Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
durch die Vorortsstraße fuhr. Paddy Lovanski wollte sich wieder dem Spiegel zuwenden, als er unwillkürlich anerkennend schnalzte.
Der Milchhändler schien sich einen neuen Mitarbeiter zugelegt zu haben. Besser gesagt, eine Mitarbeiterin, die ungewöhnlich attraktiv aussah. In der Beurteilung solcher Qualitäten war Paddy ein Fachmann, dem man vertrauen konnte.
Ein langbeiniges Mädchen von schätzungsweise 20 Jahren schien in einen ungewöhnlich knappen Overall hineingeschossen worden zu sein.
Dieses reizende Milchmädchen trug einen Drahtkorb hinüber zum Haus Nr. 246, drückte neben der Tür ein schmales Fenster auf und stellte zwei Milchflaschen in den Korridor des Hauses. Paddy vergaß für einen kurzen Moment die scheußlichen Kopfschmerzen, als das Milchmädchen sich dabei zwangsläufig bückte.
Sie ging zurück zum Milchwagen und zeigte Paddy dabei das Gesicht. Seine Erwartungen wurden weit übertroffen. Pikant, das war der richtige Ausdruck dafür. Über betonten Backenknochen waren da leicht schräg gestellte Augen, die dem Gesicht einen etwas katzenhaften Ausdruck verliehen.
Paddy Lovanski handelte spontan. Er schob seinen Kopf durch das geöffnete Fenster, pfiff und winkte dann nach unten. Dazu lächelte er wie ein großer Junge.
Das Milchmädchen war bei seinem Pfiff zusammengefahren. Es schaute jetzt hoch, lächelte und winkte zurück. Dann verschwand es schnell im Wagen und fuhr los.
Erst später fiel Paddy auf, daß dieses Milchmädchen auf die Belieferung der anderen Kunden verzichtet hatte.
„Parker … Parker …! Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, daß Sie in meiner Zeitung keine Artikel anstreichen sollen“, sagte Rander unwillig, „was mich interessiert, werde ich auch ohne Ihre freundliche Hilfe finden.“
„Ich bin äußerst bestürzt, Sir.“ Parker schritt würdevoll auf den Frühstückstisch zu und zauberte eine zweite, noch unberührte Zeitung hervor. „Ich fürchte, Sir, daß ich Ihnen versehentlich mein Zeitungsexemplar servierte.“
„Versehentlich!?“ Rander sah seinen Butler mißtrauisch an. Dann lächelte er und schüttelte den Kopf. „Wenn Sie glauben, daß ich auf irgend etwas anbeißen werde, dann befinden Sie sich auf dem Holzweg.“
„Sehr wohl, Sir!“ Parkers Gesicht blieb unbeweglich. „Erlauben Sie, daß ich die Exemplare austausche?“
„Diesmal werden Sie es nicht schaffen, mich in irgendeinen Kriminalfall hineinzubugsieren.“
„Sehr wohl, Sir!“
„Und überhaupt … Seit wann interessieren wir uns für die Feuerwehr?“
„Ich bitte um Vergebung, Sir, falls ich Sie inkommodiert haben sollte. Dieses Interesse entdeckte ich ausschließlich bei mir.“
„Schön, Parker, danke!“ Mike Rander nickte seinem Butler zu und widmete sich nun der taufrischen Zeitung, in der keine Artikel und Meldungen angekreuzt waren. Dennoch war und blieb er leicht irritiert. Schließlich kannte er ja seinen Butler seit Jahren. Und er wußte aus Erfahrung, daß Josuah Parker immer wieder versuchte, ihn für ausgefallene Kriminalfälle zu erwärmen.
Warum also, so fragte Rander sich, hatte Parker diese drei Artikel angekreuzt? Warum hatte er darauf aufmerksam machen wollen?
„Parker!?“ Rander schob die Kaffeetasse zurück und zündete sich eine Zigarette an. Sein Butler betrat schon wieder das kleine Frühstückszimmer, durch dessen Fenster man weit hinaus auf den Michigansee sehen konnte. Ein phantastischer Ausblick, um den Anwalt Mike Rander zu beneiden war. Er wohnte zwar im Herzen von Chikago, doch durchaus wie auf einer mittelgroßen, grünen Insel. Sein Penthouse stand auf dem Dach eines Bürohochhauses und war umgeben von einem großen, fast immergrünen Dachgarten.
