Sportsozialarbeit. Heiko Löwenstein
– die häufigsten (Einzel-)Kooperationspartner sind (BMFSFJ, 2017, S. 358). Für besondere Kooperationsprogramme schreibt die DSJ gemeinsam mit dem DOSB jährlich den Deutschen Schulsportpreis als Beitrag zur Qualitätsentwicklung für den Sport in der Schule aus (DSJ, 2019).
Um die breite Palette an außerunterrichtlichem Schulsport zu skizzieren, wird exemplarisch ein Ausschnitt an außerschulischen Sportangeboten in Berlin dargestellt. Ähnliche Programme existieren jedoch auch in anderen Bundesländern. In Berlin werden unter dem Dach der Sportjugend (SJB) verschiedene Maßnahmen in Zusammenarbeit von Schule und Sport gefördert und unterstützt. Ein etabliertes Programm bildet das Programm Schule & Verein. Mit diesem Programm werden Kooperationen zwischen Berliner Schulen und Sportvereinen bzw. -verbänden gefördert. Insgesamt wurden im Jahr 2017 bei der Sportjugend Berlin 738 Kooperationsmaßnahmen beantragt und bewilligt (SJB, 2018, S. 10). In der Bildungsstätte der SJB wird zudem die DOSB-B-Lizenz »Sport im Ganztag der Sekundarstufe I« angeboten, die Trainerinnen und Trainer für den Umgang mit heterogenen Kinder- und Jugendgruppen qualifiziert (SJB, 2019). Auch Talentförderprogramme, die flächendeckend im Bundesgebiet verbreitet sind, werden in Berlin in Kooperation zwischen Schule und Verein gestaltet. Neben gängigen Programmen der Leistungsförderung unterstützen die SJB und der Landessportbund Berlin eine Initiative, durch die nicht nur begabte Kinder eine Förderung erhalten, sondern gezielt Kinder mit motorischen Defiziten an Fördergruppen teilnehmen und zu regelmäßiger, sportlicher Betätigung angeregt werden. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 59 solcher Bewegungsfördergruppen ins Leben gerufen (SJB, 2018, S. 9).
Eine strukturelle Verankerung der Zusammenarbeit von Schule und Sport bietet die gemeinnützige GSJ, die aus den Strukturen der SJB heraus entstanden ist. Mit Projekten wie u. a. »SchulWork«, »Ganztag Bewegt«, »Erlebnisräume« und dem Freizeitsportteam setzt die GSJ in enger Abstimmung mit den pädagogischen Mitarbeitenden der Schulen diverse Aktionen am Standort Schule um (GSJ, 2019). Dazu gehören u. a. sportliche AGs, Schulsportfeste, die Gestaltung bewegungsfreundlicher Schulhöfe (Boulderwände, Skaterampen etc.), die Ausbildung zu Sportassistenten und -assistentinnen, Bildungsnetzwerke mit Sportvereinen sowie sport- und erlebnispädagogische Sozialkompetenztrainings.
SchulWork
Als Good-Practice-Beispiel kann das Projekt SchulWork gelten, das an 30 Standorten in Berlin für Grundschulen, Integrierte Sekundarschulen, Gymnasien und Oberstufenzentren durchgeführt wird. Zentrale Ziele sind Verbesserung der Bildungschancen, Partizipation am Schulalltag, Gewaltprävention, Integration und Gesundheitsförderung. Neben Angeboten und Aufgaben der klassischen Schulsozialarbeit geben Sport und Bewegung dem Projekt SchulWork das Profil. Sport und Bewegung werden hierbei nicht nur als ergänzende Freizeitgestaltung innerhalb der Schule gesehen, sondern sollen v. a. drei Funktionen erfüllen (vgl. GSJ, 2018):
• Sie sollen erstens als Zugangsmedium und Bindungsverstärker dienen, indem eine Erstkontaktaufnahme nicht im Büro der Schulsozialarbeit, sondern z. B. auf dem Basketballfeld der Schule stattfindet.
• Sie sollen zweitens das sozialpädagogische Handlungsrepertoire um sport- und erlebnispädagogische Methoden ergänzen, um die psychosozialen Ressourcen junger Menschen und ihre Persönlichkeit ganzheitlich zu fördern.
• Sie sollen drittens allen Kindern und Jugendlichen eine Teilhabe an und eine Motivation zum Sport ermöglichen. Besonders im Fokus stehen hier diejenigen jungen Menschen, die ansonsten durch das Gitter des Schulsportunterrichts hindurchfallen.
