Sportsozialarbeit. Heiko Löwenstein
• Leistungssport ist dadurch gekennzeichnet, dass die Erbringung von wettkampfbezogenen (körperlichen) Leistungen mit hohem Trainingsaufwand im Vordergrund steht. Sportliches Handeln wird dabei entweder am Ziel der Leistungssteigerung, am Sieg oder an einer Kombination beider ausgerichtet (Emrich, 2003, S. 343).
• Hochleistungssport richtet sich an internationalen Rekorden aus und zielt darauf ab, die eigene Leistung an Normen der international gültigen Wettkampfklassen auszurichten (Anders, 2008, S. 309).
Nach Franke (1978, S. 140) bekommt eine sportliche Handlung ihre Bedeutung erst durch die Zuschreibung seiner Handelnden und die Einbettung in einen jeweiligen Kontext. Sport wird demnach als ein soziales Konstrukt betrachtet. Heinemann greift diesen Gedanken auf und beschreibt, dass Sport für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben kann, die sich im Laufe der Zeit und auch kulturbedingt stetig wandeln (Heinemann, 2007, S. 53f). Zwar bleibt eine klare Definition aus (»Keine Definition kann weit genug gefasst werden, um alles angemessen zu erfassen – die aber letztlich auch nichts mehr ausschließen kann«, ebd., S. 55), jedoch benennt Heinemann vier konstitutive Elemente, die für eine Begriffsbestimmung und Systematisierung von Sport in einem engen Verständnis herangezogen werden können.
Grundmerkmale von Sport im engeren Sinne
• Körperliche Leistung: zielgerichteter Umgang mit dem Körper und notwendige motorische Fähigkeiten wie Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit
• Wettkampf: Leistungsvergleich, messbar am erzielten Wettkampfergebnis
• Sportartenspezifisches Regelwerk: eine sozial organisierte Form des Umgangs mit dem Körper; Sport ist durch ein Bündel von Regelungen definiert
• Unproduktivität: Handlungen im Sport zielen nicht darauf, Produkte zu erstellen oder ein Werk zu schaffen (ebd., 56f)
Aus diesen konstitutiven Elementen entwickelte Heinemann eine Modell-Systematik, in der die Einheitlichkeit von Sport aufgebrochen und eine Vielschichtigkeit des Sportverständnisses widergespiegelt wird. Dabei unterscheidet er verschiedene Modelle (traditioneller Wettkampfsport, professioneller Showsport, expressives Sportmodell, funktionalistisches Sportmodell, traditionelle Spielkulturen; ebd.). Treffen im wettkampfbezogenen Modell noch alle Elemente zu, so werden sie bei den weiteren Modellen nur noch bedingt berücksichtigt. Hierbei ist zu beachten, dass die einzelnen Ausprägungsformen nicht immer klar voneinander abzugrenzen und Übergänge zwischen den Modellen als fließend zu betrachten sind. Im Alltagsgebrauch werden zudem viele Aktivitäten als Sport bezeichnet, die sich diesen Elementen nicht zuordnen lassen, wie z. B. Schach oder Angeln. Daher stimmt der Klassifikationsversuch von Heinemann auch nicht immer mit dem überein, was gesellschaftlich unter Sport verstanden wird (Burk & Fahrner, 2013, S. 31f). Aus Sicht der Sozialen Arbeit ist kritisch anzumerken, dass unter den konstitutiven Elementen vermehrt die körperliche Leistung und der Wettkampfgedanke berücksichtigt werden, nicht aber z. B. psychosoziale Ressourcen. Die Sportsozialarbeit orientiert sich an einem weiten Sportverständnis, wie es in der Begriffsreihung Bewegung, Spiel und Sport vorkommt, z. B. in schulischen Lehrplänen (Beckers 2014b, S. 39). Beckers sieht im Begriff Sport »einen wesentlichen Teil unserer Kultur, in dem die körperbetonte, spielerische und körperliche Bewegung […] in unterschiedlichen Formen und Zugangsweisen Gestalt angenommen hat« (ebd.). Diese Entwicklung zeigt sich auch an den sportwissenschaftlichen Instituten der Universitäten; an verschiedenen Instituten, z. B. in Erfurt, Duisburg-Essen oder Stuttgart, wurden Studiengänge von klassischen Sportwissenschaften zu Sport- und Bewegungswissenschaften erweitert.
