Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer


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es gibt auch keine weiteren Ermittlungen. Anscheinend ist Uli doch irgendwo abgestürzt.«

      »Wie kann das sein, Korbinian? Du weißt selbst, wie gut Uli den Weg kannte. Jedes Mal hat er ihn unbeschadet hinter sich gebracht. Er ist hier im Karwendel aufgewachsen, war ein geübter Kletterer.«

      »Ja, das war er, Franzi, aber wir dürfen auch nicht vergessen, wie leichtfertig er oft war. Jeder Mensch hat seine Grenzen. Das aber hat mein Bruder nie eingesehen. So schwer wie das alles ist, wir müssen hier weiterarbeiten. Wie steht es bei euch mit der Mahd? Bekommt ihr Hilfe aus dem Dorf?«

      Franzi wischte sich über die Stirn. Es war ihr anzumerken, dass sie jetzt nichts anderes denken konnte, als was Uli geschehen sein mochte.

      »Ich habe mich noch gar nicht um Hilfe umgesehen«, gestand sie, »aber du hast recht, ich sollte es tun. Hoffentlich finde ich noch Leute, allein schaffen Vater und ich es nicht, das Heu rechtzeitig in die Scheune zu bringen. Im vorigen Jahr bist du eingesprungen.«

      »Das werde ich auch in diesem Jahr tun.« Das sagte Korbinian mit fester Stimme. »Ja, wenn das Wetter so hält, komm ich morgen mit zwei Männern herüber.«

      »Das willst du wirklich tun? Trotz allem?«, fragte Franzi ungläubig.

      »Warum nicht? Ich habe auf unserem Hof genug Hilfe und bin mit allem besser ausgerüstet als ihr hier. Von dem anderen wollen wir nicht mehr reden. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dir zu nahe trete oder gewisse Hoffnungen an meine Hilfe knüpfe. Was vorbei ist, ist vorbei, deshalb muss man nicht in Feindschaft leben.«

      Franzi konnte dazu nichts mehr sagen. Sie hätte sich bedrückt fühlen müssen, dass Korbinian so großherzig war, aber sie spürte nur den Schmerz um Uli.

      *

      So ging es ihr auch in der Zeit noch, in der Korbinian täglich mit zwei Männern kam, ihr Gras auf den Hängen mähte und es in die Scheune brachte, sobald es getrocknet war. Als er gesehen hatte, dass das Waldstück ausgeholzt werden musste, das den Feistauers gehörte, übernahm er auch diese Arbeit. Josef Feistauer konnte ihn nicht genug loben, Franzi aber brachte ein solches Wort nicht über die Lippen. Sie sah ihm nur an jedem Tag mit hoffnungsvollen Blicken entgegen, als könne doch ein Wunder geschehen sein und er bessere Nachricht über Uli bringen.

      Doch die kam nicht. Allenthalben sprach man von Uli, als sei es sicher, dass er oben im Gebirge den Tod gefunden hatte. Jeder hier wusste, dass man manchen nie fand, der in die Tiefe abgestürzt war.

      Franzi konnte solche Reden nicht hören. Sie verbiss sich immer mehr in den Gedanken, selbst nach Uli zu suchen. Nur wenn sie ihn als Toten fand, würde sie glauben können, ihn für immer verloren zu haben.

      Eines Tages fasste sie einen endgültigen Entschluss. Diesen teilte sie auch Ulis Bruder mit: »Ich mache mich auf den Weg, den Uli gegangen ist, Korbinian«, sagte sie. »Die Polizisten werden nicht gründlich genug gewesen sein. Uli hat mir doch von einer Alm und einer bewirtschafteten Schutzhütte erzählt, wo er immer eingekehrt ist und auch manchmal übernachtet hat. Dort muss ich nach ihm fragen, damit ich überhaupt weiß, wie weit er gekommen ist.«

      Korbinian schüttelte den Kopf. »Nein, Franzi, tu das nicht. Dieser Weg ist viel zu gefährlich für dich. Ich bin ihn auch schon gegangen und kenne seine Tücken. Oft kommst du an Felsen nicht vorbei und musst sie übersteigen, um wieder auf einen Pfad zu kommen.« In Korbinians Augen war deutlich die Angst um das Mädchen zu sehen, das er noch immer liebte.

      Jetzt griff auch Franzis Vater ein. Er war vor Schreck blass geworden. »Das wirst du mir doch nicht antun, Madl, dass du mich in solche Angst stürzt. Hör auf Korbinian.«

      »Das kann ich nicht. Ich würde hier keine ruhige Minute mehr finden, wenn ich diesen Weg nicht nachgehe und absuche. Ich muss es tun, Vater.«

      Vergeblich redeten beide Männer auf Franzi ein, doch sie ließ sich ihr Vorhaben nicht ausreden. Als sich Korbinian verabschiedete, drückte er ihr die Hand. »Komm gesund wieder, Franzi. Kehr lieber um, wenn du einsiehst, dass der Weg für dich zu gefährlich wird. Das wär keine Schand’, aber das andere, wenn du deinen Vater hier für immer allein lässt, das wäre schlimm.«

      »Das werd ich nicht. Ich bin sicher, dass ich heil zurückkomme, aber vielleicht weiß ich dann das, was ich einfach wissen muss, wenn ich meine Ruhe wiederfinden will. Behüt dich Gott, Korbinian, und hab Dank für das, was du hier getan hast. Es war nicht selbstverständlich.«

      Korbinian ging, ohne noch ein Wort zu sagen. Franzi aber füllte schon einen Rucksack mit dem, was sie unterwegs brauchen würde.

