Dr. Norden Bestseller Classic 50 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Norden wusste nun den Namen der Patientin, und Theo und Helga wussten, in welcher Klinik Marlen Broda lag.
»Sie wissen zufällig auch, wo man ihren Mann erreichen kann?«, fragte Dr. Norden.
»Sie ist nicht verheiratet«, erwiderte Theo. »Jedenfalls weiß ich darüber nichts.«
»Nun, das wird man ja in Erfahrung bringen können«, sagte Dr. Norden. »Vielen Dank, dass Sie zu mir gekommen sind, aber die Personalien braucht Dr. Leitner nötiger. Haben Sie Ihren neuen Film abgedreht, Herr Rodenberg?«
»Früher als ich dachte, deswegen bin ich schon zurück. Hat alles wunderbar geklappt.«
»Und wir freuen uns schon, wenn wir ihn sehen können«, erwiderte Dr. Norden.
»Ein wahnsinnig netter Mensch«, sagte Theo, als sie wieder auf der Straße standen.
»Sehr attraktiv«, stellte Helga fest.
Er lächelte spöttisch. »Das finden viele Frauen, aber es nutzt ihnen nichts. Seine Frau stellt alle in den Schatten.«
»Es war nur eine Feststellung von mir«, sagte Helga kühl. »Ich interessiere mich nicht für Männer, für verheiratete schon gar nicht.« Eine kleine Pause folgte, ein schnelles Atemholen. »Diese Marlen Broda ist nicht verheiratet«, sagte sie dann gedankenverloren. »Sind Sie sicher?«
»Sicher bin ich nicht, aber was spielt das für eine Rolle?«
»Ich meine nur wegen des Babys.«
»Wegen welchen Babys?«, fragte er verwundert.
»Sie erwartet doch ein Baby.«
»Allmächtiger, das habe ich nicht mitgekriegt. Sie war auch schon im Wagen, als ich kam.«
»Vielleicht suchte sie Hilfe bei Viola oder auch bei Ihnen.«
Theo kniff die Augen zusammen. »Es könnte möglich sein. Bei mir eher als bei Viola. Ich glaube nicht, dass sie Viola kannte. Jedenfalls nicht so gut. Aber sicher wusste sie, dass ich unterwegs bin. Wenn sie aber Hilfe suchte, muss sie schon in einer verflixten Notlage sein. Sie geht nicht hausieren. Bitte, protestieren Sie jetzt nicht, aber ich möchte doch gern in die Tasche schauen, ob wir nicht einen Hinweis finden auf jemanden, der ihr nahesteht.«
Helga sah ihn forschend an, und er wurde verlegen.
»Sie misstrauen mir aber sehr«, brummte er. »Bin ich denn so ein verwegener Typ?«
»Jedenfalls nicht leicht zu durchschauen«, erwiderte sie gelassen. »Und ich bin Männern gegenüber nun mal von Natur aus misstrauisch.«
»Was, wie ich ja schon feststellte, besser ist als das Gegenteil.«
Wau, wau, machte Purzel, und Theo lachte. »Er bestätigt es. Bist ein guter Hund, Purzel. Sehen Sie, er mag mich, da dürfen Sie eigentlich auch ein bisschen toleranter sein.«
»Dann schauen Sie halt in die Handtasche«, sagte Helga.
»Warten wir doch lieber, bis wir wissen, wie es ihr geht«, sagte Theo.
Purzel musste wieder draußen warten, und eigentlich hatte Helga das auch vorgehabt. Aber dann sah Theo sie so bittend an, dass sie doch mitging.
»Ich habe einen Horror vor Kliniken, seit meine Mutter gestorben ist«, sagte er leise. »Es war der schlimmste Tag in meinem Leben.«
Dr. Leitner nahm sich ein paar Minuten Zeit, als ihm gesagt wurde, in welcher Angelegenheit man ihn sprechen wolle.
Helga erklärte ihm dann, dass ihr Marlen fremd gewesen war, dass dann der Taxichauffeur aber die Tasche gebracht hätte.
»Mir ist Frau Broda bekannt«, erklärte Theo.
»Der Ehemann auch?«, fragte Dr. Leitner.
»Nein, ich weiß nichts von einer Heirat. Ich habe sie allerdings auch schon Monate nicht mehr gesehen«, erwiderte Theo.
