Butler Parker Classic 35 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Zum Henker, Parker, dieser Nachmittag ist doch eine ausgemachte Pleite«, sagte Mike Rander und gähnte langanhaltend. »Ich möchte wissen, was Sie sich von diesem Ausflug versprochen haben.«
Anwalt Mike Rander und sein Butler befanden sich an Bord einer schnittigen, hochseetüchtigen Motorjacht und kreuzten in den Gewässern irgendwo zwischen Key West und den Bahamas. Sie waren schon seit Stunden unterwegs und warteten mit Ungeduld auf irgendeinen Zwischenfall, der sich bisher leider noch nicht ereignet hatte.
Sie waren allein an Bord. Sie hatten sich die Hochseejacht gemietet, um angeblich Barracudas zu fischen. In Wirklichkeit aber wollten sie sich in diesem Seegebiet umschauen und herausbekommen, warum und wieso Marty Conwell vor knapp einer Woche zu Tode gekommen war. Die Angehörigen Marty Conwells hatten den Anwalt beschworen, diesen rätselhaften Todesfall zu klären, zumal sie vermuteten, daß Mord im Spiel war. Mike Rander, nicht nur der Anwalt der Conwells, sondern auch gut befreundet mit den Eltern des Toten, hatte nach einigem Zögern zugestimmt und diesen Auftrag übernommen, zumal Josuah Parker natürlich wieder einen aufregenden und interessanten Kriminalfall witterte.
»Wenn Sie darauf bestehen, Sir, werde ich beidrehen und die Rückfahrt antreten«, sagte Parker vom Ruder her, das er bediente. »Ich möchte Sie allerdings darauf aufmerksam machen, daß ich, falls mich meine Augen nicht getäuscht haben, einen Gegenstand auf dem Wasser gesichtet habe.«
»Wo...?«
Mike Rander sprang wie elektrisiert vom Liegestuhl hoch und enterte hinauf in den hohen Ruderstand, den sein Butler besetzt hielt. Josuah Parker, selbst hier in tropischen Gewässern in Schwarz gekleidet, trug selbstverständlich seine schwarze Melone. Auf sie hätte er selbst in den Regendschungeln Südamerikas freiwillig niemals verzichtet.
»Ich gestatte mir, Sir, Ihre Aufmerksamkeit auf jene kleine Insel zu lenken, die vorab, wenn auch nur in Umrissen, zu erkennen ist.«
Mike Rander schmunzelte in sich hinein. Er amüsierte sich immer wieder über die barocke und umständliche Ausdrucksweise seines Butlers. Auch davon ging Josuah Parker niemals ab, selbst dann nicht, wenn er unmittelbar bedroht wurde.
Rander baute sich neben seinem Butler auf und griff nach dem schweren Marineglas. Damit suchte er die Umrisse der kleinen Insel, von der sein Butler gerade gesprochen hatte. Viel war nicht zu erkennen. Durch die Optik des starken Glases war eine Art Riff zu erkennen, das von hohen Brandungsbrechern berannt wurde. Darüber standen einige windzerzauste Palmen. Einladend sah dieses kleine Eiland gewiß nicht aus. Es machte eigentlich sogar einen abweisenden und drohenden Eindruck.
»Na und...?« fragte Rander und ließ das Glas wieder sinken. »Von diesen Dingern gibt’s doch hier genug, Parker. Wollen wir eine Insel nach der anderen abklappern?«
»Im Grunde meinte ich nicht das bewußte kleine Eiland, Sir, sondern mehr das unscheinbare Segelboot, das irgendwie in Seenot geraten zu sein scheint.«
»Segelboot...?«
Mike Rander schüttelte ungläubig den Kopf. Von einem Segelboot hatte er nichts bemerkt. Sollte sein Butler sich endlich einmal getäuscht haben?
»Nichts zu sehen«, stellte Mike Rander fest, nachdem er noch einmal durch das Marineglas geschaut hatte. »Diesmal haben Sie mit Zitronen gehandelt, Parker.«
»Das bewußte Segelboot schwabert, wenn ich mir diesen Ausdruck erlauben darf, vor der linken Landzunge, Sir.«
Mike Rander wechselte die Blickrichtung und informierte sich erneut. Und dann, nach wenigen Sekunden, sah er tatsächlich das kleine Segelboot, das nicht größer war als eine mittelgroße Nußschale. Das Segel war halb eingezogen worden und machte einen zerfetzten Eindruck.
»Nun sagen Sie mir bloß, wie Sie das ohne Glas gesehen haben«, wunderte Mike Rander sich laut.
»Ich bin immer wieder glücklich, Sir, mich auf meine Augen verlassen zu können«, erwiderte Parker ungerührt.