      *

      Franzi hatte ihren Anorak schon auf den Rucksack gepackt, in Bundhose und einer leichten Bluse stieg sie weiter bergauf. Die Sonne brannte so vom Himmel, dass es ihr viel zu heiß geworden war. Dadurch drückte der Rucksack noch mehr auf ihrem Rücken. Sie wusste, dass sie noch auf dem richtigen Weg war. Immer wieder sah sie kleine Schilder, die ihn auswiesen. Zuerst musste sie auf die Hohenalm. Von dort konnte sie weiter zu der Schutzhütte aufsteigen. Das war noch ein ungefährlicher Weg.

      Um die Mittagszeit kam sie auf einer sattgrünen Matte an. Kühe weideten darauf. Es war ihr recht, dass sie jetzt eine Rast machen konnte. Sie war auf der Hohenalm angekommen.

      Vor der Sennhütte stand ein strammes blondes Madl und hielt nach ihr Ausschau. Schon rief sie: »Schön, dass endlich mal wieder jemand hier heraufkommt. Was soll’s denn sein? Ein Glas frische Milch?«

      »Ja, das wär’ mir recht.« Franzi legte die letzten Schritte zurück. »Ich komme aus dem Rehwinkel«, sagte sie, »und ich heiße Franzi.«

      »Und ich Nani, Nani Wurzinger.« Das dralle junge Mädchen sah Franzi erfreut an. »Wohin willst du?«

      »Ins Österreichische hinüber.« Franzi setzte sich auf die Bank vor der Sennhütte.

      »Da hast du dir wohl zu viel vorgenommen.« Nani musterte Franzi. »Wie eine geübte Bergsteigerin siehst du gerade nicht aus. Um aber übers Gebirge zu kommen, muss man schon einige Erfahrungen haben.«

      »Ich werde es schon schaffen.« Franzi griff nach dem Glas Milch, das ihr Nani auf einen klobig gezimmerten Tisch gestellt hatte. »Bist du immer hier?«, fragte sie.

      »Ja, schon, halt den Sommer über. Im Winter bin ich bei meinem Vater. Ihm gehört die Schutzhütte ein Stück oberhalb.«

      Franzi lauschte jetzt in die Sennhütte hinein. Sie meinte, Kinderweinen zu hören. »Bist du nicht allein hier?«, fragte sie.

      Nanis pausbäckigem Gesicht sah man an, dass sie verlegen wurde. »Nein, nicht allein. Da ist noch der Stepherl, mein Sohn. Ich kann ihn nirgends unterbringen, also muss er mit hier sein. Er ist ein uneheliches Kind, das muss ich zu meiner Schand’ gestehen.«

      »Weshalb Schand’?«, fragte Franzi. »Ein Kind ist ein Kind, ob es einen leiblichen Vater hat oder nicht. Aber jetzt was anderes. Ich kenne jemanden, der den Weg über die Alm und die Schutzhütte droben mehrmals gemacht hat. Ihm bin ich auf der Spur. Kannst du mir weiterhelfen? Es handelt sich um Uli Stettner …«

      Nani fiel ihr ins Wort und streckte die Hände abwehrend aus. »Red mir nicht von dem. Dieser Uli ist ein Hallodri erster Klasse. Ich bin auf ihn hereingefallen. Mein Stepherl, der jetzt eben geweint hat, ist sein Sohn. Damals hat mir Uli versprochen, mich zu heiraten, aber später wollte er nichts mehr davon wissen.«

      »Du hast ein Kind vom Stettner-Uli?« Franzi war fassungslos.

      »Ja, mein Stepherl ist drei Jahre alt. So lange hat mich der Uli hingehalten. Immer, wenn er von seinem Onkel übers Gebirge kam, hat er mir versprochen, mich zu heiraten, aber gehalten hat er das nie, dieser Filou. Dabei hat er mir alle Chancen verdorben. Ein Großbauer aus dem Tal unten würde mich zur Frau nehmen, wenn der Bub nicht wär.« Nani wurde immer erboster.

      »Wann ist Uli hier zum letzten Mal eingekehrt?«, fragte Franzi. Sie spürte, dass ihr Herz hart und schwer schlug.

      »Ach, das ist noch nicht allzu lange her. Es mag vor drei oder vier Wochen gewesen sein. Zum Teufel mit ihm, er wollte wieder nichts


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