Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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ich hier war, hatten sich meine Sprachkenntnisse noch mal verbessert, ich hatte viele neue Wörter gelernt, an meiner Aussprache gefeilt und ich entwickelte allmählich ein Gefühl für die Sprache. Überhaupt gefiel mir Barcelona sehr gut, die Vielfältigkeit der Stadt, all die Möglichkeiten, die sich hier boten, das war wirklich toll.

      Ich sprintete die Treppen zur U-Bahn hinab, schob meine Zehnerkarte in das Kartenlesegerät, quetschte mich ungeduldig durch die Absperrung und hechtete in letzter Sekunde in die Bahn, die Türen schlossen sich und wir fuhren an. Ich hielt mich an einer Stange fest und starrte unbeteiligt durch die von Fliegenschiss und Fingerabdrücken verschmierte Fensterscheibe. Das tat ich immer, wenn ich verhindern wollte, dass mich jemand ansprach. Hier und heute fehlten mir dafür die Zeit und die Nerven.

      Die Metro war ziemlich voll, alles Leute, die gerade Mittagspause hatten oder diese beendeten, viele Deutsche, die hier Urlaub machten. Ein paar Österreicher und Schweizer hatte ich auch herausgehört.

      Als die Tür sich das nächste Mal öffnete, stieg ein Schwall von Leuten aus und riss mich fast um, ich hielt wacker dagegen und erkämpfte mir einen Sitzplatz am Fenster. Ich schwitzte, schon jetzt klebte mir das T-Shirt am Leib. Es war unglaublich heiß heute, hier drin war die Luft stickig, man konnte kaum atmen.

      Mir gegenüber saß ein Pärchen, er war Afrikaner, sie Asiatin. Die beiden hielten Händchen, sie hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen, er schaute selbstvergessen aus dem Fenster. Ich betrachtete die beiden unauffällig und lächelte unwillkürlich ‒ sie passten gut zusammen, die beiden. Das kam mir so in den Sinn, während ich sie angaffte. Natürlich total unauffällig. Sie würden sicher mal süße Kinder bekommen, farbig und mit Mandelaugen.

      Ich musste schmunzeln, als ich mir das vorstellte, und dabei fiel mir auf, dass ich noch nie ein Kind gesehen hatte, dessen Eltern asiatischer und afrikanischer Abstammung waren.

      Mitten in meinen Überlegungen hielt die Metro an der Haltestelle, an der ich aussteigen musste. Ich sprang auf und sagte, ohne groß darüber nachzudenken, zu dem Afrikaner und seiner Freundin: „Einen schönen Tag noch, meine Freunde!“, wofür ich nur einen verständnislosen, überraschten Blick erntete. Ich schenkte den beiden ein Lächeln, verließ die U-Bahn, hastete die Treppen hoch und sprintete den Gehweg entlang.

      Es herrschte ein Gedränge und Geschubse, als gäbe es was umsonst. Die Spanier rannten, wie immer, über die rote Fußgängerampel, ohne Rücksicht auf das herannahende Taxi zu nehmen, das eine Vollbremsung hinlegte, dass die Reifen quietschten. Der Fahrer hupte und brüllte wütend etwas aus dem geöffneten Fenster. Endlich sprang die Fußgängerampel auf Grün, ich überquerte mit dem Rest der Minderheit, die sich an die Verkehrsregeln hielt, die Straße. So, jetzt einmal links, einmal rechts, noch mal über die Straße und da war es ... das Amigo, eine moderne, edle Tapas-Bar nördlich der Altstadt, ganz in der Nähe der Sagrada Familia.

      Ich entdeckte den Rotschopf sofort. Sie stand an einem der Stehtische auf der Terrasse, ihr rötliches Haar, das sie offen trug, leuchtete in der Sonne in einem leichten Goldton und sie unterhielt sich angeregt mit einem Kellner, der mit einer Speisekarte an ihrem Tisch stand. Sie trug ein weißes Kleid mit rosa und roten Blümchen drauf, das kurz über den Knien endete.

      Ich blieb in sicherer Entfernung stehen, versuchte abzuschätzen, ob der Rotschopf sehr verärgert über meine Verspätung war, gleichzeitig war ich jedoch erleichtert, dass sie überhaupt noch da war. „Also los, Chris“, dachte ich, „auf in den Kampf!“

      Ich holte tief Luft, straffte die Schultern und begab mich auf direktem Wege zu ihrem Tisch. „Hola“, begrüßte ich sie überschwänglich und platzte dabei gleichzeitig ziemlich unhöflich in ihr Gespräch mit dem smarten Kellner.

      Ihr Blick, den sie mir schenkte, war wenig liebenswürdig, ihr Lächeln steinern. „Hola“, entgegnete sie bissig. Oh weh!

      „Tut mir leid, dass ich zu spät bin“, sagte ich ehrlich zerknirscht.

