Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Franz Stimmer

Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit - Franz Stimmer


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sie, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Es gelingt ihr, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, wobei deutlich wird, dass nach ihrer Ansicht von einem Drogenkonsum keine Rede sein kann, wenn einige der Jugendlichen auch leicht angetrunken waren. Als Ergebnis des Gesprächs sollen gemeinsam andere Möglichkeiten für die Treffs der Jugendlichen gesucht werden, wobei diese lautstark monieren, dass es im ganzen Viertel kein Jugendzentrum gibt. Hier schließen sich wieder einige Fragen an: Wie kann die Kooperation mit der Polizei begründet werden? Hat die Sozialpädagogin genügend Kenntnisse, um zu entscheiden, ob ein Drogenkonsum bzw. ein Drogenmissbrauch vorliegt? Schätzt sie den Alkoholkonsum als Drogenkonsum ein? Wie kann die Einrichtung eines Jugendzentrums von ihr gefördert werden? Sind politische Aktivitäten dabei sozialpädagogisch zu vertreten? usw.

      Neben solchen Tätigkeiten, die die Gestaltung des Freizeitbereichs betreffen, geht es aber auch darum, die Jugendlichen bei der Suche nach Arbeit oder nach einer Lehrstelle zu unterstützen. Viele von ihnen beherrschen die deutsche Sprache nur unvollkommen. Sie kamen mit ihren Eltern als Aussiedler aus Russland, als Flüchtlinge aus Bosnien oder als Gastarbeiter aus der Türkei. So gehört zur täglichen Arbeit der Sozialpädagogin auch die Hilfestellung bei Bewerbungen oder auch vorher schon bei den Schularbeiten ebenso wie Vermittlungsgespräche zwischen Eltern und Jugendlichen, wenn etwa Anzeigen wegen Ladendiebstahls vorliegen. Auch die Kontaktaufnahme zum Jugendamt oder zur Drogenberatungsstelle ist hier und da notwendig, wenn eine Jugendliche nächtelang nicht nach Hause kommt und die Eltern die Sozialpädagogin daraufhin ansprechen oder wenn nachts ein Jugendlicher total betrunken von der Polizei aufgegriffen wird und dies der Sozialpädagogin rückgemeldet wird. Auch hier wiederum einige Fragen: Ist die Sozialpädagogin für all diese Probleme zuständig? Wie kann es ihr gelingen, als »verlängerter Arm« der Eltern oder der Polizei den Kontakt zu den Jugendlichen nicht zu verlieren? Gibt es Verfahren, die die Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen strukturieren helfen? Ist eine spezifische Methode für diese Tätigkeit ausreichend oder müssen Methoden und Verfahren kombiniert werden? usw.

      Aus den beiden kurzen Beispielen lassen sich zusammenfassend Fragen zum methodischen Handeln ableiten. Mit welchen Begründungen handeln die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle und die Sozialarbeiterin so, wie sie handeln? Werden dabei Theorien oder Forschungserkenntnisse einbezogen? Wird die Arbeit in größere Zusammenhänge integriert (Netzwerke, Gemeindeorientierungen, Jugendhilfeplanung)? Nach welchen Handlungsleitenden Konzepten wird gehandelt (Empowerment, Case Management, Erlebnispädagogik …)? Sind die Arbeitsformen (Einzelarbeit, Gruppenarbeit …) und die Interaktionsmedien (Beratung, Unterstützung, Erziehung, Bildung …) reflektiert in die Arbeit aufgenommen? Gibt es so etwas wie eine Situationsanalyse? Wenn ja, mit welchen Verfahren? Wird nach spezifischen Interventionsmethoden gehandelt und wird dieses Handeln evaluiert (Fremd- oder Selbstevaluation)? Ist Supervision für die Beteiligten gegeben? Wenn ja, welche (Einzel-, Gruppen-, Teamsupervision)? Wenn nicht, warum nicht? Werden berufsethische Fragen reflektiert? Fragen über Fragen, die es bei der Betrachtung konkreten Handelns in der Sozialen Arbeit zu beachten und zu beantworten gilt. Genau dazu dienen die Systematik des Orientierungsrasters (image Abb. 3) bzw. die weiteren Ausführungen in diesem Buch.

      3 Grundbegriffe und Modelle

      Am Alltagsbeispiel des Baus eines Holzschuppens – ein Abenteuer, dem sich Herr S. kürzlich gestellt hat – sollen zunächst einige wesentliche Elemente methodischen Handelns benannt werden.

      Für einen professionellen Holzschuppenbauer wäre der Bau eines solchen eine Routineaufgabe, die ihn nicht besonders beunruhigen würde. Für Herrn S. war es ein Problem, das gelöst werden sollte (Routinehandeln vs. Problemlösungshandeln).

      Ausgangspunkt war ein unerwünschter Ist-Zustand, dass nämlich das Holz, das Herr S. für seinen Kamin im Herbst und im Winter benötigt, irgendwo und irgendwie im Garten herumlag, meist feucht und längst als Behausung von Kellerasseln in Beschlag genommen (Situationsanalyse).