»Darf ich die erforderlichen Rettungsmanöver einleiten?«
»Worauf warten Sie noch, Parker? Aber passen Sie auf, ich möchte nicht von der Brandung erwischt werden. Dann gibt’s nämlich Kleinholz.«
Parker nickte nur stumm und brachte den Hochseekreuzer auf Touren. Mit der selbstverständlichen Sicherheit und Gelassenheit des erfahrenen Seemannes handhabte er das Ruder. Mike Rander wunderte sich schon nicht mehr darüber. Gab es überhaupt etwas, was Parker nicht schaffte? Er war in allen Sätteln gerecht und geriet nur höchst selten in echte Verlegenheit. Und selbst die dauerte nie länger als ein bis zwei Minuten.
Während Josuah Parker den Hochseekreuzer in rasanter Fahrt an das hilflos treibende Segelboot heranbrachte, traf Mike Rander alle Vorbereitungen für das Rettungsmanöver, obwohl er noch nicht wußte, ob das Boot leer war oder nicht.
Zwischendurch beobachtete er immer wieder durch das Glas. Von Minute zu Minute waren immer mehr Einzelheiten zu erkennen.
Das kleine Segelboot machte einen erbärmlichen Eindruck. Es schien bereits einmal in die schwere Brandung der Insel geraten zu sein. Das Holzwerk war zerschlagen und zerschunden. Das Segel glich nur noch einem wertlosen Fetzen. Das Boot schien in irgendeinen Sog geraten zu sein, denn es hatte plötzlich Fahrt aufgenommen und trieb langsam zurück auf die Brandung.
»Parker, die Brandung«, rief Rander seinem Butler zu. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß das Toben der Brandung bereits deutlich zu hören war.
Josuah Parker stand stocksteif und in durchaus korrekter Haltung am Ruder und bewegte den Motorkreuzer durch das heikle Fahrwasser. Er hatte längst erkannt, daß das kleine, zerschlagene Segelboot abgetrieben wurde. Er beschrieb einen leichten Kreis und schnitt dem gefährdeten Boot den Weg zur Brandung ab.
Dann spielte sich alles innerhalb weniger Minuten ab. Es waren für Mike Rander Minuten, die wie kleine Ewigkeiten andauerten. Die Ausläufer der Brandung rüttelten und schaukelten den Seekreuzer gehörig durch. Parker mußte sein ganzes Können aufbieten, damit sie nicht auf das Unterwasserriff geschleudert wurden.
Mike Rander hatte einen langen Enterhaken in den Händen und zog das Segelboot an den Kreuzer heran. Es war ein Kraftakt, der ihm den Schweiß auf die Stirn trieb.
Doch dieser Kraftakt sollte sich lohnen, wie sich bald herausstellte. Auf dem Rost des kleinen Segelbootes war eine unbewegliche Gestalt zu erkennen.
Es handelte sich um eine Frau, die äußerst attraktiv aussah, die offensichtlich bewußtlos war. Langes, blondes Haar fiel über ihre nackten Schultern. Sie trug einen knapp sitzenden einteiligen Badeanzug und sie lag auf dem unteren Teil eines Bademantels, der ausgebreitet auf dem Bodenrost lag.
Mike Rander wartete mit der Bergung der Frau, bis sie das lädierte Segelboot aus dem Sog herausgeschleppt hatten. Im ruhigen Wasser, weitab von der tobenden Brandung, konnte er dann schließlich die Frau an Bord des Motorkreuzers schaffen.
Sie mochte etwa dreißig Jahre alt sein und sah wirklich nicht mehr aus wie ein junges Mädchen. Es handelte sich um eine reife, sehr attraktive Frau, der das Salzwasser und die sengende Sonne noch wenig zugesetzt hatten.
Sie lebte noch!
Mike Rander und Josuah Parker trugen sie hinunter in die Kajüte und betteten sie auf eine gepolsterte Sitzbank. Dann sah Mike Rander seinen Butler fragend und etwas hilflos an.
»Was machen wir jetzt?« fragte er. »Ich wette, Sie kennen sich auch in der Ersten Hilfe aus, oder?«
»Als junger Pfadfinder, Sir, wurde ich darin ausgebildet«, stellte Parker würdevoll fest. »Da äußerliche Verletzungen nicht zu erkennen sind, kann es sich hier nur um eine Ohnmacht oder Erschöpfung handeln, die man vielleicht mit einem kleinen Schluck Whisky beheben könnte.«
Der Hinweis auf den Whisky genügte, um die Wimpern der wirklich gut aussehenden Frau zittern zu lassen. Sekunden später schlug sie die Augen auf und sah sich verwirrt um.
»Oh...!« stöhnte sie mit leiser, erschöpfter Stimme. Sie hob den Kopf, um ihn sofort wieder zurücksinken zu lassen.
»Keine Sorge, Madam, Sie sind außer Gefahr«, sagte Josuah