Jüdische Sprichwörter. Artur Landsberger

Jüdische Sprichwörter - Artur Landsberger


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       Artur Landsberger

      Jüdische Sprichwörter

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021

       [email protected]

      EAN 4064066112295

       Vorwort

       Von Familie und Haus

       Von Glück und Unglück

       Von Weisen, Narren und Schlehmilen

       Von Juden und Andersgläubigen

       Von Gott, Tod und Leben

       Von Tugend und Lastern

       Weise Sprüche und Lebensregeln

       Scherzhafte Redensarten

       Inhaltsverzeichnis

      In der Erkenntnis, daß die Anschauungen und die Denkweise, die Sitten und Gebräuche, kurz der ganze Charakter eines Volkes nirgends bündiger, deutlicher und nüancierter zum Ausdruck kommen als in seinen Sprichwörtern, haben als erste die Parömiographen derartige Sammlungen veranstaltet, von denen und aus der Zeit des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt 3, nämlich die des Diogenianos, des Zenobius, und Plutarch (Sprichwörter der Alexandriner) erhalten sind.

      Heute besitzt jede zivilisierte Nation ihre Sammlung. Wir Deutschen haben uns nicht damit begnügt, unsre eignen Sprichwörter zu sammeln, die in Dutzenden von Editionen vorliegen; wir haben vielmehr lateinische und griechische, französische, englische, italienische, spanische, persische, chinesische, japanische Sprüche ins Deutsche übertragen – nur die jüdischen hat man trotz der starken Einwirkung jüdischer Eigenart auf deutsches Wesen bis heute nicht aus ihrer Ghetto-Einsamkeit ans Licht des Tages gefördert.

      Das geschieht hier – wenigstens in deutscher Sprache – zum ersten Male; indessen darf der Herausgeber wohl behaupten, daß auch in keiner anderen Sprache bisher eine derartige Sammlung vorliegt – außer im Jüdischen.

      Das Jüdische, ein mit Slavischem und Hebräischem durchsetztes Mittelhochdeutsch wird noch heut von mehr als sechs Millionen Menschen gesprochen. Tagesblätter in dieser Sprache, deren Auflagen zum Teil nach Hunderttausenden zählen, erscheinen zu Dutzenden, und in den letzten 15 Jahren hat sich eine moderne jüdische Literatur entwickelt, für deren hohes Niveau die Leistungen von J. L. Perez und Mendaly Mocher Sforem beredtes Zeugnis ablegen. Ihre ins Deutsche übertragenen und hier und da veröffentlichten Erzählungen aus dem Leben des jüdischen Volkes können neben dem Besten, was deutsche Erzähler gaben, leben. Die jüdischen Volkslieder, die an Natürlichkeit und Innigkeit, wie an Unmittelbarkeit des Empfindens ihresgleichen suchen, denke ich demnächst herauszugeben.

      Nun noch ein paar Worte zu der vorliegenden Sammlung:

      Vor ein paar Jahren brachte mir der durch seine Romane bekannt gewordene galizische Schriftsteller Hermann Blumenthal zur Veröffentlichung in einer Zeitschrift eine Reihe von jüdischen Sprichwörtern, die er in Wien und Galizien gesammelt hatte. Ich bat ihn, seine Sammlung fortzuführen, und vor allem zu erforschen, ob eine große Reihe bei uns seit Menschengedenken gebräuchlicher Sprichwörter, die auch im Ghetto gebraucht werden, von dort zu uns gekommen sind, oder ob die Juden vor drei Jahrhunderten diese Sprüche bei uns gehört, übernommen und dann mit oft kaum merklichen Veränderungen ihren Gewohnheiten angepaßt haben. Diese Feststellungen sind nicht überall gelungen.

      Natürlich hätte ich allein aus dem Talmud und Midrasch Bände mit weisen Sprüchen füllen können. Ich habe das nur soweit getan, als hier enthaltene Weisheiten ins jüdische Volk drangen und von ihm, meist ohne daß das Volk die Herkunft kannte, zu gebräuchlichen Redensarten wurden. Übrigens existieren derartige Sammlungen meist recht minderwertiger Art; ein großherzoglich hessischer Provinzialrabbiner leistet sich in der Verballhornisierung talmudischer Weisheit, die er »zur Erbauung der jüdischen Jugend« in Knittelverse zwängt, gradezu Erstaunliches. Seine Leistung aber stellt noch in den Schatten der Berliner Max Weinberg, der seiner »Spruchpoesie des Talmud« betitelten Sammlung in anerkennenswerter Selbstkritik Goethes Wort vorausstellt: »Original, fahr hin in deiner Pracht!« Und in der Tat verspürt man in beiden Sammlungen nicht den leisesten Hauch talmudischen Geistes. Gegen solche Schändungen heiligen Besitztums sollten alle Glaubensgenossen Protest erheben. Obgleich es auch mir nicht immer gelang, für jedes spezifisch jüdische Wort die Übersetzung zu finden, die den Sinn des Wortes in seiner ganzen Eigenart wiedergab, so glaube ich doch mit diesem Buche manch einem das Verständnis für jüdisches Denken und Fühlen vermittelt zu haben.

      Ob es für das Studium eines Volkes zweckdienlicher ist, es beim Beten, bei der Arbeit oder bei seinen Vergnügungen aufzusuchen, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Der Satz aber: »an seinen Sprüchen wirst du es erkennen«, hat allgemeine Gültigkeit.

      Schließlich sei hier noch dem Schriftsteller Hermann Blumenthal gedankt, der mir mit Liebe und Umsicht beim Sammeln, Übersetzen, und Zusammenstellen geholfen hat.

       Pfingsten 1912.

      Dr. Artur Landsberger

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