Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Franz Stimmer
und Landesjugendämtern hauptberuflich nur Personen beschäftigen, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte) oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgaben zu erfüllen. Soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert, sind mit ihrer Wahrnehmung nur Fachkräfte oder Fachkräfte mit entsprechender Zusatzausbildung zu betrauen. Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen sollen zusammenwirken, soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert. (2) Leitende Funktionen des Jugendamts oder des Landesjugendamts sollen in der Regel nur Fachkräften übertragen werden. (3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiter des Jugendamts und des Landesjugendamts sicherzustellen.
Für andere öffentliche Träger der Sozialen Arbeit muss Gleiches gelten (Kievel u. a. 2010, S. 6).
§ 6 SGB XII
Fachkräfte
(1) Bei der Durchführung der Aufgaben dieses Buches werden Personen beschäftigt, die sich hierfür nach ihrer Persönlichkeit eignen und in der Regel entweder eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben oder über vergleichbare Erfahrungen verfügen. (2) Die Träger der Sozialhilfe gewährleisten für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine angemessene fachliche Fortbildung ihrer Fachkräfte. Diese umfasst auch die Durchführung von Dienstleistungen, insbesondere von Beratung und Unterstützung.
Sowohl im § 72 SGB VIII als auch im § 6 SGB XII werden – ähnlich wie bei den Kriterien des DBSH – als Fachkräfte pauschal alle Personen bezeichnet, die im weiteren Sinn – im Rahmen unterschiedlicher Qualifikationsebenen – einen sozialpädagogischen Beruf ausüben. Dazu sind ErzieherInnen (Fachschule) sowie SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen (Fachhochschule, Universität), Diplom-PädagogInnen mit Studienrichtung Sozialpädagogik und HeilpädagogInnen zu rechnen. Besonders betont wird jeweils die Notwendigkeit von sach- und fachbezogenen Fort- und Weiterbildungen allgemein und im Besonderen für spezifische Tätigkeitsfelder.
Das Fachkräftegebot und die entsprechenden Anforderungen gelten auch für Freie Träger, die eine öffentliche Förderung erhalten beispielsweise in der Schuldnerberatung, Bewährungshilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Ausländerberatung usw. (Kievel u. a. 2010, S. 6).
Die sowohl im § 72 SGB VIII als auch im § 6 SGB XII festgeschriebenen Formulierungen bezüglich der Gleichstellung von (ausgebildeten) Fachkräften mit Personen mit »besonderen Erfahrungen« bzw. mit »vergleichbaren Erfahrungen« ist unzeitgemäß, wenn die heutigen professionellen Ansprüche in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit bedacht werden (Verrechtlichung, Professionalisierung, Gesellschaftspolitik, Sozialökologie …), die neben der Beziehungskompetenz spezifische fachliche und sachliche Kompetenzen erfordern (
4.5.4 Intersubjektivität: Klient und Fachkraft
Ziel des Kontakts zwischen Klienten und Fachkräften der Sozialen Arbeit ist es, die Bewältigung von Konflikten und Problemen von Klienten zu fördern, die in der interdependenten Auseinandersetzung zwischen Mensch und Umwelt ihren Ursprung haben und die subjektiv als Belastung, Überforderung, Leid, Unvermögen, Minderwertigkeit, Sinnlosigkeit erlebt werden und sich störend in sozialen Beziehungen äußern.
Die Bandbreite der Themen »reicht von
• kurzfristigen bis längerfristigen somato-psychischen Konflikten (Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch, Traumatisierung, Suchtentwicklung …),
• psycho-sozialen Problemen (Erziehungsschwierigkeiten, Trennung und Scheidung, Lernschwierigkeiten, Mobbing …),
• ökonomischen Notlagen (Schulden, Arbeitslosigkeit, Armut …)
• bis hin zu kulturspezifischen Konflikten (Migration, religiöse Zugehörigkeit …)« (Stimmer/Weinhardt 2010, S. 16).