      „Kein Problem, ich bin auch gerade erst gekommen“, behauptete sie. Das war natürlich gelogen. Vor ihr stand ein leeres Glas, außerdem hatte der Kellner diesen mitleidigen Blick aufgesetzt. Die anderen Gäste schauten verstohlen zu uns herüber, so als hätten sie nicht damit gerechnet, dass wahrhaftig noch jemand auftauchte. Und dann auch noch so ein Prachtbursche wie ich.

      „Sie sollten sich schämen, Kumpel, man lässt so eine schöne Frau doch nicht warten“, rügte der Kellner mich auf Spanisch und zwinkerte Edda zu. Die lächelte verkniffen zurück und schien ihn per Telepathie dazu bringen zu wollen, die Klappe zu halten. Tja, nun hatte er sie eh schon verraten.

      „Ich weiß, es tut mir auch schrecklich leid, aber ich bin aufgehalten worden“, erklärte ich dem Kellner schnell. „Ich bin untröstlich, dass es so gekommen ist. Aber Sie haben sich ja offensichtlich gut um sie gekümmert, Kumpel, danke dafür.“

      Der Kellner grinste und machte eine spöttische Verbeugung. „Gern geschehen. So, ich bringe dann mal eine zweite Karte. Hier, Señorita.“ Schwungvoll reichte er der mürrisch dreinblickenden Edda die Karte, zwinkerte ihr noch mal zu und verschwand, um auch mir eine zu bringen. Ich stützte mich mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab und betrachtete sie, während sie stur in die Karte sah und mich keines Blickes würdigte. Na, das konnte lustig werden!

      Während ich sie so ansah, fiel mir auf, was für sinnliche Lippen sie hatte. Ihre blauen Augen waren ohnehin der Knaller. Sie hatte ordentlich Wimperntusche aufgetragen, das sah ich sogar, obwohl sie den Blick gesenkt hatte.

      Ich riss mich von ihrem Anblick los und räusperte mich. „Ed, ehrlich, es tut mir leid, dass ich zu spät bin, das war keine Absicht.“ Wie immer wenn ich verlegen war, rieb ich mir den Nacken. „Ich hab total verpennt ...“

      „Schon okay, Christopher“, fiel sie mir ins Wort und blätterte eine Seite der Karte um. „Ich bin auch erst seit fünf Minuten hier. Höchstens.“

      Sie beharrte also wirklich darauf. Die ganze Geschichte musste ihr enorm peinlich sein.

      „Warum bist du dann so sauer auf mich?“, fragte ich in provozierendem Tonfall und funkelte sie herausfordernd an. „Wenn du doch angeblich erst fünf Minuten wartest? Bist wohl sauer, dass du überhaupt deine kostbare Zeit verschwendet hast, und dann noch für einen wie mich, was?“ Ich schnaubte.

      „Christopher, bitte“, sie blickte auf, ihr Gesicht glühte puterrot, sodass ihre blauen Augen besonders stark hervorstachen, „belassen wir’s einfach dabei, okay? Bitte! Lass mir wenigstens einen letzten Rest Stolz. So, ich nehme die Patatas bravas. Wenn du willst, kannst du die Karte nehmen.“ Sie klappte sie zu und reichte sie mir, den Blick abgewandt.

      Im selben Moment tauchte der Kellner mit übertrieben strahlendem Lächeln an unserem Tisch auf und wollte mir ebenfalls eine Karte reichen. Ich winkte ab und hob die, die Edda mir gerade gegeben hatte, hoch.

      Er registrierte es mit einem kleinen Nicken und erkundigte sich bei Edda, ob sie schon gewählt hatte. „Hast du dich entschieden, mi hermosa?“

      Er nannte sie „meine Schöne“, du meine Güte! Ich konnte nicht anders, als mit den Augen zu rollen. Charmeoffensive oder was? Wollte er sie jetzt hier vor meinen Augen angraben? War ja lächerlich.

      Edda sah mit einem entzückenden Augenaufschlag zu ihm auf und antwortete in perfektem Spanisch, bestellte die frittierten Kartoffelwürfel mit scharfer Soße und dazu eine Cola. Ich wurde dabei mit voller Absicht komplett ignoriert. Nachdem der Typ umständlich alles auf seinem Block vermerkt hatte, wollte er wissen: „Und hat dein Freund auch schon gewählt?“ Er wandte sich mir zu.

      Ich setzte ein falsches Lächeln auf und antwortete nach einem knappen Blick in die Karte: „Ich hätte gerne die Riñones, bitte. Und ein Wasser.“

      Der Kellner nickte. „Sehr gerne.“

      „Im Übrigen ist er nicht mein Freund“, verkündete Edda ungehalten.

      Der Kellner grinste, warf mir einen mitleidigen Blick zu und zog ab.

      Ich schnaubte


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