„Nun schießen Sie schon los“, meinte Rander und stand auf. „Auf welche Ungereimtheiten sind Sie gestoßen?“
„Ich möchte keineswegs aufdringlich wirken, Sir.“
„Nun schmollen Sie nicht, Parker, raus mit der Sprache. Auf was sind Sie gestoßen? Was ist mit dem Monatsbericht der Feuerpolizei?“
„Da Sie darauf bestehen, Sir, werde ich mich bemühen, die Tatsachen kurz und knapp zusammenzufassen.“
„Versuchen Sie, es in rund zehn Minuten zu schaffen“, frotzelte Mike Rander. Er kannte die umständliche Ausdrucksweise seines Butlers, die seine Nerven nur zu oft in leichte Vibration brachte.
„Aus dem Monatsbericht der Feuerlöschpolizei geht hervor, daß eine Häufung von rätselhaften Zimmer- und Hausbränden zu verzeichnen ist, Sir.“
„Weiter, Parker, machen Sie’s nicht so spannend!“
„Der Dachverband der Versicherungen spricht in einer Verlautbarung von einer ungewöhnlich hohen Ausschüttung von Geldbeträgen zur Deckung von Feuerversicherungen.“
„Dürfte ja wohl logisch sein, Parker!“ Rander lächelte, „wenn’s brennt, müssen die Versicherungen eben zahlen. Das ist ihr Risiko.“
„Gewiß, Sir.“ Parker deutete eine leichte Verbeugung an, die seine Zustimmung deutlich machen sollte. „In einem dritten Artikel in besagter Morgenzeitung wird kommentarlos der tödlich verlaufene Unfall eines gewissen Mister Paul Wake gemeldet.“
„Paul Wake … Paul Wake? Der Name kommt mir bekannt vor …“
„Gewiß, Sir. Mister Paul Wake war Versicherungsinspektor der Middel West Insurance und galt als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungsbetrugs. Seine Spezialität war die Aufklärung von Brandstiftungen.“
„Richtig … Ich sah ihn im Fernsehen … Wollte er nicht seine Memoiren schreiben?“
„In der Tat, Sir. Er kündigte einige Sensationen an. Ich darf darauf hinweisen, daß Mister Wake vor einem halben Jahr pensioniert wurde.“
„Kommen wir zur entscheidenden Frage, Parker, worauf wollen Sie hinaus?“
„Ich möchte in aller Bescheidenheit behaupten, Sir, daß Mister Paul Wake ermordet wurde, weil er einer Organisation auf der Spur war, die sich mit dem Legen von Bränden beschäftigt, die dies auf besondere Anforderung tut und dafür Prämien erhebt.“
„Nichts gegen Ihre Phantasie“, erwiderte Mike Rander und schmunzelte amüsiert, „aber diesmal dürfte sie mit Ihnen davongaloppiert sein. Um es ganz deutlich zu sagen, Parker, Sie sehen Gespenster!“
Der mittelgroße Mann mit dem leichten Bauchansatz und dem schütteren Haar betrat zögernd die kleine Bierbar, räusperte sich nervös und ging dann hinüber zur Theke, hinter der ein Barkeeper gelangweilt Gläser spülte und polierte.
Die Bar war um diese frühe Morgenstunde nur wenig besucht Es gab da ein paar Gewohnheitstrinker, die noch müde waren und sich erst langsam in Fahrt brachten, dann einige Laufkunden, die schnell ein kühles Bier trinken wollten, und im Hintergrund neben der Tür zu den Toiletten ein einzelner Gast, der die Zeitung las.
Der mittelgroße Mann wirkte irgendwie verlegen, als er zu dem Zeitungsleser hinüberging und dann vor ihm stehenblieb.
„Ich soll Grüße von Tante Ethel bestellen“, sagte er, „Sie sind doch Mike, ja?“
Der Zeitungsleser ließ das Blatt sinken, nickte und deutete auf den Stuhl neben sich.
„Ich bin Mike“, sagte er dann, „seit wann ist Tante Ethel denn wieder gesund?“
„Seit viereinhalb Tagen“, erwiderte der Mittelgroße, auf dessen Stirn sich kleine Schweißperlen gebildet hatten.
„Okay, kommen wir zur Sache“, meinte Mike nüchtern und routiniert, „welche Schwierigkeiten haben Sie?“
„Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll.“ Der Mittelgroße schien fast so etwas wie Angst vor Mike zu haben. „Ich bin Papierwarengroßhändler … Mein Geschäft ist in der 213. Straße. Und ich …“
„Gut versichert?“ fragte