Diese Zielsetzungen und Ansprüche können im Rahmen der klassischen Methoden der Sozialen Arbeit erfüllt werden, in der Einzelfallarbeit z. B. durch eine intensive Begleitung der Schülerinnen und Schüler (Schulsportverweigerer) durch die sozialpädagogische Fachkraft (auch in den Schulsportunterricht hinein) in enger Zusammenarbeit mit den Lehrkräften. Auch eine fachkundige Beratung und ggf. Begleitung zu Sport- und Bewegungsangeboten im Umfeld der jungen Menschen bietet sich an. Für Angebote sozialer Gruppenarbeit eignen sich sportorientierte und erlebnispädagogische Sozialkompetenztrainings, deren Inhalt nicht wie im Sportunterricht mehrheitlich auf das Gewinnen und Verlieren oder ein Gegeneinander im Wettkampf, sondern auf Kommunikation, Kooperation und Vertrauensbildung ausgerichtet sind. Unterstützung der schulischen Vernetzung und Gemeinwesenarbeit wird durch die Einbindung des innerschulischen Raums und außerschulischen Sozialraums verfolgt, indem z. B. die interdisziplinäre Zusammenarbeit an Schulen und die Kooperation mit weiteren Organisationen aus dem Schulumfeld (Sportvereine, Sportjugendclubs) verfolgt wird und Angebotsstrukturen der Schule ergänzt werden. Weiterhin können innovative Angebote der Sportsozialarbeit und jugendkulturelle Aktivitäten (wie die Ausrichtung von z. B. Soccer-/Streetballnächten, Fair-Play-Turniere, Hip-Hop-Projekte) am Standort Schule durchgeführt werden. Eine intensive Einbindung der Schülerinnen und Schüler z. B. bei der Organisation von Schulsportevents (Sponsorenläufe, Sportfeste) oder des Pausenangebots (Bewegte Pause/Betreuung der Sportkiste) ist eine weitere Möglichkeit, sportdistanzierte Schülerinnen und Schüler an Sport und Bewegung heranzuführen. Entsprechende Konzepte (z. B. Sporthelferausbildung) werden auch in verschiedenen anderen Bundesländern umgesetzt und als gelingend für die Förderung von informellen Lernprozessen dargestellt (Neuber & Wienkamp, 2010, S. 173ff).
2.4 Informeller Sport
Unterwegs auf dem Kiteboard, mit dem Fahrrad, auf Inlineskates oder in der selbstorganisierten Laufgruppe – ein Blick in Parks und Freiflächen zeigt die Vielfalt des informellen Sporttreibens. Unabhängigkeit, Flexibilität und Individualität sind Stichworte, die mit diesem Bewegungsphänomen zwar oft in Verbindung gebracht werden, eine eindeutige Definition ist jedoch aufgrund der Komplexität kaum möglich. Dies zeigt auch die Vielfalt an Begrifflichkeiten, die synonym zu informellem Sporttreiben verwendet werden. Es finden sich Bezeichnungen wie selbstorganisiertes Sporttreiben, freier Sport, vereinsungebundener Sport oder alternativer Sport. Im englischsprachigen Raum wird informelles Sporttreiben unter Alternative Sports (Rinehart, 2000) eingeordnet, der auch mit Trendsport gleichgesetzt wird. Trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten lassen sich Merkmale feststellen, die dem informellen Sport wenn auch keine trennscharfe Definition, aber doch ein klareres Bild geben. Findet der Vereinssport und auch der kommerzielle Sport in einem organisierten Rahmen statt, so fokussiert informelles Sporttreiben sportliche Aktivitäten außerhalb organisierter Einrichtungen wie Schule, Studio oder Verein (Balz & Kuhlmann, 2004, S. 7). Dies kann jedoch nicht als alleiniges Charakteristikum aufgeführt werden. Bindel hat aus einer Vielzahl sportwissenschaftlicher Ausführungen bestimmte Bedingungen und Charakteristika informellen Sports zusammengetragen, die zu einem besseren Verständnis beitragen. Informelles Sporttreiben wird demnach dadurch charakterisiert, dass es von den Aktiven selbst ausgeht, außerhalb von Organisationen stattfindet, sich meist keinem Regelwerk unterwirft, eine große Variationsbreite besitzt, die Erschließung neuer Sporträume ermöglicht, die Ausübung im Freien mit vorfindbaren Gegebenheiten stattfindet und sich meist an spezifischen Szenen ausrichtet (Bindel, 2008, S. 21ff). Daraus folgt, dass sich informeller Sport vom Traditionellen und Konventionellen abhebt. Dies schließt Sportarten, die dem Trendsport zugeordnet werden (Downhill, Kiten, Slacklining, Skateboarding) oder postmoderne Spielideen wie Crossboccia oder Headis ein. Jedoch können auch traditionelle Sportarten wie Laufen, Fußball oder Schwimmen durch die Eigenorganisation und die Realisierung nach eigenen Vorstellungen der aktiv Sporttreibenden einen informellen Charakter bekommen (Bindel, 2017, S. 419).
Dem informellen Sporttreiben wurde, im Vergleich zu Erhebungen im Vereins- und Schulsport, bislang wenig Beachtung geschenkt. In den vorliegenden Forschungen wird v. a. die Gruppe der Kinder und Jugendlichen betrachtet. Wie viele Menschen sich dem informellen Sport in Deutschland tatsächlich widmen, ist demnach nur schwer zu beantworten. Laut den aktuellen Daten zur Sportwirtschaft (BMWi & BISp, 2019) findet jedoch der überwiegende Teil der Sportausübung selbstorganisiert statt. Unter der Gruppe der aktiven Sportlerinnen und Sportler gehen demnach 72 % informellem Sporttreiben nach. Besonders im Jugendalter gilt informelles Sporttreiben als besonders attraktiv. Deshalb wird auf diese Altersgruppe im Folgenden näher eingegangen.
Schon seit einigen Jahren wird von einer »versportlichten Jugendkultur« (Baur & Burrmann, 2004, S. 17; vgl. auch Brinkhoff, 1998) gesprochen, was u. a. auf hohe Beteiligungsquoten, die Ausdifferenzierung