      Der erwünschte Soll-Zustand, das Ziel war es, trockenes, gut abgelagertes und gut brennbares Holz zu bekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann das Holz sackweise gekauft werden, Herr S. kann es beim Nachbarn ausleihen oder stehlen. Er kann auch ganz auf die Holzfeuerung verzichten und sich stattdessen einen Öl- oder Gasofen zulegen, frieren oder sich eine dicke Wolldecke kaufen (Basisziel, Methodenvielfalt).

      Das erklärte Ziel von Herrn S. war aber der Bau eines Holzschuppens, in der Annahme, dass dann das Holz trocken und ohne Kellerasseln und Tausendfüßler zur Kaminfeuerung verwendbar sein wird, mit den zusätzlichen Folgen, dass der Kamin besser brennt und der Schornstein weniger raucht. Dieses Ziel bzw. diese Ziele sollten unter Berücksichtigung der Randbedingungen, der vorliegenden Verhältnisse (Menge des benötigten Holzes, Zugänglichkeit des Schuppens, räumliche Möglichkeiten auf dem Grundstück, behördliche Vorschriften …) und unter Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen (zu hohe Kosten, Brandgefahr, Ärger mit dem Nachbarn …) erreicht werden (Teilziele, Mehrperspektivität, Hypothesenbildung).

      Unter diesen Zielvorgaben erfolgte eine Planungsphase, bei der in der Fantasie, auf dem Papier und in Diskussion mit der Ehefrau mögliche Arbeitsformen (Alleinarbeit, Gruppe von Freunden oder Nachbarn, Handwerksbetrieb) unter Berücksichtigung der genannten Bedingungen von Herrn S. durchgespielt wurden, um dann nach Festlegung eines Handlungsleitenden Konzeptes (Bauplan eines Architekten, Pläne aus der Heimwerkerliteratur) einer speziellen Arbeitsform (Einzel- oder Gruppenarbeit), eines Interaktionsmediums – einer Handlungsart – (gleichberechtigte Kooperation, Meister-Lehrlingsverhältnis, Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis) und einer entsprechenden spezifischen Methode (Stahlbau, Holzkonstruktion, Zeltbau) den Handlungsplan zu formulieren (Planung).

      In diesem Fall hat sich Herr S. für das Arbeitsprinzip »Selbstbau« entschieden (dahinter steht vielleicht ein Prinzip wie »Selbst ist der Mann«), die Problemlöser waren er selbst und ein Bekannter, der einen Plan für den Holzschuppen zeichnete und ihm beim Bau half, was zur Arbeitsform Partnerarbeit führte. Als Interaktionsmedium wählten sie eine gleichberechtigte Kooperation mit manchen Spezialisierungen (Löcher bohren, Nägel einschlagen) und als spezifische Methode den Holzbau. Damit waren auch bestimmte weitere Verfahrensweisen, als Teilschritte innerhalb dieser Methode, festgelegt (Imprägnieren des Holzes, Verbindung von Pfählen mit Balken und Latten in vorher festgelegter Abfolge …) und bestimmte Techniken (Nageln, Bohren, Sägen … mit tauglichem Handwerkszeug) vorgegeben (Arbeitsprinzip, Handlungsleitendes Konzept, Arbeitsform, Interaktionsmedium, Intervention: spezifische Methode, Verfahren, Techniken).

      Die Handlungskontrolle, die Erfolgskontrolle (Standfestigkeit, Schutz vor Regen, genügend Raum …) hat das Werk, mit zufriedener Betrachtung des Holzschuppens unter Beteiligung kritischer Blicke von Familienangehörigen und Bekannten, abgeschlossen. Weitere Kontrollen in der kommenden Zeit werden zeigen, ob ein Langzeiterfolg erreicht wurde oder ob weitere Maßnahmen (Modifizierungen), im schlimmsten Fall der Abbruch des Holzschuppens, nötig sind und andere Arbeitsformen, Interaktionsmedien und Methoden in Erwägung gezogen werden müssen (Evaluation).

      Im Verlauf des Prozesses des Holzschuppenbaus ergaben sich einerseits die Notwendigkeit von Verfahrenskorrekturen (Veränderung des Dachneigungswinkels, um den Wasserabfluss zu gewährleisten durch Unterlegen eines Klotzes …) und andererseits Zielveränderungen bzw. neue Ziele (Optik des Schuppens, Verschönerungen …). Daraus abgeleitet entstanden weitere Problemlösungsversuche (Zirkulärer Problemlösungsprozess).

      Der Soll-Zustand stand anfangs für Herrn S. nur vage fest. Mit der Wahl der Arbeitsform, des Interaktionsmediums und der spezifischen Methode wurde das Basisziel konkretisiert. Die Zieldefinition änderte sich aber mit der Methodenwahl. Es entstanden Teilziele oder Unterziele. Das Basisziel war es, trockenes Holz zu bekommen. Mit der Wahl der Arbeitsform (Selbstbau in Partnerarbeit) und der Wahl des Interaktionsmediums (gleichberechtigte Kooperation) und der Methode mit ihren Verfahren und Techniken (Holzkonstruktion) und den damit verbundenen Möglichkeiten haben sich aber Unterziele ergeben, die plötzlich sehr viel wichtiger wurden, als nur trockenes Holz zu erhalten: Ästhetik


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