»Es geht ihr sehr schlecht. Es wäre gut, wenn die nächsten Angehörigen benachrichtigt werden.«
Helga sah ihn entsetzt an. »Und das Baby?«, fragte sie heiser.
»Das hat sie verloren«, erwiderte Dr. Leitner ausweichend.
»Die Ärmste«, sagte Helga mitleidvoll. »Das ist schrecklich.«
»Sie sagten, dass ihr Zustand ernst ist?« Theos Stimme klang heiser.
»Sehr ernst«, erwiderte Dr. Leitner.
»Kann ich zu ihr?«, fragte Theo.
»Sie ist bewusstlos.«
»Kann ich etwas für sie tun?«, fragte Theo. »Jemand muss doch etwas für sie tun.«
»Sie hat im Augenblick alles, was sie braucht, und das ist wenig genug. Man kann jetzt gar nichts sonst tun.«
»Dann sollten wir wohl doch besser in die Tasche schauen, ob wir Anhaltspunkte finden, wer benachrichtigt werden könnte«, schlug Helga vor.
Dr. Leitner nickte.
Es war eine jener Taschen, die unergründlich schienen und in denen sich leicht etwas versteckte. Helga hasste solche Taschen. Bei ihr musste alles sofort zur Hand sein. In der Brieftasche, der sie schon den Pass entnommen hatten, befand sich noch der Führerschein und ein paar Fotos. Bei einem stockte Helga der Atem, aber sie unterdrückte einen Ausruf. Sie sah wieder Theo an, aber in dessen Stirn hatten sich die Falten nur vertieft.
Ein Notizbuch holte er auch aus der Tiefe hervor.
Auf der ersten Seite war ein Aufkleber mit Marlens Namen und Adresse. Theo schrieb sie schnell in sein eigenes Notizbuch.
Im Pass und auch im Führerschein stand »ledig«, aber das wollte nichts sagen. Wer trug schon Urkunden mit sich herum!
»Wenn Sie etwas in Erfahrung bringen, benachrichtigen Sie mich bitte«, sagte Dr. Leitner. »Sie nehmen mir damit sehr viel ab. Wir haben Hochbetrieb.«
Er wurde nun auch wieder in den Kreißsaal gerufen, aus dem das Jammern einer Frau drang.
»Kinderkriegen ist schmerzhaft«, sagte Theo rau.
»Eins verlieren tut sicher noch mehr weh«, sagte Helga.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Marlen ein Kind erwartete«, sagte er nachdenklich. »Sie ist nicht der Typ. Ich meine, sie ist kein mütterlicher Typ. Warum haben Sie keine Kinder?«
Helga sah ihn bestürzt an. »Ich bin nicht verheiratet«, erwiderte sie stockend.
»Na und, Sie sind aber der Typ, der Kinder haben sollte.«
Konnte er ihr ins Herz schauen? Ja, ein Kind hätte sie sich gewünscht, aber sie war noch keinem Mann begegnet, den sie sich als Vater ihres Kindes vorstellen konnte.
»Sie hat ihr Kind verloren, und der Vater weiß es nicht«, murmelte sie.
»Vielleicht interessiert ihn das auch gar nicht.« Theos Stimme klang hart.
»Sie hat ein Foto von Werner Kilian in der Brieftasche«, sagte Helga leise.
»Was will das schon besagen? Sie sind Kollegen. Sie haben auch einen Film zusammen gedreht.«
»Sie ist eine sehr schöne Frau.«
»Und ich hielt sie auch für eine kluge Frau«, sagte Theo, »aber das scheint bereits widerlegt zu sein.«
»Weil sie ein Kind erwartete?«, fragte Helga.
»Weil sie allein war in einer schlimmen Stunde, weil sie da vor einer fremden Tür stand und zusammenbrach.«
»Aber das kann doch ganz plötzlich gekommen sein.«
»Nicht so plötzlich. Liebe Helga, wir verstehen uns doch eigentlich ganz gut. Wir sind beide nicht sentimental und verstehen, logisch zu denken. Wenn eine Frau so schlecht beieinander ist, dass sie sogar ihre Handtasche vergisst, wenn sie Schmerzen hat, macht sie doch keinen Besuch,