Sportsozialarbeit. Heiko Löwenstein

Sportsozialarbeit - Heiko Löwenstein


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für Inklusion im und durch Sport zur Förderung des Auf- und Ausbaus inklusiver Kulturen, Strukturen und Praktiken im Sport entwickelt (DBS, 2014). Unter den zahlreichen Inklusionsprojekten sind u. a. das Berliner Netzwerk Inklusion und Sport (LSB, 2019) und das Projekt Mehr Inklusion für alle (MIA) hervorzuheben, die die sozialräumlich-regionale Implementierung des benannten Indexes unterstützen sollen (www.mehr-inklusion-fuer-alle.de). Hier könnte Soziale Arbeit mit sozialräumlichen Konzepten bei der Vernetzung mit sozialen Diensten und beim Anschluss an kommunale Versorgungsketten unterstützend tätig werden. Konkret sind hier nicht nur Träger der Behindertenhilfe angesprochen, sich mit den inklusiven Bemühungen der Sportverbände wie dem DBS und dem DBSJ, aber auch dem DOSB, auseinanderzusetzen und ggf. gemeinsame Projekte voranzutreiben. Auch die explizit sozialräumlich agierenden, gut vernetzten Stadtteilzentren oder Nachbarschaftshäuser können einen Beitrag leisten, indem sie Kontakte zwischen den beteiligten Akteuren stiften bzw. niedrigschwellig eigene inklusive Sportangebote in ihr Portfolio aufnehmen. Eine Aufhebung gesonderter Behindertensportverbände im Sinne der Inklusion wird aktuell noch wenig diskutiert.

      Verhältnispräventive Angebote

      Mit dem Präventionsgesetz, das 2015 in Kraft trat, wurde die gesetzliche Grundlage zur integrierten kommunalen Gesundheitsförderung gelegt. In Ergänzung zur Arbeit in Kitas, Schulen etc. sollen Ressourcen und Belastungen für die Gesundheit der Menschen in einem Stadtteil oder einer Gemeinde identifiziert und schwer erreichbare Gruppen angesprochen werden. Ziel ist es, die Gesundheitschancen aller Menschen nachhaltig zu verbessern. Maßnahmen zur Umsetzung sind u. a. das Gesunde Städte-Netzwerk und die Präventionsketten.

      Das Gesunde Städte-Netzwerk ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Kommunen, die sich durch organisatorische Strukturen und Beschlüsse bereit erklären, Gesundheit als Kernstück ihrer Kommunalpolitik zu sehen (Gesunde Städte-Netzwerk, 2019). Das Netzwerk der Gesunden Städte umfasste im Jahr 2015 75 Städte.

      In den Präventionsketten sollen, u. a. mit dem Settingansatz, Angebote sozialer Dienste und Ressourcen vernetzt und an die Bedürfnisse der Bewohner und Bewohnerinnen im Sozialraum angepasst werden. Hierbei sollen Schnittstellen zu komplementären Programmen berücksichtigt werden wie z. B. die Handlungsempfehlungen »Gesundheitschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher nachhaltig verbessern!« vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit oder den Frühen Hilfen. Das Programm »Gesund aufwachsen für alle!« will den Austausch zwischen Kommunen, die Präventionsketten aufbauen, fördern (RKI, 2015, S. 285). Die gesundheitsfördernden Kommunen sind im Aufbau und bieten gute Potentiale, sozialpädagogische und sportorientierte Angebote zu koppeln. Hier sei z. B. auf das Dortmunder Netzwerk INFamilie (Möller-Dreischer & Kuhlenkamp, 2017) und das Projekt »Früh bewegt!« (Stadt Dortmund, 2016) verwiesen.

      Darüber hinaus gibt es zahlreiche Kampagnen und Aktionen, die den Sport als Medium nutzen, um gesellschaftliche Themen wie z. B. Antidiskriminierung zu diskutieren. Als Beispiel seien Turniere und Diskussionsreihen der Potsdamer AIDS-Hilfe in Kooperation mit dem Rugby-Club Berlin Bruisers genannt (AIDS-Hilfe Potsdam, 2019) (image Kap. 3.3).

      Der zugrunde gelegte breite, bio-psycho-soziale Gesundheitsbegriff schließt Soziale Arbeit mit ihren Zielsetzungen und Angeboten programmatisch bereits ein. Sozialpädagogische Ziele im Gesundheitsbereich lassen sich so den ganzheitlichen Zielen der Verbesserung des Wohlbefindens, als Teil einer kurativen Zielsetzung, sowie der Ermöglichung von Teilhabe und dem Zugang zu Gesundheit insbesondere für benachteiligte Gruppen und damit verknüpften weiteren gesellschaftlichen Teilbereichen wie Arbeit und Kultur zuordnen.

