Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
viel Arroganz konnte der Leiter des Golfcenters nur den Kopf schütteln.
»Haben Sie schon mal einen Gedanken daran verschwendet, dass diese ›Kindergartentante‹ neben all unseren anderen Kunden Ihr Gehalt bezahlt? Dass wir auf jeden einzelnen Kunden angewiesen sind, um das Center weiter kostendeckend zu betreiben?«, fragte er scharf.
»Jetzt tun Sie doch nicht so, als stünden Sie am Abgrund!« Hämisch lachend schüttelte Franziska den Kopf.
Doch das Lachen sollte ihr gleich vergehen.
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, gab Wolfram Kugler zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. »Noch ein verbaler Ausfall dieser Art und Sie sind Ihren Job los. Fristlos!« Mehr hatte er dazu nicht zu sagen und wandte sich ab, ehe Franziska Weiß eine passende Antwort eingefallen war.
Ungläubig starrte sie ihm nach, wie er freundlich nach links und rechts grüßend davon ging. Es dauerte einen Moment, bis sie die Tragweite seiner Worte realisiert hatte. Sichtlich zerknirscht und nicht die Spur besser gelaunt wollte sie zu Roland Holzapfel zurückkehren, um über die Ungerechtigkeit der Welt zu klagen. Doch ihr ehemaliger Schüler war inzwischen verschwunden, und Franziska blieb mit ihrem schmerzhaft in der Brust schlagenden Herz allein zurück.
*
Der letzte Patient der Vormittagssprechstunde hatte die Praxis verlassen, und Dr. Daniel Norden saß noch am Schreibtisch, als es klopfte.
»Ja, bitte?«, fragte er, ohne den Kopf von den Unterlagen zu heben, in die er vertieft war.
Es konnte nur eine seiner Assistentinnen sein, die etwas von ihm brauchte.
Daniel irrte sich nicht. Tatsächlich war es Janine, die den Kopf zur Tür herein steckte.
»Herr Dr. Holzapfel ist hier und möchte Sie sprechen!« Lächelnd wandte sie sich an den Bandscheibenspezialisten, der hinter ihr stand. »Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern.«
»Ganz meinerseits«, erwiderte der das Kompliment galant. »Wenn Ihr Chef keine Zeit für mich haben sollte, lade ich Sie auf der Stelle heute Mittag zum Essen ein.«
In diesem Moment hob Daniel den Kopf und lachte.
»Roland, das ist ja eine schöne Überraschung! Was die Einladung meiner Assistentin angeht, müssen wir allerdings noch ein Wörtchen miteinander reden.«
»Sie sehen, ich stehe ganz schön unter dem Pantoffel«, erwiderte Janine belustigt. »Darf ich den Herrn etwas zu trinken anbieten? Kaffee vielleicht? Und ein bisschen Gebäck?«
»Diese Frau weiß einfach, was Männer brauchen«, lobte Roland überschwänglich.
»Deshalb passe ich ja so auf sie auf, dass sie mir nicht abhanden kommt.« Daniel stand auf und humpelte um den Schreibtisch herum.
Als Janine die Tür hinter sich geschlossen hatte, bot er seinem Besucher einen Platz in der gemütlichen Sitzgruppe in der Ecke seines Sprechzimmers an.
Dr. Holzapfel, mit dem ihn eine kollegiale Freundschaft verband, sah verwundert hinab auf den Fuß des Kollegen.
»Nanu, was ist denn mit dir passiert? Leidest du schon an Arthrose?«, scherzte er gut gelaunt.
Roland war ein lustiger Zeitgenosse, ein paar Jahre älter als Daniel, weshalb er sich solche Scherze ohne schlechtes Gewissen erlauben durfte.
»Ein Sportunfall«, winkte Dr. Norden ab und dankte Janine, die noch einmal hereingekommen war und ein Tablett auf dem niedrigen Tisch zwischen den beiden Männern abstellte. »Geht wieder vorbei.«
»Vielleicht solltest du einsehen, dass auch du älter wirst und dir eine gemächlichere Gangart angewöhnen.« Roland lächelte vielsagend. »Und eine gemächlichere Sportart.«
»An was hast du da gedacht? Spazierengehen?«, scherzte Daniel.
»Eigentlich eher an Golf«, gab Roland ohne Zögern zurück.
»Golf?« Daniel wirkte sichtlich verwundert, als könnte er es nicht glauben. »Ist das nicht wahnsinnig langweilig? Einem Ball nachzulaufen, den man vorher mit einem Schläger möglichst weit weg geschlagen hat?« Er gab Zucker und Milch in seinen Kaffee und rührte um.
