Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Franz Stimmer
Beratung (»Zwangsberatung«) sind Erstkontakt und Erstgespräch strukturierter und bürokratisierter. In der Schwangerschaftskonfliktberatung beispielsweise – hier ist zu überlegen, ob es sich nach der Definition (
Ein Erstgespräch kann sich auch über mehrere Sitzungen hin erstrecken, so lange nämlich bis ein klares Arbeitsbündnis (Kontrakt) formuliert werden kann. Erst dann eigentlich wird ein Mensch, der Unterstützung sucht oder dem sie angetragen wird, zum »Klienten«. Diese Bezeichnung wird hier jedoch jetzt auch schon verwendet, um Begriffe wie »Hilfesuchender« oder »Kunde« zu vermeiden (
In den Erstgesprächen soll die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Fachkraft und Klienten gelegt werden. Beide begegnen sich zu nächst ja als Fremde, die sich erst langsam, wenn es denn gelingt, einander annähern. In manchen Situationen treffen konträre Welten aufeinander: hier die akademisch gebildete Fachkraft in stabiler beruflicher Position, dort der arbeitslose, aggressive, alkoholabhängige Mitzwanziger ohne Zukunft oder – weniger dramatisch – hier die Beraterin kurz vor der Pensionierung, dort der Jugendliche, der seine Zeit lieber vor dem Computer absitzt und sich Rap-Music herunterlädt anstatt in die Schule zu gehen. Das Akzeptieren des Anders-Sein von Klienten – später vielleicht auch ein wechselseitiges Annehmen des Anders-Sein – bildet die Basis der Verständigung, d. h. wertschätzend dem zu begegnen, was Klienten über ihre Situation erzählen und zunächst wenigstens versuchsweise zu verstehen, was sie bedrückt. Dies heißt auch, ihre Bedenken gegenüber sozialpädagogischen Einrichtungen oder Interventionen zu respektieren, anzuerkennen, dass sie noch unentschlossen sind, u. U. auch hin und her gerissen sind zwischen dem Druck, der von außen kommt und dem was sie selber für richtig halten und gerne auch verändern möchten. Wenn auch eine Veränderungsmotivation entwickelt ist, heißt das noch nicht, dass auch eine Motivation für eine Inanspruchnahme weiterer Hilfen vorliegt. Das Ergebnis der Erstgespräche könnte womöglich aber auch sein, dass Klienten sich gegen eine weitere Zusammenarbeit entscheiden. Dies ist von der Fachkraft – wenn es vielleicht auch schwerfällt – anzuerkennen und zu akzeptieren, ebenso, dass Klienten ihre Situation anders einschätzen als sie selbst aus ihrer professionellen Sicht heraus. Diese Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Sichtweisen und auch Wertvorstellungen führt bei Sozialpädagogen möglicherweise zu einem Dilemma, das aufgelöst werden muss – eventuell auch über eine Supervision (
Meist reicht es zu Beginn von Erstgesprächen schon aus – was leichter klingt als es ist – einfach zuzuhören (Neugier ausdrückendes aktives Zuhören), ohne zu unterbrechen. Für zukünftige Klienten ist es entlastend, alles erst einmal unkontrolliert erzählen zu können, was sie bedrückt und einen Gesprächspartner zu finden, der nicht gleicht genervt weghört, wie es sonst ihre Erfahrungen im Alltag sind. Die Methode der Wahl in den Erstgesprächen ist zweifelsohne die Klientenzentrierte Gesprächsführung mit ihren Prinzipien der Empathie, Wertschätzung und Echtheit (
In den Erstgesprächen macht sich die Fachkraft ein vorläufiges Bild vom Klienten und der Klient wiederum ein solches von ihr. Der Sozialpädagoge findet vielleicht »seinen« Klienten interessant und hofft, dass er wiederkommt, der Klient »seinen« Sozialpädagogen vielleicht sympathisch und hofft, dass er seine Probleme lösen wird. Diese Bilder sollten überprüft werden, zunächst natürlich von der Fachkraft. Gerade bei Erstgesprächen, die ja ganz zentral der Vertrauensbildung dienen, schleichen sich gerne – und das ist völlig normal – Übertragungen ein bzw. Gegenübertragungen dann, wenn SozialpädagogInnen, die ihnen von KliententInnen übertragenen Rollen unreflektiert übernehmen und beispielsweise in die Rolle des väterlichen bzw. mütterlichen, alle Probleme lösenden Freundes bzw. Freundin einsteigen.
Natürlich kommt es auch vor, dass Klienten beim Erstgespräch konsequent schweigen, was aber nicht so gedeutet werden kann, als hätten sie kein Interesse. Vielleicht ist es die Unsicherheit in dieser ungewohnten Situation oder Vorurteile gegenüber einer sozialpädagogischen Einrichtung oder die – manchmal langjährige – Erfahrung, dass es zum eigenen Schutz besser ist, nichts zu sagen oder eventuell auch eine einschränkende Schwierigkeit, sich sprachlich so auszudrücken zu können, wie es innerlich erlebt wird.
Bei den Erstgesprächen sind auch die Möglichkeiten und Grenzen der Fachkräfte sowie der jeweiligen Einrichtungen deutlich aufzuzeigen. KlientInnen müssen wissen, was auf sie zukommt, worauf sie sich einlassen: Wie wird gearbeitet? Entstehen Kosten? Wie häufig sind und wie lange dauern einzelne Treffen? Welche Regeln gibt es (Pünktlichkeit, Terminabsagen)? Wie steht es mit der Verschwiegenheit? Gibt es Ausnahmen von der Schweigepflicht (z. B. Schweige- gegenüber Anzeigepflicht)? Die Antworten auf diese und weitere Fragen sind als Abschluss der Erstgespräche in einer Vereinbarung (Kontrakt) – je nach Arbeitssituation am besten schriftlich – festzuhalten. Bei Problemen bezüglich der Schadensersatzpflicht kann das darüber hinaus durchaus relevant werden (
Nicht jeder Berater passt zudem zu jedem Klienten. Nicht jede vom Berater beherrschte Methode passt zu jedem Problem, nicht jedes Problem ist in jeder sozialpädagogischen Einrichtung gut aufgehoben. Manchmal wird schon sehr früh deutlich, dass der spezifische Problemfall eher ein Fall für einen Mediziner, Psychotherapeuten, für einen Rechtsanwalt oder für ein Betreutes Wohnen ist (zu den unterschiedlichen »Falltypen« nach B. Müller,