Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Franz Stimmer
dass spezifische Methoden in einen sehr viel größeren Zusammenhang eingebettet sind, ohne dessen Beachtung sie inhaltsleer bleiben müssten.
Ein Streben, komplexe Zusammenhänge erkennen zu wollen, ist einerseits eine wichtige Voraussetzung für ein fachlich kompetentes Handeln, in der Praxis sind allerdings Fachkräfte wie KlientInnen dadurch u. U. schnell überfordert, so dass es, um handlungsfähig zu bleiben, sinnvoll und professionell ist, bewusst und gezielt zu reduzieren ohne einem Reduktionismus anheim zu fallen. Das Orientierungsraster und das Modell des zirkulären Problemlösens bieten für Fachkräfte einen Wegweiser – eine Art Kompass –, im gefährlichen Gelände der täglichen Praxis immer wieder einmal zu reflektieren, wo sie sich gerade befinden und um vielleicht hier und da die anderen Ebenen und Prozessphasen wahrzunehmen und sich anregen zu lassen, strukturierter und gezielter weiterzuarbeiten, Routinen vorübergehend hinter sich zu lassen, Versuche nach dem Motto »Probieren geht über Studieren« abzulehnen und sich insgesamt neue kreative Möglichkeiten zu eröffnen. Dies alles und ganz besonders auch zum Wohle der KlientInnen.
Methodisch handeln in der Sozialen Arbeit heißt, die Zusammenhänge zwischen den komplex miteinander wechselwirkend verbundenen Bereichen des Orientierungsrasters von der Anthropologie bis zu den Techniken zu verstehen, umzusetzen und auch in der alltäglichen konkreten Arbeit mit spezifischen Methoden immer wieder zu reflektieren. Und es heißt auch, dass die Planung und Organisation dieses Handelns (Sozialplanung, Sozialmanagement) sich dieser Zusammenhänge bewusst sein muss, um auf ihre Weise effektiv zu sein.
Im Folgenden werden die einzelnen inhaltlichen Ebenen kurz beschrieben:
• Die Grundlage Sozialer Arbeit und damit zugleich die Basis jeglichen Handelns in der Sozialen Arbeit bilden nach dem Orientierungsraster Anthropologie, Sozialphilosophie und Ethik (
• Je nach Definition, je nach »Schule«, je nach bevorzugter Theorie von Sozialer Arbeit (Marburger 1979, Engelke u. a. 2009) sind die Konsequenzen für jeweils alle weiteren Schritte im Rahmen des Orientierungsrasters zu beachten. Eine »kritisch-rationalistische« Sozialpädagogik (Sozialarbeitswissenschaft i. S. von Lutz Rössner), eine »alltagsorientierte« Sozialpädagogik (Alltagsansatz i. S. von Hans Thiersch), eine »kritisch-emanzipatorische« Sozialpädagogik (i. S. von Hermann Giesecke oder Klaus Mollenhauer), eine »historisch-materialistische« Sozialpädagogik (i. S. von Walter Hollstein oder Karam Khella), eine »geisteswissenschaftliche« Sozialpädagogik (i. S. von Herbert Nohl oder Erich Weniger) oder eine »sozialökologische Soziale Arbeit« (i. S. von Germain und Gitterman oder Wendt), um einige Grundorientierungen zu nennen, werden sich von den Basisdefinitionen her u. U. erheblich voneinander unterscheiden und damit auch bezüglich der von ihnen bevorzugten Arbeitsformen, Interaktionsmedien, spezifischen Methoden (Problemanalyse-, Interventions- und Reflexionsmethoden), Verfahren und Techniken. Dennoch gilt auch hier der wissenschaftstheoretische Lehrsatz Schopenhauers von der Notwendigkeit der gleicherweisen Beachtung von Homogenität und Spezifikation (1986, S. 11). Es ist also zu fragen, wo bei den genannten Orientierungen übereinstimmende Aussagen zu finden sind und worin sie sich wirklich unterscheiden. Dies bedeutet dann auch, ausgehend von den homogenen Aussagen, homogene Arbeitsprinzipien, Arbeitsformen, Interaktionsmedien und Methoden zu formulieren und sich gleichzeitig der darüberhinausgehenden spezifischen Unterschiedlichkeiten bewusst zu bleiben. In differenzierter Form ist diese Frage bisher umfassend jedoch nicht bearbeitet worden. Dies kann auch hier nicht geleistet werden. Die Handlungsleitenden Konzepte, die vorgestellt werden (
Abb. 3: Orientierungsraster: Inhaltsebenen Methodischen Handelns von der Anthropologie bis zur Technik (und zurück)
• Aus den theoretischen Konzepten der Sozialen Arbeit resultieren (in Wechselwirkung mit konkreten sozialen Problemen) letztendlich deren Arbeitsfelder, die nach Lebensalter und/oder nach Lebenslagen strukturiert werden können. Ohne Zuordnung von Handlungsfeldern zu theoretischen und erkenntnisleitenden Konzepten bleiben diese beliebig, Moden oder politischen Forderungen unterworfen.
• Theoretische Konzepte der Sozialen Arbeit (Engelke u. a. 2009) sowie die Praxiserfahrungen bilden die Basis für die Handlungsleitenden Konzepte. Unter Konzept wird ein Entwurf, ein Plan, ein Modell verstanden, in dem die einzelnen Inhalte in einen sinnhaften Zusammenhang gebracht werden. Handlungsleitende Konzepte in der Sozialen Arbeit zeichnen sich dadurch aus, dass ein logischer Zusammenhang von den axiologischen Grundannahmen bis zu den konkreten Techniken hergestellt wird. Je nach Vollständigkeit der inhaltlichen Ebenen und der Differenziertheit ihrer Ausgestaltung ergeben sich unterschiedliche Differenzierungsgrade (
• Arbeitsprinzipien sind zu begründende Handlungsnormen, Grundsätze des Handelns zur Lösung von Problemen. In ihnen sind wesentliche Ziele spezifischen Handelns verdeutlicht. Sie leiten sich aus den sozialphilosophischen und ethischen Überlegungen (
• Arbeitsformen sind unterschiedliche Sozialformen mit jeweils eigenen Voraussetzungen, die im Rahmen Handlungsleitender Konzepte umgesetzt werden. Sie dienen als Differenzierungsraster für die spezielleren Interaktionsmedien (Interaktionsmodi, Handlungsarten) und die spezifische Methodenwahl. Je nach Problemstellung und damit einhergehender Festlegung der Arbeitsformen und der Interaktionsmedien sind also einzelne Methoden als Problemlösungswege lege artis zu wählen (monomethodisches Vorgehen) und anzuwenden oder aber ein verschiedene Methoden oder auch einzelne Verfahren integrierendes Konzept (Kombinationsmethode) zu verwenden oder auch erst zu entwickeln und umzusetzen. Für die Wahl der Arbeitsformen und spezieller der Interaktionsmedien und noch spezieller der Methoden, Verfahren und Techniken ist die Problembzw. Situationsanalyse (
• Spezifische Methoden beinhalten mehr oder weniger differenzierte Systeme von geregelten Verfahren(sweisen) und Techniken. Aus dem Instrumentarium der Basis- oder Standardverfahren eines Methodenkonzeptes werden die speziellen Verfahren entwickelt, als konkrete und situationsspezifische Anwendung der Basisverfahren zur Lösung von speziellen Praxisproblemen, u. U. mit entsprechenden Modifikationen (= sozialpädagogische Kreativität). Daneben gibt es Verfahren, die aus der Praxis heraus entwickelt wurden, die aber mangels axiologischer Fundierung und theoretischer Begründung (