      Sportorientierte Angebote erfüllen hier einen doppelten Zweck. Sport und Bewegung liefern auf der einen Seite einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit, auf der anderen Seite können entsprechend inszenierte Sportsettings einen niedrigschwelligen Zugang zu gesundheitsfördernden Angeboten schaffen. Bislang fehlt es sozialpädagogischen Fachkräften vielfach an dem Bewusstsein dieser Doppelfunktion, so dass es noch an systematischen Bemühungen mangelt, auf der einen Seite, das Sozialpädagogische in der kurativen Zielsetzung herauszustellen, und auf der anderen Seite sportbezogene Konzepte zu entwickeln, die, z. B. durch aufsuchende Arbeit oder durch niedrigschwellige Angebote, komplementär zu Sportvereinen, mit dem Medium des Sports den Zugang zu gesundheitsfördernden Angeboten zu erleichtern. Im Settingansatz, der Settings wie Kita oder Schule als Schnittstelle nutzt, ist diese Idee bereits angelegt, Soziale Arbeit kann hier auf ihren hohen Vernetzungsgrad und darüber hinaus auf die Sensibilität ihrer Konzepte für besondere Lebenslagen zurückgreifen.

      3.2.1 Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe

      Grundlage der Förderung des Aufwachsens Kinder und Jugendlicher ist das KJHG (SGB VIII). § 1 SGB VIII folgend sollen alle Kinder und Jugendlichen in ihrer ganzheitlichen Entwicklung gefördert werden. Dies schließt die bio-psycho-soziale Gesundheit ein, entsprechend zeigen sich Überschneidungen zur gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit. Außerdem sollen gemäß § 9 Nr. 3 SGB VIII Angebote vorgehalten werden, in denen geschlechtsspezifische Lebenslagen bzw. -konzepte berücksichtigt und Benachteiligungen abgebaut werden.

      Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe sind im Ersten Kapitel des KJHG in § 2 SGB VIII geregelt. Neben lebensweltergänzenden Leistungen wie z. B. der Tagespflege oder offener Jugendarbeit, lebensweltunterstützenden Leistungen wie ambulanten Hilfen zur Erziehung und lebensweltersetzenden Leistungen wie z. B. der Heimerziehung kommen der Jugendhilfe hoheitliche Aufgaben wie z. B. die Inobhutnahme zu. Sport- und bewegungsorientierte Angebote finden sich in allen Aufgabenfeldern der Kinder- und Jugendhilfe. Explizit sozialpädagogische Angebote, die Sport als Medium nutzen, haben sich bislang v. a. in der offenen Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) und der Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) etabliert.

      Bevor die Aufgabenfelder und die dort vorhandenen sportorientierten Angebote in Abhängigkeit vom Lebensalter skizziert werden, soll zunächst das zugrunde gelegte Bildungsverständnis geklärt werden. Denn im Bildungsdiskurs hat sich seit den 1990er Jahren der Blick, der zuvor vornehmlich auf die Schuleals Ort von Bildungsprozessen gerichtet war, erweitert und dabei, neben der Ausweitung auf vorschulische Bildung, zunehmend außerschulischen non-formalen Lernorten und informellen Lernformen Raum gegeben. Bildung im Sinne selbstbestimmter Persönlichkeitsentwicklung und subjektiver Aneignung wird als »eigensinniger Prozess« (BMFSFJ, 2005, S. 236) verstanden, der von einem ganzheitlichen Zugang und von einem erweiterten Begriffsverständnis ausgeht als das lange Zeit in formalen Bildungseinrichtungen zugrunde gelegte Verständnis von Bildung als v. a. kognitivem Wissenserwerb (ebd., S. 90f). Bildung wird verstanden als ein

      »aktiver Prozess, in dem sich das Subjekt eigenständig und selbsttätig in der Auseinandersetzung mit der sozialen, kulturellen und natürlichen Umwelt bildet. Bildung des Subjekts in diesem Sinne braucht folglich Bildungsgelegenheiten durch eine bildungsstimulierende Umwelt und durch die Auseinandersetzung mit Personen. Bildung erfolgt dabei in einem Ko-Konstruktionsprozess zwischen einem lernwilligen Subjekt und seiner sozialen Umwelt. In diesem Sinne sind […] Kinder und Jugendliche als Ko-Produzenten ihres eigenen Bildungsprozesses zu begreifen« (ebd., S. 83).

      Neben formalen Bildungsräumen gewinnen demnach non-formale Lernorte und informelle Settings durch Vorhaltung von Lerngelegenheiten an Bedeutung. Unter non-formaler Bildung versteht man

      »jede Form organisierter Bildung und Erziehung (…), die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat« (Bundesjugendkuratorium, 2001, S. 23).

      Der institutionelle Kontext bietet dabei ein Lernumfeld, das grundlegende Bildungsaufgaben wie z. B. die Identitätsfindung bei Jugendlichen praktisch erprobbar macht (Lüders & Baehr-Heintze, 2010, S. 459). Das Gelernte ist jedoch oft weder bewusst noch einfach messbar.

      »Was den Beteiligten als selbstverständliche Settings und lang tradierte und bewährte Arbeitsformen – wie z. B. die vergleichsweise selbständige Kleingruppe Gleichaltriger, die sich entsprechend ihrer Interessen die


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