Wenn Subjekte der Sozialen Arbeit – Klienten und Fachkräfte – handelnde Menschen in ihrer jeweiligen Lebenswelt mit mehr oder weniger stark differierenden spezifischen Lebensstilen und einer meist unterschiedlichen Lebensführung sowie verschiedenen subkulturellen Eigenarten sind, dann sind wechselseitige Vorurteile, Missverständnisse und Spannungen nicht auszuschließen, wenn diese beiden Subjekte mit ihren jeweiligen Vorgeschichten aufeinander treffen. Dabei kann nicht geleugnet werden, dass natürlich auch Fachkräfte von den genannten Themen mehr oder weniger ausgeprägt betroffen sein können, was einerseits – falls reflektiert – einen verstehenden Zugang zu den Konflikten der KlientInnen erleichtern könnte, die andererseits aber auch Anlass sein können, sie zu verdrängen – besonders Tabuinhalte wie Sexualität, Gewalt, Tod, Inzest –, um handlungsfähig zu bleiben. Supervision und eventuell Psychotherapie wären die Mittel der Wahl.
Geschlechts-, Alters-, Bildungs- und kulturelle Unterschiede können eine wechselseitige Annäherung erschweren. Kann eine in Deutschland an einer Hochschule ausgebildete Sozialpädagogin einen Flüchtling aus Afghanistan mit islamischer Religion und einem klaren Bild von Familie verstehen und kann er dies umgekehrt? Hier wird deutlich, dass Verständigung nicht nur einen Beziehungs-, sondern auch einen Sachaspekt hat, d. h. auch, dass Fachkräfte sich kundig zu machen haben bezüglich des kulturellen, religiösen, gesellschaftlichen – auch subkulturellen – Hintergrunds ihrer KlientInnen. Für Fachkräfte ist es ja nicht ohne weiteres zu verstehen, was denn bei der 14-jährigen Julia »abgeht«, die nicht aufhört, die »Schule zu schwänzen« und sich lieber »herumtreibt«, oder bei Herrn Schweiger, der trotz negativster Erfahrungen immer wieder »rückfällig« wird und sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinkt, oder bei der Familie Weichert, die trotz täglicher körperlicher Gewalt »zusammenhält«, oder bei Frau Liebert, der die Schulden schon »über den Kopf wachsen« und die dennoch den Kaufvertrag für ein neues Auto unterschreibt, oder bei dem 17-jährigen »Jo«, der trotz einer Jugendstrafe nicht davon ablässt, mit seiner Gang Autos zu »knacken« und damit auf Tour zu gehen, oder auch bei Herrn Özkan, der steif und fest und unbeirrbar daran festhält, dass er natürlich das Recht hat, ein für allemal zu bestimmen, wen seine 17-jährige Tochter heiratet und wen ganz gewiss nicht.
Um den schwierigen intersubjektiven Prozess zwischen Fachkraft und Klient begrifflich zu fassen, wurden verschiedene Vorstellungen – die nicht deckungsgleich sind, aber unterschiedliche Aspekte des Gleichen/Ähnlichen betonen – entwickelt, wie sie u. a. auch umschrieben werden als »Sokratischer Dialog« (Stavemann 2003), als »Begegnung« (Moreno 1918), als »Dialogisches Prinzip« (Buber 1984), als »Rapport« (Neurolinguistisches Programmieren/NLP: Weerth 1992, S. 133 ff.), als »Intersubjektivität« (Mead 1968; vgl. Fischer 2000), als »Pädagogischer Bezug« (Nohl 1970, S. 134) sowie als »Verständigungsorientierung« (Habermas 1981, S. 446). Bei diesen Begriffen wird eines sehr deutlich: Ihr Inhalt bezieht sich nicht auf intrapsychische Dimensionen, sondern zentral ist das, was zwischen Menschen stattfindet, das, was als Intersubjektivität, Interpersonalität, als Inter-Aktion oder besser mit Moreno und Buber als Begegnung bezeichnet wird. Intersubjektivität in diesem Sinne bedarf der Verständigung (