gewaltiger Herrscher, verwandelt. Die folgende Periode füllt der siebenjährige chinesische Krieg und die letzten neun Jahre seines Lebens die Feldzüge wider Chuaresmschah's über ganz Vorderasien verbreitete Macht in Transoxana, Chuaresm, Chorasan, Iran und Kipdschak, theils in eigner Person, theils durch seine Söhne und Feldherren, zuletzt die vierte wider Tangkut, wo er seinen Lauf als Eroberer beschliesst. Gibbon hat diese Eroberungen nach den vier Weltgegenden, im Norden, Süden, Osten und Westen, überblickt. Da die Geschichte Tschengischan's zu schreiben und blos die Eroberungen aufzuzählen, hier nicht unser Zweck, so beleuchten wir die grosse historische Figur Tschengischan's von vier Seiten, zuerst in seiner Familie als Menschen, dann gegenüber seinen Feinden als Sieger und Eroberer, hierauf als Staatsmann und Gesetzgeber, und endlich in dem Ueberblicke seiner Heeresmacht und letzten Anordnungen als den Gewaltigen im eigentlichsten Sinne des Worts.
Die Familie Tschengischan's.
Man kennt insgemein nur die vier Söhne Tschengischan's: Dschudschi, Dschaghatai, Ogotai und Tuli, die Stammväter der vier nach ihnen genannten Uluse aus der Konghuratin Burte Fudschin; aber Tschengis hatte noch vier andere Söhne: Kulkan oder Gulgan[38] aus Kulan Chatun, der Tochter Tairosun's, des Fürsten der Merkit, und drei, die als Kinder gestorben[39]; seine sechs Töchter[40], von denen er vier an die Prinzen feindlicher Stämme vermählte, um die alte Feindschaft zu sühnen, und nur zwei an befreundete Fürsten, nämlich: Alakabegi an den Fürsten der Ungkut, welcher ihm den Durchgang der grossen Mauer geöffnet, und Kalbi an Idikut, den Fürsten der Uighuren, der ihm gehuldigt, so dass er ihn nicht anders als seinen fünften Sohn nannte. Das Frauengemach Tschengischan's war mit einem halben Tausend von Weibern und Mädchen bevölkert, aber von diesen fünfhundert hatten nur fünf den Titel von grossen Frauen, als die fünf Centurionen dieser fünf Weibercenturien, nämlich: 1. Burte Fudschin, die Tochter des Stammhauptes der Konghurat, Mutter der vier Söhne, Gründer der vier Uluse; 2. Kulan Chatun, die Tochter Tairosun's, des Fürsten des feindlichen Stammes der Merkit, Mutter des Sohnes Gulgan; 3. die beiden Tatarinnen, Schwestern, Jesulat und 4. Jesulun; 5. Kundschu, die Tochter des chinesischen Kaisers, welche keine Kinder hatte und in deren Lager sich die durch ihre Schönheit berühmte Hogutai befand; als die nächsten an diesen fünf grossen Frauen sind fünf andere von der Geschichte bezeichnet, nämlich die Tochter des viermal mit Krieg überzogenen Fürsten von Tanghut, die Tochter Tajangchan's, des siebenmal besiegten Fürsten der Naiman, die Naimanin, Mutter des Sohnes Dschurdschetai, die Tatarin, Mutter des Sohnes Urdschahan, und endlich Abika, die Tochter Hakembu's, des Fürsten der Kerait, welche Tschengischan durch ein Traumbild erschreckt, dem Vertrauten Kehti Nujan, der in dieser Nacht die Nachtwache hielt, mit allen ihren Schätzen und Pagen schenkte, und als Andenken von ihr nur den Becher, worin sie mit ihm Kumis, d. i. Stutenmilch, getrunken, und von ihrem Gefolge einen Tafeldecker zurückbehielt. Sollte den Barbaren vielleicht die Ahnung einer Neigung zwischen der Prinzessin und dem Leibwächter zum grossmüthigen Opfer dieser Abtretung bewogen haben? oder hat ihm dieselbe wirklich ein Traum abgeschreckt? selbst in diesem Falle ist das zurückbehaltene Andenken eine ganz unerwartete Spur menschlichen Gefühls in der Brust eines Wütherichs, wie Tschengis, der schon als Knabe, ehe er noch dreizehn Jahre alt, in Gemeinschaft mit dem Bruder Belgutai den Bruder Belter erschlug; die überlebenden vier Brüder Temudschin's sind Belgutai, sein Theilnehmer am Brudermord, Kodschuiu, dessen Sohn Iltschidai einer der treuesten und eifrigsten Diener des Oheims, auf dessen Wink er den gefangenen Todfeind Dschamuka zerhieb; der jüngste, Temengu Uldschigin, d. i. der Feuer- oder Herdhüter (seine Mutter war die Olkunutin Usedenu, Verwandte der Mutter Tschengischan's), ein grosser Bauliebhaber, der überall, wo er hinkam, baute, und so viel es in seinen Kräften stand, – wenigstens dem Willen nach gutmachte, was der Zerstörungstrieb des Bruders Eroberers verheerte; endlich Dschudschi Keser, wegen seines athletischen Körperbaues und seiner Stärke der Löwe beigenannt; seine Brust war so hoch gewölbt, sein Bauch so zurückgezogen, dass, wenn er worunter lag, ein Hund unter dem Bauche durchlaufen konnte, seine Stärke so gross, dass er gefangene Feinde wie Pfeile in die Hand nahm, indem er ihnen den Rückenwirbel wie Pfeile zerbrach.[41] Er war der starke Helfer Tschengischan's, der ihn auszeichnete, aber auch ein Paarmal mit ihm unzufrieden, die Beweise seiner Zufriedenheit und Unzufriedenheit, die erste ehrenvoll und die zweite nachtheilig, auf die Nachkommen desselben vererbte. Als Merkmal der Zufriedenheit seiner in dem Kriege wider die Naiman bewiesenen Tapferkeit räumte Tschengis allen Nachkommen des Oheims das Recht ein, wie die Prinzen Söhne auf der rechten Seite des Thrones zu sitzen, während alle andere Verwandte des Hauses auf der linken Seite mit den Emiren[42]; aber als in dem Kriege wider die Kerait Dschudschi Keser zu spät kam und zur Zeit des Mahles auf sich warten liess, sagte Tschengischan: „So erscheinen Mücken, nur wenn sie die Sonne bescheint, und verschwinden, sobald sie sich versteckt; der Thautropfen will, so klein er ist, mittels der Leiter der Sonnenstrahlen zum Himmel steigen.“ In seinem Unwillen gab er die unverbrüchliche Satzung, dass kein Glied der Familie Dschudschi Keser's je der Chanschaft würdig geachtet werde, und erniedrigte also alle Nachkommen desselben für alle künftige Zeiten zu blossen Emiren Karadschu, d. i. unterthänigen Fürsten.[43]
Die Feinde Temudschin's bis zu seiner ersten Thronbesteigung.
Der Jugendfreunde Temudschin's ist schon oben bei den Stämmen Erwähnung geschehen; seine Feinde können in vier Klassen getheilt werden, erstens die persönlichen unversöhnlichen; zweitens die besiegten und zum Theile, wenigstens dem Scheine nach, versöhnten Stämme; drittens die sich Herrschaft anmassenden Nebenbuhler um den Thron, und viertens, nachdem Tschengischan denselben bestiegen, die reichsgefährlichen feindlichen Mächte. Der erbittertste seiner persönlichen Feinde ist Dschamuka Sasan, d. i. der Listige, der Fürst der Dschadscherat, dessen List ihn mit Owangchan entzweite