Ein erweitertes Begriffsverständnis von Sport führte im Zuge des Individualisierungsprozesses dazu, dass sich zunehmend quer zum traditionellen, wettkampforientierten Vereinssport und dem Schulsport weitere Sportanbieter etabliert haben. Dazu gehören u. a. kommerzielle Sportanbieter, soziale Dienste, Familienbildungsstätten, Volkshochschulen, Kirchengemeinden oder Krankenkassen (Gugutzer, 2008, S. 93). Auch das selbstorganisierte Sporttreiben erfährt, gerade im Jugendalter, zunehmend an Bedeutung. Diese Vielfalt lässt sich in verschiedene Organisationsformen untergliedern (
Abb. 2: Organisationsformen des Sports in Deutschland (eigene Darstellung)
Auf die einzelnen Organisationsformen des Sports wird im Folgenden näher eingegangen, die Relevanz für die Sportsozialarbeit wird dabei mit betrachtet.
2.2 Organisierter Sport
2.2.1 Aufbau und Struktur des organisierten Sports
Einen bedeutenden Sektor in Deutschland stellt der organisierte Sport unter der regierungsunabhängigen Dachorganisation des DOSB dar. Der DOSB ist ein eingetragener Verein (e. V.) mit Sitz in Frankfurt am Main. Laut Satzung liegt der Zweck des DOSB darin, den deutschen Sport in all seinen Erscheinungsformen zu fördern, zu koordinieren und ihn gegenüber der Gesellschaft, dem Staat sowie sonstigen Institutionen im In- und Ausland zu vertreten. Weiterhin obliegen ihm alle Zuständigkeiten eines Internationalen Olympischen Komitees wie z. B. der Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an Olympischen Spielen. Zudem ist der DOSB für die Betreuung seiner Mitglieder nach Maßgaben der Satzung zuständig (DOSB, 2018a, § 2). Zum DOSB gehören 101 Mitgliedsorganisationen, darunter 16 Landessportbünde, 66 Spitzenverbände sowie 19 Verbände mit besonderen Aufgaben (DOSB, 2019).
Insgesamt sind unter dem Dach des DOSB ca. 27,4 Millionen Menschen in Mitgliedschaften registriert, die in ca. 90.000 Turn- und Sportvereinen organisiert sind (DOSB, 2018b). Als Dachverband des gesamten organisierten Sports erfüllt der DOSB Ordnungs-, Programm- und Dienstleistungsfunktionen (Heinemann, 2007, S. 141). Konkrete Aufgaben werden im Kurzportrait des DOSB benannt. Als anschlussfähig für die Sportsozialarbeit gelten v. a. die Aufgaben, welche unter Allgemeines aufgeführt werden. Dazu gehören u. a.
»die Förderung einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung im Sport, die Förderung des Kinder- und Jugendsports, insbesondere die Gewinnung junger Menschen für den Sport, der Kampf gegen Doping und Spielmanipulationen, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt im Sport, die Förderung von Sport, Spiel und Bewegung im Elementarbereich sowie in Schule und Hochschule, die Förderung von Bildung im und durch Sport« (DOSB, 2018a, § 3 (1), I.).
Abb. 3: Das System des organisierten Sports in Deutschland (eigene Darstellung)
Die Jugendorganisation des DOSB bildet die DSJ (DSJ). Unter ihr sind mehr als 9,5 Millionen junge Menschen aktiv. Sie vereint nicht nur die Sportvereine für Kinder und Jugendliche unter einem Dach, sondern ist auch bundesweit der größte Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe. Mit ihren Mitgliedsorganisationen, den Landessportjugenden und deren Untergliederungen (Verbände und Vereine), gestaltet die DSJ im gesamten Bundesgebiet flächendeckend Angebote mit dem Medium Sport, um junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung im Sinne des SGB VIII zu fördern (DSJ, 2019).
Das System und der Aufbau des organisierten Sports werden in obiger Abbildung in Anlehnung an Heinemann 2007 stark vereinfacht dargestellt (
2.2.2 Sportvereine
Sportvereine bilden mit ihren Mitgliedern die strukturelle Basis des organisierten Sports. Ca. 90.000 Sportvereine mit rund 27,4 Millionen Mitgliedschaften sind über Bezirks- und Stadtsportbünde als Mitglieder in Landessportbünden und Fachverbänden unter dem Dach des DOSB organisiert (DOSB, 2018a). Sportvereine sind durch Grundprinzipien bestimmt, die gesetzlich geregelt und zivilgerichtlich verankert sind.
Sportvereine