Auf diese Frage schien der Bandscheibenspezialist nur gewartet zu haben. Er beugte sich vor und nahm seinen Kollegen ins Visier.
»Meiner Ansicht nach ist Golf die am meisten unterschätzte Sportart der heutigen Zeit«, erklärte er enthusiastisch. »Dabei hat dieser Sport viele positive Effekte für Körper und Geist. Du musst nur bedenken, dass ein Golfspieler bei einer Runde etwa acht bis zehn Kilometer zu Fuß zurücklegt. Dabei wird die Fettverbrennung aktiviert und das Herz-Kreislauf-System trainiert.« Rolands Augen leuchteten. »Ausdauer- und Muskeltraining bilden eine perfekte Kombination.« Wieder betrachtete er nachdenklich Daniels Fuß. »Übrigens dämpft der weiche Rasen die Schritte. Auf diese Weise werden die Gelenke geschont. Kurzum, es gibt nur Vorteile bei einem kaum vorhandenen Verletzungsrisiko«, schloss er seinen kurzen Vortrag mit einer ironischen Anspielung auf Daniel Nordens Gesundheitszustand.
Daniel trank einen Schluck Kaffee und blickte skeptisch drein. Tatsächlich reizte ihn Roland Holzapfels Schilderung.
»Das klingt ja alles sehr verlockend …«, gestand er zögernd. Weiter kam er aber nicht.
»Mal abgesehen von den Verbindungen, die man auf einem Golfplatz knüpfen kann«, war seinem Kollegen in der Zwischenzeit ein weiteres Argument eingefallen. »Du glaubst gar nicht, wie viele Leute du auf einem Golfplatz triffst. Und nicht nur das! Auch Geschäfte und Kooperationen lassen sich an der frischen Luft viel besser und in aller Ruhe besprechen.«
Davon hatte Daniel Norden schon gehört. Auch sein Freund, der Anwalt Martin Sassen, spielte Golf und schwärmte immer wieder von dieser glücklichen Verbindung zwischen stressarmen Geschäftsbesprechungen und körperlicher Betätigung.
»Das hat schon was für sich.« Nachdenklich griff er nach einem der köstlichen selbstgebackenen Plätzchen, die Janine in einer Schale serviert hatte.
Roland ließ den Kollegen nicht aus den Augen.
»Außerdem wäre das doch auch was für deine Frau, meinst du nicht? Golfspielen ist ja nicht nur ein Sport, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis.«
In Gedanken versunken lehnte sich Daniel zurück. Die Idee, etwas völlig Neues zu beginnen, war ihm nicht ganz geheuer.
»Ich hab nie in meinem Leben etwas anderes als einen Minigolfschläger in der Hand gehabt.«
Dieses Argument ließ Roland nicht gelten. Während er die Unterlagen aufschlug, die er wegen des gemeinsamen Patienten Leon Matthes mitgebracht hatte, lächelte er nachsichtig.
»Dann lernst du es eben, mein Freund. Dafür ist es nie zu spät.« Bevor er sich über die Patientenakte beugte, dachte Roland kurz nach. »Weißt du was? Heute Abend nach Praxisschluss kommst du mit in die Golfhalle. Die ist nicht weit von hier entfernt, und ich geb dir eine Schnupperstunde. Bei der Gelegenheit kann ich dir auch gleich erzählen, wie der Eingriff bei dem jungen Matthes verlaufen ist«, machte er einen Vorschlag, den Daniel nicht ablehnen konnte.
Schließlich hatte Roland recht. Lebenslanges Lernen war die beste Garantie, bis ins hohe Alter geistig flexibel und lebendig zu bleiben. So stimmte er lächelnd zu, ehe auch er sich auf die Unterlagen konzentrierte, die vor ihnen auf dem niedrigen Tisch lagen.
*
»Dan, was machst du denn da?« Als Felicitas Norden ihren Mann an diesem Abend von der Arbeit abholen wollte, staunte sie nicht schlecht.
Mit der Öffnung auf der Seite lag ein Papierkorb auf dem Boden. Daniel stand einige Meter davon entfernt mitten im Zimmer und fixierte ihn. Er hielt einen Golfschläger in der Hand, der kleine weiße Ball lag vor ihm auf dem Boden.
»Absolute Ruhe bitte, ich muss mich konzentrieren«, bat er seine Frau. Dann holte er mit dem Schläger aus und traf den Ball, der direkt in die Öffnung des Papierkorbs rollte. »Drin ist er!« Er reckte die Faust in die Luft, und belustigt klatschte Fee